Eva Jähnigen: Hier wird Staatszentralisierung betrieben und nicht Staatsmodernisierung

Redeauszüge der Abgeordneten Eva Jähnigen zur Aktuellen Debatte "Herausforderung 2020: Durch Staatsmodernisierung eine schlanke und bürgerfreundliche Verwaltung in Sachsen schaffen" in der 30. Sitzung des Sächsischen Landtages, 09.02., TOP 3
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Drei Jahre nach der letzten Verwaltungs- und Funktionalreform, fünf Jahre nach der letzten Polizeireform verspricht die CDU-geführte Koalition erneut einen schlankeren und bürgernahen Staat.
Der breite Unmut über die Reform 2008 liegt vielen noch im Magen. Viele überschauen die Größe ihres neuen Landkreises noch nicht und die Kommunalverwaltungen schlucken immer noch an den neuen Aufgaben und Bergen mitübertragener Altverfahren. Ganz zu schweigen von den erhofften Erfolgen: die Staatsregierung traut sich bis heute offensichtlich nicht, das Eintreten der von der 2008er Verwaltungsreform erhofften Effizienz- und Finanzierungsgewinne zu evaluieren.
Mit mehrstündigen Pressegesprächen hat die Regierung nun vor zwei Wochen feierlich eine große Paketsendung ausgeliefert. Was fanden wir nach dem Entfernen mehrerer Schichten Einwickelpapieres?
Eine kleine Karte mit einem neuen Behörden-Standortkonzept.
Dieses Standortkonzept loben neben der Regierung besonders diejenigen Wahlkreisabgeordneten der CDU, die ihren Regionen Vorteile durch Behördenstandorte versprechen. Andere bedauern den allein mit Einsparungen begründeten Verlust von Polizeidienststellen und Finanzämtern. Aber wo bleibt die notwendige kritische Debatte über die finanziellen Grundlagen und Folgen des Standortkonzeptes?

Wir GRÜNEN meinen: Diese Grundlagen muss der Ministerpräsident dem Parlament darlegen. Ein Austausch in der Aktuellen Debatte reicht nicht. Deshalb haben wir Ihnen eine Regierungserklärung zu diesem Thema vorgeschlagen. Diese ist umso notwendiger, als das Beteiligte an diesem Konzept offensichtlich nicht in die Standortfindung einbezogen worden, wie z. B. der Vorstand der SAB.
Gutwillig interpretiert ist das Standortkonzept vielleicht ein verzweifelter Versuch den Verlust von Selbstverwaltung und Bürgernähe nach der Kreisreform durch Umsiedlung von Landesbehörden auszugleichen.
Aber was hilft es der Region des Altkreises Döbeln wenn der Sächsische Rechnungshof vielleicht in neun Jahren nach Döbeln umzieht?
Und was hat dieses Standortkonzept mit dem Fahrplan zu tun, den Sie, Herr Justizminister Martens für die Staatsmodernisierung als Leitprojekt der FDP angekündigt haben?
Da ich mich als Bahnfahrerin mit Fahrplänen gut auskenne, muss ich ihnen klar sagen: einen funktionierenden Fahrplan macht nicht, wer auf der Sachsenkarte neue Bahnhöfe plant.
Einen guten Fahrplan macht man, indem man überlegt, wer von A nach B muss, welche Züge dafür künftig fahren sollen und wo dann Bahnhöfe sein müssen.
Sie gehen die Staatsreform von hinten an. Sie legen sanierte Bahnhöfe still und planen neue Bahnhöfe abseits des Zugverkehrs. So ein Fahrplan erzeugt Kosten anstelle zu sparen.
Ein Negativbeispiel ist der geplante Umzug der SAB. Er wird damit begründet, dass der Region Leipzig der Wegfall der regionalen Mittelbehörde versüßt werden muss. Ich als Dresdnerin würde der Stadt Leipzig den Standort der SAB wirklich gönnen. Aber dieser Umzug schafft für die Kunden und Mitarbeiter der SAB nur Nachteile – und zusätzliche Kosten.
Die SAB als Förderbank hat einen engen Arbeitszusammenhang mit den Fachministerien in Dresden. Ihre Kunden besuchen neben der SAB oft auch Ministerien. Die fünf deutschen Beteiligungsunternehmen der SAB wie z. B. die sächsische Energieagentur SAENA oder die Bürgschaftsbank haben ihren Sitz in der Region Dresden. Effiziente Dienstleistung einer öffentlichen Förderbank bedeutet: die Wege zwischen diesen Einrichtungen müssen kurz bleiben. Synergien der SAB mit Banken in Leipzig bestehen hingegen nicht.
Als Folge des teuren Umzuges wird die von der SAB eben angeschaffte eigene Immobilie mit eigens eingebautem Konferenzzentrum nutzlos. Tatsächlich wird die SAB bei einem Umzug nach Leipzig vermutlich sehr lange mit einer Außenstelle in Dresden arbeiten. Wir GRÜNEN meinen allerdings, dass wir uns in Sachsen Standortteilungen nach dem Vorbild von Bonn und Berlin nun wirklich nicht leisten können.
Und dann sollen Finanzämter geschlossen werden, wie das in Löbau, die vor kurzer Zeit für viel Geld modernisiert wurden. Ist das effektiv? Ist das Staatsmodernisierung?
Sehr geehrter Herr Staatsminister Martens, die von ihnen verkündeten Ziele bleiben bei diesem Vorgehen vollständig auf der Strecke. Sie wollten Verwaltungen bündeln und verteilen sie stattdessen nach nicht nachvollziehbaren Kriterien in der Fläche des Landes. Mit der Realisierung dieses Standortkonzeptes wird die von ihnen angestrebte Staatsmodernisierung zur „sogenannten“ Staatsmodernisierung mutieren.
Besonders deutlich wird das an der geplanten Fusion der drei Landesdirektionen zur größten Superbehörde Sachsens. Sie bringt weder Bürgerfreundlichkeit noch schlanke Strukturen. Die Landesdirektionen kontrollieren als Widerspruchsbehörde und Rechtsaufsicht kommunale Entscheidungen und organisieren fachliche Planfeststellungsverfahren. Das sind regionale Aufgaben!
Die Entscheidungswege zwischen den Außenstellen und der Behördenleitung werden mit der Zentralisierung nach der Fusion automatisch länger – auch wenn hier wiederum noch für einige Jahre Außenstellen erhalten bleiben. Auch Vertreter der Wirtschaft, wie die IHK und die Handwerkerschaft Chemnitz, haben das mit ihren Bedenken immer wieder thematisiert und wie wir GRÜNEN eine Nähe zwischen Behörden und Wirtschaft gefordert.
Da hilft es nichts, wenn der Ministerpräsident unmittelbar vor der Kabinettsentscheidung versucht zu beruhigen. Nach der Entscheidung werde alles beim Alten bleiben. Der Präsident der Superbehörde habe eigentlich nur repräsentative Aufgaben.
Ihre Auffassung von der Arbeit einer Behördenleitung hat uns hier wirklich überrascht, Herr Ministerpräsident. Ein gut bezahlter Job für das Händeschütteln bei Sektempfängen? Überzeugtes Werben für Staatsmodernisierung sieht anders aus. Sie scheinen vom eigenen Vorgehen nicht überzeugt zu sein!
Tatsächlich wird hier Staatszentralisierung betrieben und nicht Staatsmodernisierung.
Wir GRÜNEN haben viel Kritik an der bisherigen Arbeit der Landesdirektionen. Gerade deshalb halten wir es aber für klüger, sie zu echten regionalen Mittelbehörden zu ertüchtigen, anstatt sie nun zu einer Superbehörde zu machen.
Auch das schon so lange versprochene Polizeikonzept fehlt immer noch. Stattdessen wurde ein Polizeiorganisationskonzept vorgelegt. Tatsächlich ist es ein Polizeischrumpfungskonzept. Den Polizeistandorten geht es wie im Spiel „Reise nach Jerusalem“: Runde für Runde wird ein Stuhl weggeräumt.
Die größeren Entfernungen zu den Dienststellen in der Fläche des Landes ziehen veränderte Einsatzzeiten nach sich. Den Beweis verbesserter Bürgernähe bleibt dieses Konzept also schuldig! Es gibt nicht einmal die von uns seit Jahr und Tag geforderte Analyse der Polizeiarbeit vor Ort mit dem derzeitigen Stellenumfang!
Wo bleiben, die vom Innenminister im April vorigen Jahres versprochenen Interventionszeiten die angeblich Grundlage des Polizeiorganisationskonzeptes sein sollen?
Was sind die Lehren aus der Polizeireform von 2005, die der Innenminister ebenso wie der CDU-Abgeordnete Hartmann hier im Landtag vor wenigen Wochen für gescheitert erklärt haben?
Auch hier wird es ein echtes Konzept erst dann geben, wenn es eine echte Analyse der IST-Situation gibt – seit Jahr und Tag nicht nur von unserer Fraktion gefordert.
Sie liegt dem Parlament immer noch nicht vor und soll offensichtlich auch nicht vorgelegt werden!
Summa summarum: anstelle der versprochenen Staatsmodernisierung enthält das Paket von Minister Martens ein problematisches Umzugskonzept. Zurück zum Absender damit, liebe Kolleginnen und Kollegen – Herr Justizminister:
Ihr Fahrplan ist nicht mal ein Sparplan!