Annekathrin Giegengack: Ein Umsteuern in der Hochschulpolitik ist dringend nötig

Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin
Giegengack zum Antrag "Hochschulen in Sachsen zukunftsfest gestalten" (Drs. 5/14600)
99. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19. Juni 2014, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
"Prognosen sind eine schwierige Sache. Besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Dieses Zitat von Mark Twain ist zwar über 100 Jahre alt, hat aber nichts an Aktualität eingebüßt. Überall werden Prognosen in schöner Regelmäßigkeit von der Realität eingeholt und erweisen sich als falsch. Auf der anderen Seite hat Politik nun einmal die Aufgabe, eben nicht nur in den zeitlichen Grenzen der aktuellen Legislaturperiode zu denken, sondern durchaus 10 oder 15 Jahre weiter, wenn es das Ziel ist, wirklich nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Und hierfür braucht es unbestritten wissenschaftlich fundierte Aussagen und Daten die zu erwartende Entwicklung in einem bestimmten Bereich betreffend. Dieser Widerspruch ist die Krux, die unserer parlamentarischen Arbeit innewohnt. Eine auf Nachhaltigkeit und Beständigkeit fokussierte Politik hat nur eine Möglichkeit, diesen Gegensatz aufzulösen – man muss Entscheidungen auf der Datengrundlage fällen, die man hat, darf aber nicht davor zurückschrecken, diese Entscheidungen zu revidieren, wenn sich die Prognosen als falsch erweisen.
Welche Folgen es hat, wenn der einmal eingeschlagene Weg trotz sich verändernder Rahmenbedingungen einfach fortgeführt wird, kann man gut in der sächsischen Hochschullandschaft ausmachen. Der im Jahr 2011 vorgelegte Hochschulentwicklungsplan ging von drastisch zurückgehenden Studienanfängerzahlen aus. Die Staatsregierung nahm das zum Anlass, den Hochschulen einen radikalen Stellenabbau zu verordnen. Bis 2015 sollen 300 Regelstellen an den Hochschulen abgebaut werden, bis 2020 stehen sogar bis zu 1.042 Stellen zur Debatte. Meine Fraktion hat bereits damals in einem eigenen Hochschulentwicklungsplan dafür plädiert, auf diese Stellenkürzungen zu verzichten und die so gewonnene demografische Rendite für die Verbesserung der Lehre einzusetzen. Nun sehen wir bereits das vierte Jahr in Folge das ganze Gegenteil von dem, was einmal vorhergesagt wurde. Die Studienanfängerzahlen verharren auf hohem Niveau, auch die Kultusministerkonferenz geht mittlerweile davon aus, dass die Studierendenzahlen selbst im Jahr 2025 noch über dem Niveau von 2010 liegen werden. Für Sachsen bedeutet dies eine gewaltige Chance, wenn es darum geht, den Fachkräftebedarf zu decken, von der wissenschaftlichen Leistung unserer Hochschulen einmal ganz abgesehen. Aber dafür müssen wir auch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Das ganze Gegenteil ist derzeit der Fall. Das Beharren auf den Stellenkürzungen führt dazu, dass bereits jetzt wichtigen Einrichtungen, wie z. B. dem pharmazeutischen Institut in Leipzig oder kleinen, sachsenweit einzigartigen Fächern wie der Theaterwissenschaft, die Schließung droht. Im Interesse eines "sachsenweit abgestimmten Fächerangebotes", wie es der Hochschulentwicklungsplan vorsieht, geschieht das nicht, es fällt der Lehrstuhl weg, der entweder als nächstes frei wird, oder bei dem es die meisten Stellen zu holen gibt. Der SPD-Antrag sieht vor, den Hochschulentwicklungsplan zu korrigieren und die Vielfalt der Fächerlandschaft zu erhalten. Das findet unsere Unterstützung, denn wie eingangs gesagt, muss Politik auch bereit sein, eigene Fehleinschätzungen zu korrigieren.
Natürlich gehört zu guten Rahmenbedingungen auch, dass die Hochschulen die Mittel zur Verfügung haben, die sie brauchen. Wenn man sich nun die beeindruckende Vielzahl an Podiumsdiskussionen zum Thema Hochschulen, die Vielzahl an Wahlprüfsteinen oder eben auch die geplante Großdemonstration am 25. Juni in Leipzig anschaut, muss man zu dem Schluss kommen, dass dem nicht so ist. Bei der laufenden Grundfinanzierung liegt Sachsen nach wie vor unter dem Bundesschnitt, bei den Universitäten sogar auf dem drittletzten Platz. Wir haben bereits vor zwei Jahren gezeigt, dass eine Aufstockung der Mittel möglich gewesen wäre, mit der nun vereinbarten Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund bietet sich die einmalige Möglichkeit die sächsischen Hochschulen auskömmlich zu finanzieren. Dafür muss das Geld aber zur Aufstockung der Grundfinanzierung genutzt werden. Dann ergäbe sich endlich die Möglichkeit, überfüllten Hörsälen und fehlender Teilzeitstudiengänge einen Riegel vorzuschieben. Wir könnten die prekäre Situation beim wissenschaftlichen Mittelbau, wo nur noch jeder 5. Mittelbaumitarbeiter ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sein Eigen nennt und ein Viertel der befristet Beschäftigten Verträge mit Laufzeiten von unter sechs Monaten hat, deutlich verbessern. Lehrbeauftragte müssten auch nicht mehr mit Honorarsätzen von zum Teil nur 15 Euro abgespeist werden. Diese Chance haben wir jetzt, wir müssen es einfach nur machen.
Dabei dürfen wir auch die soziale Dimension des Studiums nicht aus den Augen lassen. Eine Anhebung der Zuschüsse zu den Studentenwerken war bereits vor zwei Jahren möglich, auch das haben wir damals gezeigt. Spätestens jetzt ist es unsere Pflicht als Gesetzgeber, den Studentenwerken bei der Erfüllung ihrer wichtigen Arbeit unter die Arme zu greifen, sei es bei den Beratungsleistungen, den Mensen oder dem studentischen Wohnen.
Aus all diesen Gründen werden wir dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen. Prognosen sind wie gesagt immer eine unsichere Sache, aber es braucht keine Glaskugel um vorherzusagen, dass wenn wir jetzt in unserer Hochschulpolitik nicht umsteuern, wir in nicht allzu ferner Zukunft einen viel höheren Preis zahlen werden. Das hat uns nicht zuletzt das Beispiel Lehramtsausbildung gelehrt.
Vielen Dank.