Annekathrin Giegengack: Wir müssen das Vertrauen in die Organspende stärken

Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag "Nach Organspendediskussion und Abschaffung der Praxisgebühr – Vertrauen ins sächsische Gesundheitssystem stärken", 70. Sitzung des Sächsischen Landtages, 31. Januar 2013, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren,

es ist in der Tat ein eigenwilliges Debattenthema. Wir haben in der Fraktion darüber gesprochen, was denn der Sinn dahinter sein sollte. Wir sind darauf gekommen, dass wahrscheinlich die beiden Koalitionspartner versucht haben, in einer Aktuellen Debatte zwei Themen unterzubringen. Das ist leider nicht besonders gut gelungen.

Wieso das Vertrauen gerade in das sächsische Gesundheitssystem gestärkt wird, wenn wir die Praxisgebühr abschaffen, wird das Geheimnis der FDP bleiben.

Eine wesentliche Zahl haben Sie, Frau Jonas, vergessen, obwohl Sie viele Zahlen genannt haben: dass unserem Gesundheitssystem nach Abschaffung der Praxisgebühr 2 Milliarden Euro fehlen, haben Sie nicht erwähnt. Im Moment ist das kein Problem.

Auch wir GRÜNEN haben für eine Abschaffung gestimmt. Aber wir können davon ausgehen, dass es Zusatzbeiträge geben wird, wenn die Einnahmesituation der Kassen nicht mehr so gut wie jetzt ist, was ja auch konjunkturell bedingt ist. Denn die einkommensabhängigen Beiträge sind eingefroren und nur noch die Arbeitnehmer haben die Mehrkosten in den Krankenkassen zu tragen. Wir können davon ausgehen, dass es in ein paar Jahren Zusatzbeiträge geben wird.

Damit sei die Sache abgetan.

Das andere Debattenthema hat durchaus etwas mit fehlendem Vertrauen zu tun. Die Vorkommnisse in Leipzig, Göttingen und Regensburg haben das Vertrauen in unser Gesundheitssystem und da vor allem im Bereich der Organspende geschwächt. Die Kassen haben im Herbst darauf verzichtet, eine größere Organspendewerbeaktion zu veranstalten, weil damals in Göttingen und Regensburg die Fälle herausgekommen sind.

Im Moment gibt es 13 Organspenden auf eine Million Einwohner. Das ist der Tiefststand seit 2002 und sicher auch bedenklich. Dabei sind wahrscheinlich viele Patienten und auch wir hier im Saal gar nicht so richtig informiert über die vielen verschiedenen Institutionen, die mit Organspende befasst sind, über die intransparenten Vermittlungs- und Verteilungskriterien in unserem Land sowie über die unzureichenden Kontroll- und Sanktionskompetenzen.

Die Staatsregierung hingegen ist das schon, denn sie hat sich bereits 2009 gegenüber der Bundesregierung kritisch zu dem Kontrollgremium der Selbstverwaltung geäußert. Sie hat es in Bezug auf Sanktionierungs- und Kontrollmöglichkeiten als sehr ineffektiv kritisiert. Das ist in den Bericht der Bundesregierung aufgenommen worden und nachzulesen in einer Bundestagsdrucksache. Leider hat sich das nicht wirklich niedergeschlagen, als das Transplantationsgesetz im Mai 2012 verändert worden ist.

Es sind nur marginale Veränderungen vorgenommen worden. Im Juli kamen dann die Vorfälle von Göttingen und Regensburg heraus. Auch in den Medien ist im August 2012 aufgrund einer Anfrage der GRÜNEN im Bundestag deutlich geworden, dass immer weniger Organe über Eurotransplant verteilt werden, sondern immer mehr über das Schnellverfahren, die Transplantationszentren vor Ort, und sich immer mehr der allgemeinen Kontrolle entziehen.

Dazu nur einige Zahlen: Von 8 Prozent der Herzen, die über ein Schnellverfahren vergeben worden sind, sind wir jetzt bei 25 Prozent. Es wird also nicht mehr in ausreichender Form kontrolliert. Bei den Lebertransplantationen sind wir von 9 Prozent‚ die im Schnellverfahren durchgeführt worden sind, inzwischen bei 37 Prozent. Das halte ich für außerordentlich bedenklich. Dort, denke ich, muss man etwas tun. Auch der Chef der Bundesärztekammer, Montgomery, hat das als „erheblich irritierend“ bezeichnet.

Wir müssen das Vertrauen in das System stärken. Ich denke, Frau Clauß hat sich dabei wirklich hervorragend im Ausschuss verhalten. Sie hat alles offengelegt, was dem Staatsministerium darüber bekannt geworden ist, was in Leipzig passiert ist. Sie hat versprochen, auch weiterhin darüber u. informieren, und hält Kontakt mit der Leipziger Uni. Aber das ist weniger ein sächsisches Problem, sondern vor allem eines, das auf Bundesebene geregelt werden muss, und dabei, denke ich, müssen wir auf Bundesebene nachsteuern.

Wir brauchen nach unserer Auffassung als GRÜNE eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die unter der Aufsicht des Bundesgesundheitsministeriums steht, die die Organspende in Deutschland organisiert. Dabei dürfen die Menschen, die im Organspendeverfahren beschäftigt sind, keine Aufsichtsfunktion mehr ausführen. Das ist eine Überschneidung der Interessen.

Außerdem muss die Bundesregierung eine Neubewertung der sogenannten Allokationskriterien anschieben; denn wir haben nicht nur mehr medizinische, sondern inzwischen auch normative und rechtliche Kriterien. Das Alter und die regionale Zugehörigkeit spielen auf einmal eine Rolle, und das halte ich für außerordentlich bedenklich.

Die Prüfberichte der Kontrollkommission, das ist angesprochen worden, müssen veröffentlicht werden, damit die Öffentlichkeit weiß, was in internen Prüfungen herausgekommen ist. Wir brauchen ein öffentliches Register darüber, wohin welche Organe geliefert wurden, um einen besonderen Anstieg von Transplantationen in bestimmten Transplantationszentren nachweisen zu können. Wir müssen die Transplantationszentren in ihrer Zahl einschränken. Inzwischen haben wir schon ein regelrechtes Anreizsystem, Organe zu transplantieren. Der Wirtschaftsgedanke hat in diesem Bereich überhaupt nichts zu suchen; Herr Wehner, Sie haben es angesprochen. Außerdem brauchen wir eine unabhängige Studie über Organtransplantation insgesamt:

Fördert das tatsächlich die Gesundheit? Wie viele Organe werden hinterher noch einmal transplantiert? Dann könnten wir das Vertrauen ins Gesundheitswesen wieder verbessern.

Ich danke Ihnen.

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