Annekathrin Giegengack: Stärken wir doch die Mittelschule!

Rede der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Thema ""Etikettenschwindel Oberschule beenden – keine Weihnachtsgeschenke an die FDP aus dem Bildungshaushalt.", 67. Sitzung des Sächsischen Landtages, 13. Dezember 2012, Aktuelle Debatte

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

wir sollen ja freie Rede halten. Ich musste aber trotzdem etwas Geschriebenes mitbringen, denn ich möchte zitieren, wie die FDP gestartet ist. Ich kann mich noch an eine Podiumsdiskussion mit Herrn Herbst 2009 im Wahlkampf erinnern. Was steht im Wahlprogramm der FDP in Bezug auf Schule? – Ich zitiere: „Wir wollen die zu frühe Auslese der Schüler nach der 4. Klasse beenden. Zukünftig sollen alle Schüler mindestens bis zum Abschluss der Klasse 6 gemeinsam die Schule besuchen. Durch ein längeres gemeinsames Lernen kann der soziale Umgang der Schüler untereinander verbessert werden, zudem wird die Basis für eine Bildungsempfehlung verbreitert. Längeres gemeinsames Lernen ist für uns untrennbar mit klaren Leistungsorientierungen und besserer individueller Förderung verbunden.“

Jetzt frage ich mich, wo ist denn bisher das gemeinsame Lernen bei Ihnen geblieben? Sie haben gestern sogar in der Haushaltsdebatte gesagt, die Gemeinschaftsschule hat sich damit erledigt.

Ich glaube, Sie waren politisch und strategisch mit diesem Wahlprogramm nicht gut aufgestellt, denn Sie haben hier ein längeres gemeinsames Lernen bis zur 6. Klasse gefordert, wie es dies im bundesweiten Maßstab nur in einem einzigen Bundesland gibt, nämlich in Brandenburg. Doch Brandenburg hat sich nicht mit besonderen Leistungen oder besonderer sozialer Durchlässigkeit hervorgetan. Es war auch schwer umsetzbar. Selbst wenn die CDU sich für ihre Gedanken hätte erwärmen können, so hätte es doch zu erheblichen Umstrukturierungen in unserem Schulsystem geführt.

Ich spreche Schulgebäude an, den Hort. Was haben Sie dann gemacht? Sie haben den Koalitionsvertrag geschrieben und einen eigenwilligen und für mich ganz unglücklichen Kompromiss gefunden: Sie haben die Sache zum Teil beim Alten gelassen und bestimmte Sachen verschärft, nämlich die Bildungsempfehlung.

Meine Tochter hat dieses Prozedere gerade hinter sich, wo man genau schauen muss: Wie sind die Noten, damit ich den Notendurchschnitt bekomme, damit ich es aufs Gymnasium schaffe, oder komme ich auf die Mittelschule? Und dann stellen Sie sich hier vorn hin, Herr Bläsner, ohne ein Kind zu haben – und ich hoffe Sie hören mir endlich mal zu – und sagen, es ist überhaupt nicht relevant, wie oft die Schule gewechselt wird. Dazu sage ich Ihnen: Es ist außerordentlich relevant!

Ich möchte nicht, dass den Kindern noch einmal in der Schullaufbahn zugemutet wird, die Schule zu wechseln.

Warum denn? Stärken Sie doch die Mittelschule! Damit alle Kinder, die dort hingehen, die Möglichkeit haben, alle Bildungsabschlüsse zu erwerben, und nicht in der 6. Klasse aufs Gymnasium wechseln müssen.

Schauen wir uns Baden-Württemberg an – es ist vorhin erwähnt worden: Sie sind diesen Weg gegangen über die Fachoberschulen und das Berufliche Gymnasium, und das noch unter der alten Regierung. Ein Drittel aller Abiturienten erlangt dort das Abitur. Machen Sie den Weg frei, nach der 10. Klasse wirklich realistisch ein Abitur ablegen zu können, und Sie helfen den Schülern aus der Mittelschule, Sie stärken die Mittelschule!

Mit allem, was Sie jetzt an Geldern für die Mittelschule lockergemacht haben – ich bin sehr dafür – stärken wir doch die Mittelschule! Schieben wir dort 9 Millionen Euro hin, stellen wir mehr Lehrer ein, unterstützen wir, machen wir individuelle Förderung! Aber nicht unter dem Etikett Oberschule, was ein riesengroßer Schwindel ist.
Vielen Dank.

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