Eva Jähnigen: Tempolimit?

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum CDU/FDP-Antrag ‚Situationsangepasste Verkehrssteuerung statt genereller Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen‘ (Drs 5/13828)
92. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12. März 2014, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
"Drei Unfälle in zehn Stunden" – so titelte eine Zeitung nach dem letzten Wochenende. Vier Verletzte, Großeinsätze von Feuerwehr und Polizei, hoher Sachschaden und Sperrung der Autobahn A 4 – wenigstens dieses Mal keine Toten.
Sachsen liegt mit 47 Verkehrstoten pro 1 Mio. Einwohner deutlich über dem Schnitt der Bundesrepublik. 2013 stieg in Deutschland die Zahl der Todesopfer auf Autobahnen um mehr als 8 Prozent. Dabei ereignen sich 70 Prozent solcher Unfälle in Bereichen ohne Geschwindigkeitslimit. Wenn es auf der Autobahn zu einem Unfall kommt, ist die Wahrscheinlichkeit getötet zu werden mehr als doppelt so hoch wie auf allen anderen Straßen. Dieses Problem muss bekämpft werden!
Vielleicht führen die näher rückenden Wahlen dazu, dass die CDU-geführte Koalition das nun auch tun will. Diese Erkenntnis ist richtig, offenbar aber noch sehr frisch – denn ihrem Antrag fehlt schlichtweg die Substanz.
Während Sie im Punkt 1 noch Erkenntnisse der Staatsregierung zu Unfällen und Tempobeschränkungen abfragen, haben Sie die Antworten auf diese Frage offenbar schon im Kaffeesatz gelesen. Denn prompt lehnen Sie in Punkt 2 ein Tempolimit ab.
Mit welchem fachlichem Hintergrund?
Aus der Anhörung zum GRÜNEN-Antrag für Tempolimits in Sachsen im Oktober 2013 haben sie ihn nicht. Sie hielten es nicht einmal für notwendig, dafür Sachverständige zu benennen. Den Ausführungen des durch uns benannten Sachverständigen Polizeidirektors Martin Mönnighoff hätten sie freilich spannende Aspekte zum Thema entnehmen können. Mönnighoff war mehr als zehn Jahre Fachgebietsleiter des Lehrstuhls Polizeiliche Verkehrslehre an der Deutschen Hochschule der Polizei – ein ausgewiesener Fachmann also.
Er rechnet mit folgender Faustformel: ein Prozent niedrigere Durchschnittsgeschwindigkeit senkt die Anzahl der Verkehrsunfälle um zwei Prozent, der Verletzten um drei Prozent und der Todesfälle um vier Prozent.
Aber selbst FDP-Verkehrsminister Morlok stellte bei seiner Smiley-Kampagne schon fest: nicht angepasste Geschwindigkeit ist zusammen mit immer häufiger festzustellendem aggressivem Verhalten nach wie vor die Unfallursache Nummer 1 im deutschen Straßenverkehr.
Im Gegensatz zu Smileys an Baustellen ist ein Tempolimit jedoch ein wirksames Instrument, um solche Aggressionen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Und damit wird die subjektive Sicherheit auch bei unsicheren Fahrern verbessert. Das hilft übrigens auch auf den Zubringerstraßen.
Eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung bringt weitere Vorteile: ein verbesserter Verkehrsfluss verringert Staus. Der Treibstoffverbrauch sinkt ebenso wie die Umwelt- und Lärmbelastung.
Uns GRÜNE erreichen viele Beschwerden lärmbetroffener Autobahnanrainer z. B. aus Plauen, Wilkau-Haßlau, Leipzig, Dresden und Borna. Vielleicht sehen sie diese nicht als Ihre politische Zielgruppe, aber das verändert nicht das Problem.
Was für Vorschläge haben Sie nun? Dynamische Verkehrsleitsysteme? Die sind bekanntlich besonders teuer – und ihre Wirksamkeit ist umstritten! Haben sie überhaupt schon mal mit dem Finanzminister geredet, wann und wie sie finanziert werden sollen?
Entscheidend ist, dass Tempoverstöße tatsächlich geahndet werden. Hier hat Sachsen ein weiteres Problem: die polizeilichen Kontrollen sind in den letzten Jahren von knapp 22.000 auf 14.000 zurückgegangen. Das sind 37 Prozent weniger. Grund hierfür sind offenbar die umfassenden Sparmaßnahmen bei der Polizei. Damit sorgen sie leider für ein Weniger an Verkehrssicherheit!
Die meisten fahren nicht aus reinem Spaß, sondern um von A nach B zu ihrer Arbeit oder ihrer Familie zu kommen. Eine Minderheit von Autofahrern fährt mit überhöhter Geschwindigkeit und rücksichtslos. Vor Ihnen müssen die anderen Autofahrer, aber auf Bundes- und Staatsstraßen auch Zu-Fuß-Gehende und Radfahrende geschützt werden.
Deshalb wollen wir, dass die Polizei auf Autobahnen und anderen Straßen präsent ist und Geschwindigkeits- und Anhaltekontrollen macht. Dass sie es an Unfallhäufungsstellen tut, ist richtig – aber es reicht nicht! Präventive, polizeiliche Geschwindigkeitskontrollen sind nicht Abzocke, sondern gute Polizeiarbeit, Herr Kollege Hartmann aus der CDU.
Leider tut die Koalition auch so, also sei das Thema Lärmbelästigung gelöst. Die Beschwerden viele Bürger sprechen aber dagegen. Lärmschutzbauten reichen dafür oft nicht; Geschwindigkeitsbegrenzungen tun dann not.
2012 starben 335 Menschen auf deutschen Autobahnen und das sind genau 335 zu viel. Bei Unfalltoten und Schwerverletzen hört für mich der Spaß auf! Wir müssen das Thema Verkehrssicherheit endlich auch in Sachsen ernst nehmen. Ihr Antrag heute ist dazu leider kein Beitrag.

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