Eva Jähnigen: Die Regierung hat es bislang unterlassen, sich der Personalprobleme der Landesverwaltung ernsthaft anzunehmen

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen
zum GRÜNEN-Antrag "Arbeitsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes erhalten – Stellenabbauziele im Haushlat 2015/16 überprüfen und einstellungskorridore schaffen‘ (Drs 5/14592)
98. Sitzung des Sächsischen Landtages, 18. Juni 2014, TOP 12

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich weiß, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen aus CDU und FDP, Sie hören es nicht mehr gern, wenn wir heute erneut über die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in Sachsen sprechen. Ich bin mir sicher: die Demonstranten vor dem Sächsischen Landtag heute früh wären auch lieber zur Arbeit gegangen, als immer wieder auf dieselben Probleme hinzuweisen.
Leider hat es die Regierung Tillich bislang unterlassen, sich der Personalprobleme der Landesverwaltung ernsthaft anzunehmen. Und wir befürchten, sie plant auch weiterhin nicht, zu handeln. So ließ beispielsweise der Chef der Staatskanzlei anläßlich des Sonderberichts des Rechnungshofes "Personalwirtschaftliche Konzepte in der sächsischen Staatsverwaltung" verlautbaren, dass das Stellenabbauziel von 70.000 Landesbediensteten im Jahre 2020 zu erreichen sei. Dafür brauche es kein Personalentwicklungskonzept (siehe Beschlussempfehlung zum Sonderbericht, Drs 5/14345).
Sie, Herr Kollege Karabinski, haben letztens mal gesagt, Sie kommen sich vor wie Phil Connors in "Und täglich grüßt das Murmeltier".
Tja, Sie können gerne einen arroganten, egozentrischen und zynischen Wetteransager spielen. Allerdings könnten Sie dann – bezogen auf die verdrängten Probleme des Öffentlichen Dienstes – nicht aus einem Endlosschleifen-Traum, sondern in einem selbst provozierten Albtraum aufwachen.
Etwa wenn Sie die schnelle Unterstützung der Polizei brauchen, die einzigen beiden Streifenbeamten aber gerade am 100 Kilometer entfernten anderen Ende ihres Reviers unterwegs sind.
Oder, wenn Sie ihre Kinder nicht auf die von Ihnen gewünschte Schule schicken können, weil die Klassen voll sind und Lehrer fehlen.
Und es könnte Ihnen wie ein schlimmer Albtraum vorkommen, wenn sich ein naher Angehöriger im Pflegeheim den Rücken wundliegt und sie feststellen müssen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde Sachsens das letzte Mal vor Jahren kontrolliert hat, ob in dem Heim ausreichend Pflegekräfte da sind.
Wir GRÜNE wollen, dass solche Szenarien nicht eintreffen. Denn wenn sie im Einzelfall doch Wirklichkeit werden, ist es für die Betroffenen furchtbar.
Worauf ich hinaus will: Der massive Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst wird – wenn er so fortgesetzt wird – in naher Zukunft schwere Folgen haben. Das müssen wir verhindern.
Die harten Fakten lassen sich leider nicht mit Zynismus ändern: Die Staatsregierung, 2006 aus CDU und SPD bestehend, hatte im ersten Stellenabbaukonzept (StAK 2010) 6.441 kw-Vermerke ausgebracht. Anlässlich des Doppelhaushaltes 2011/12 hat die, nun CDU/FDP-geführte, Staatsregierung den Abbau von weiteren 5.529 Stellen durch kw-Vermerke ausgemacht, die gestrichen werden sollten. Im letzten Haushalt kamen noch einmal 496 Stellen hinzu. Insgesamt 5.373 dieser kw-Vermerke wurden bis Ende 2012 vollzogen. Über 5.000 Stellen wurden in den letzten Jahren eingespart. In dieser Zeit wurden so gut wie keine Neueinstellungen vorgenommen. Weitere 7.000 Stellen sollen nach den Plänen der Staatsregierung in den kommenden sieben Jahren abgebaut werden. Auch in dieser Zeit wird es keine nennenswerten Neueinstellungen geben.
Deswegen haben in den vergangenen Wochen und Monaten einzelne Abgeordnete, ja, sogar Minister Bedenken gegen Stellenabbauziele geäußert. Innenminister und Innenpolitiker der CDU und der FDP haben plötzlich Bedenken gegen den selbst beschlossenen Stellenabbau bei der Polizei, der Justizminister will seit einigen Wochen mehr Stellen für die Justiz und die Wahlkreis- und Fachabgeordneten teilen hinter vorgehaltener Hand Bedenken von Gewerkschaften und Fachleuten. Aber das Problem in dieser CDU-geführten Koalition ist: Sie verstecken sich alle hinter dem Finanzminister, der keine Veränderung wolle.
Meine Damen und Herren Fachpolitiker, wollen Sie sich das gefallen lassen? Oder glauben Sie gar, dass dieser Aderlass spurlos an der öffentlichen Verwaltung vorübergeht? Nehmen Sie möglicherweise an, dass sich der Arbeitsaufwand in den letzten Jahren verringert hat? Denken Sie vielleicht gar, die öffentliche Verwaltung hat nichts zu tun, da kann man problemlos kürzen? Finanzbeamte beispielsweise, die den Bäcker fragen, ob er Kaffee mit Milch oder Milch mit Kaffee verkauft, fragen das aus Langeweile?
Wir fordern die Staatsregierung mit unserem Antrag auf, die teilweise sieben Jahre alten Stellenabbaukonzepte zu überprüfen und zu überarbeiten. Sie müssen an die Anforderungen der heutigen Zeit angepasst werden: an die aktuellen Aufgabenanforderungen, die Altersabgänge, die Abgänge durch das Stellenabbaugesetz (immerhin sind dies bis 2020 auch zusätzliche 163 Stellen – vgl. Kleine Anfrage, Eva Jähnigen, Drs 5/13788), an eine ausgewogene Altersstruktur und den aktuell bestehenden Fachkräftemangel.
Angesichts des Lehrermangels, des Mangels an für den Polizeidienst geeigneten Schulabsolventen und der großen Altersabgänge muss endlich ein Umdenken in der Einstellungspraxis erfolgen. Es darf nicht dabei bleiben, dass keine frei werdenden Stellen mehr besetzt werden und Neueinstellungen nur im homöopathischen Bereich vorgenommen werden. Uns geht in den nächsten Jahren das gesamte Know-How der Bediensteten verloren. Werden Sie endlich tätig und evaluieren sie die Stellenabbaupraxis.
Wir brauchen ein Personalkonzept für die ganze Verwaltung. Geklärt werden muss, wo neue Einstellungskorridore geschaffen werden müssen, um der Überalterung und drohender Arbeitsunfähigkeit zu begegnen. Das betrifft nicht nur Polizei, Lehrerschaft und Justiz sowie auch viele kleinere, wichtige Kontrollbehörden wie in den Bereichen Arbeitsschutz und Heimaufsicht sowie die Umweltverwaltung und die Hochschulen.
Allen Abgeordneten, die in der Koalition Bedenken gegen den zu hohen Stellenabbau haben, machen wir mit unserem Antrag ein Angebot: Stimmen Sie diesem jetzt zu, um noch rechtzeitig Druck auf die Haushalts- und Stellenplanung zu machen. Denn das lässt sich nicht mehr auf die lange Bank nach der Wahl verschieben.
Kurz noch zum Antrag der SPD: Die Forderung nach Vorlage eines umfassenden Personalkonzeptes teilen wir und die Forderung nach einem Versorgungsbericht ist eine gute Idee. Wir GRÜNEN hätten auch gern mal einen Überblick, was uns die sächsischen Bediensteten im Ruhestand jetzt und künftig kosten werden. Diesen Punkten stimmen wir zu. Einen Unterschied gibt es in Punkt 3: Wir meinen nicht, dass jedweder Stellenabbau ausgesetzt werden sollte. Es gibt Bereiche, in denen können Stellen abgebaut werden – so im überdimensionierten Landesamt für Verfassungsschutz und im Landesamt für Straßenbau und Verkehr, in dem für viel Geld noch Straßen geplant werden, deren Bau auch langfristig nicht finanzierbar ist. Wir plädieren auch mit Blick auf den Haushalt 2015/16 für eine klare Prioritätensetzung und finanzielle Untersetzung für erweiterte Einstellungskorridore, so wie es unser Antrag vorsieht. Diesen Punkt werden wir ablehnen und beantragen deswegen punktweise Abstimmung.