Antje Hermenau: Die Landesregierung hat die Unterstützung der Wirtschaft verloren

Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zur EEG-Debatte im Sächsischen Landtag, 83. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19. September 2013, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –
————————————————————————————

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen,
wir werden sehen, was in der nächsten Woche und in den darauffolgenden Wochen bei der Diskussion zum EEG und zur Energiewende passiert.
Greifen wir mal ein paar naive Fragestellungen, die aus der Reihe der selbst ernannten Experten gekommen sind, auf. Die Großen langen zweimal zu! Die langen einmal zu, weil sie Ausnahmen genehmigt bekommen, die ihnen die FDP ermöglicht hat, obwohl sie ihnen nicht zustehen sollten, und ein zweites Mal, weil sie die niedrigen Börsenpreise für sich beanspruchen können, da sie Direktbezieher sind.
Sie bekommen also zweimal eine Verbilligung, und zwar von Ihnen. Es ist typisch, dass Sie bei den Großen immer gern regeln.
Jetzt haben Sie das EEG aus meiner Sicht „ausgelutscht“, wollen es wegwerfen und überlegen, wie Sie es regeln können. Sie machen das, indem Sie von zu hohen Stromkosten sprechen, die zu unsozial seien. Das ist eine unglaubliche Chuzpe, mit der Sie hier auftreten. Das muss man einfach mal sagen.
Die Ausnahmen müssen natürlich wieder auf die reduziert werden, die im internationalen Wettbewerb stehen. Natürlich kann man den Börsenpreis aus der EEG-Umlage herausrechnen, und damit hätten Sie das Problem auch schon einmal angefasst. Dafür müssen Sie die Erneuerbaren nicht sabotieren.
Nun zu den Fragen des Netzausbaus. Natürlich kostet der Netzausbau. Herr Altmaier hat sogar versucht, eine Drohgebärde mit seiner einen Billion aufzubauen, die da noch im Raum steht mit den vier HGÜs, also großen länderübergreifenden Spannungsleitungen. Das ist nicht nötig! Wenn Sie den Mut haben, dieses Demokratisierungsprojekt der dezentralen Energieversorgung auszuhalten und zu koordinieren, anstatt zu bestimmen und immer wieder falsch zu regeln, dann brauchen Sie so viele große Überlandleitungen gar nicht. Diese Investitionskosten wären umsonst. Sie können das in der regionalen Netzinvestition abspiegeln, die deutlich günstiger ausfällt. Dann würde der Strom auch mehrteilig dort verbraucht, wo er auch erzeugt wird. Das wäre eine kluge Vorgehensweise. Meiner Meinung nach wird es auch darauf hinauslaufen.
Wenn Sie das mit einem Auktionsmodell koppeln, dann haben Sie sogar – Sie können sich wieder hinsetzen, Herr Hauschild, ich komme zu Ihrer Frage – die Möglichkeit, dass die Kohlekraftwerke, die neu gebaut sind und einen gewissen Effizienzvorteil haben, Ihre Amortisierungskosten auch noch hereinbekommen, denn ein Auktionsmodell gibt Ihnen eine reale marktwirtschaftliche Chance.
Dass Sie das alles nicht verstanden haben, ist schwarz auf weiß in Sachsen niedergeschrieben, und zwar im Landesentwicklungsplan, indem Sie auf sämtliche Aussagen zu dieser schwerwiegenden Problematik des Netzausbaus verzichtet haben, die irgendwie Licht ins schwarz-gelbe Dunkel hätten bringen können.
Zum Thema Heimat. Nicht nur das Erzgebirge ist Heimat. Die Lausitz ist es auch. Ein Windrad mag hier und da auf einem Berg schlecht aussehen, ein großer Tagebau sieht aber auch schlecht in der Landschaft aus. Und wenn Dörfer verschwinden, besonders historische Dörfer, dann ist das vielleicht mehr Heimatverlust. als Sie das zugeben wollen, wenn Sie nur das Erzgebirge in den Blick nehmen.
In der Lausitz gibt es in der Braunkohle ungefähr noch 8.000 Arbeitsplätze. Das ist schon hoch nach oben geschätzt. Das sind etwa so viele Arbeitsplätze, wie es sie im Lausitzer Maschinenbau gibt. Sie haben durch Ihre sehr schlechte Politik bundesweit 70.000 Arbeitsplätze vernichtet. Die FDP gefährdet mit ihrer Energiepolitik den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das hatten wir lange nicht, dass es so klar geworden ist. Die Wirtschaft hat das begriffen und sich deswegen heute von Ihnen distanziert.
Die Unterstützung der Wirtschaft haben Sie verloren. Ihnen, meine Herren und Kollegen von der CDU, möchte ich empfehlen, zuzugeben, dass Sie die falsche Debatte zum falschen Zeitpunkt auf die Tagesordnung gesetzt haben, Sie nicht durchsortiert sind und dass Sie einem Drei-Prozent-Trüppchen hinterhergelaufen sind, anstatt zu überlegen, was die Mehrheit in diesem Land wirklich braucht.
Die Briten und die Schweden sind dabei, aus dem Quotenmodell auszusteigen, und zwar aus sehr guten Gründen: Es ist nämlich untauglich, es funktioniert nicht, es haut nicht hin. Sie werden in Europa keine Mehrheit für ein Quotenmodell bekommen. Sie können hier natürlich weiter den Obelix geben, Herr Morlok, und so tun, als wüssten Sie alles besser. Vielleicht ist es unterhaltsam, das kann durchaus sein. Aber ob es das Land voranbringt, das wage ich doch sehr zu bezweifeln.
Wenn Sie dann auch noch seit Sonntag fordern, alle Kompetenzen für die Energiewende und Zuständigkeiten im Bundesministerium für Wirtschaft unterzubringen, dann sprechen dagegen aus meiner Sicht drei Gründe. Der erste ist: Es darf auf jeden Fall nicht von einem FDP-Minister geführt werden. Der zweite Grund ist: Wir wollen es dezentralisieren und nicht zentralisieren. Und der dritte Grund ist: Man muss es von der Sache her verstehen. Das können die Leute vor Ort viel besser als Sie.
Ich war bei dem Kongress der Stadtwerke, den Frau Dr. Runge erwähnt hat. Die haben eine klare Meinung und eine klare Aufstellung dazu. Das Quotensystem ist eine Erhöhung des lnvestitionsrisikos, und das noch bei der unklaren Lage, die wir zum Beispiel in der Frage der Offshore-Problematik haben. Es ist natürlich teurer geworden, weil es eben andere Bedingungen sind als vor der britischen oder dänischen Küste. Das lernen die gerade. Das macht aber nichts, denn daraus können wir alle zusammen etwas lernen. Das heißt nicht, dass man Offshore nicht machen sollte, aber es heißt auf jeden Fall, dass man Onshore mehr Platz geben muss.
Natürlich ist es richtig, dass wir bei den Länderausbauzielen 16 Leute mit eigenen Vorstellungen haben. Das ist gar keine Frage. Natürlich muss das bundesweit koordiniert werden. Ich habe auch deutlich gemacht, dass ich diese Einschätzung teile, dass es im Kanzleramt gemacht werden muss.
Aber die Frage der regionalen Erzeugerkapazitäten ist die eine. Die andere Frage ist, dass es Investitionen in vier große Überlandnetze braucht. Nach unserer Auffassung werden ein bis zwei ausreichen. Das schließt nicht aus, dass man eins machen muss – das eine ist auch schon in Arbeit – und das zweite vielleicht auch, aber man braucht keine vier.
Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste: Man sollte es vielleicht nicht so machen wie in Brandenburg, wo DIE LINKE mitregiert und beschließt, dass man bis 2030 die eigene Stromversorgung für das Land Brandenburg zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien sicherstellt, den Braunkohlestrom weiter herstellt und dann mit Überlandleitungen wahrscheinlich nach Baden-Württemberg transportiert und verdienen möchte. Das halte ich für ökologisch widersinnig. Aber man kann darüber nachdenken, wie man diese Investitionsverlangsamung bei Offshore ein wenig beschleunigt, damit dann Offshore-Strom in der Nordsee schneller nach Süden kommt. Das halte ich für logisch, schlüssig und klar.
Diese Investitionen — das habe ich erläutert — bereiten mitunter deshalb Schwierigkeiten, weil das Gelände etwas unwegsamer ist als vor der direkten Küste vor Dänemark oder England. Wenn man das weiß und einordnen kann, dann steht die Frage: Wo kommen die Investitionsgelder her?
Es wäre klüger, die Probleme bei Offshore zu lösen, als zu versuchen, ein weiteres HGÜ ideell aufzubauen und damit diese Investitionsandrohung zu machen.
Ich bin sehr interessiert daran, dass wir zum Beispiel darüber nachdenken – aus meiner Sicht jedenfalls, Frau Dr. Runge – ob nicht Versicherer wie die Allianz, die jetzt in schwieriges Fahrwasser gekommen sind durch all die Griechenlandpapiere, die sie abschreiben müssen, ein Angebot unterbreiten. Sie müssten, auch um Riesterverträge zu stabilisieren – was für die soziale Sicherheit im Lande wichtig wäre – Investitionsangebote bei Offshore machen und damit denen aus der Bredouille helfen, die sich dabei verschätzt haben.
Das scheint mir, volkswirtschaftlich gesehen, viel klüger zu sein, als Einzelinvestitionskosten gegeneinander in Konkurrenz zu bringen. Man muss sie verknüpfen.
Herr Morlok, Sie haben sich noch einmal auf das Quotenmodell bezogen. Ich zitiere Frau Prof. Kemfert, die auch Sie kennen. Sie wissen also, wovon ich spreche. Frau Prof. Kemfert legt dar, worin das Problem mit dem Quotenmodell besteht und inwiefern es der Wirtschaftlichkeit, von der Sie gesprochen haben, widerspricht.
„Durch das Quotensystem steigt das Investitionsrisiko: Investoren verlangen Risikoaufschläge, dadurch erhöhen sich die Kosten und somit auch die Strompreise.
Durch das EEG werden feste Vergütungssätze vorgegeben, die sich im Zeitablauf immer weiter vermindern. Dadurch sinken die Kosten, es entsteht ein Kostendruck auf die Produzenten. Zusammen mit einer Zunahme von Skaleneffekten führt dies zu technologischem Fortschritt und Lernkurveneffekten, welche die Kosten sinken lassen.
Ein deutlicher Ausbau erneuerbarer Energie, welcher unterschiedlichste Technologien einsetzt und langfristig stabil ist, lässt sich mit einem Quotensystem nur schwer erreichen.“
Das konterkariert Ihren Vortrag zum Thema „Technologieoffenheit“.
Ich habe ein Déjà-vu. Denn ich habe schon einmal einen Wirtschaftsminister erlebt, der auch von „unbürokratischem Vorgehen“, „freiem Marktzugang“ und „Wirtschaftlichkeit“ gesprochen hat: Ich meine Herrn Rexrodt, der in den 1990er Jahren Bundeswirtschaftsminister war. Er führte eine – wie er es genannt hat – „Strommarktliberalisierung“ ein. Aber ein paar Jahre später hat das Bundeskartellamt feststellen müssen, dass durch seine verpatzte Strommarktliberalisierung ein marktbeherrschendes Duopol zweier großer Energieversorger entstand und dass es zu völliger Wettbewerbslosigkeit auf dem Energiemarkt kam. Diesen Zustand haben wir von Rot-Grün übernehmen müssen. Im Jahr 2005 konnten wir gemeinsam mit der Bundesnetzagentur die schlimmsten Auswirkungen der Wettbewerbslosigkeit eindämmen. Das zu diesem Punkt.
Herr Morlok, die Offshore-lnvestitionen sind so wesentlich, weil sie grundlastfähig sind. Die Berechnungen zeigen, dass sie im Jahresdurchschniff maximal zwei Tage nicht am Netz sind. Die Windräder im Meer sind grundlastfähig. Deswegen werden sich Angebot und Nachfrage regulieren.
Zum anderen ist es wichtig, dass im EEG Vergütungspauschalen enthalten sind. Im Rahmen der EEG-Umlage ist der Ausgleich zwischen weniger und besserer Onshore-Windkraftausbeute herzustellen.
Die Wirtschaft hat sich von Ihnen abgewandt. Das „Handelsblatt‘ hat das heute öffentlich verkündet.
» Alle GRÜNEN Reden finden Sie hier …