Eva Jähnigen zu den Änderungsanträgen der GRÜNEN-Fraktion für die Aufstockung des ÖPNV-Haushaltes

CDU und FDP schneiden Sachsens Nahverkehrsunternehmen fast alle Investitionen und Betriebsmittel ab – Dabei sind sie in der Fläche noch gut präsent und fahren mit bemerkenswerten Kostendeckungsgraden
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zu den Änderungsanträgen der GRÜNEN-Fraktion für die Aufstockung des ÖPNV-Haushaltes
„Haushaltsplan 2011/12, EP 7: Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der 26. Sitzung des Sächsischen Landtages, 16.12., TOP 1.7.
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die aktuelle Haushaltsplanung zum Verkehr ist ein besonderes Lehrstück. Aus der Mittelaufteilung im Verkehrsetat sehen wir mit besonderer Klarheit, was die ihn Regierungskoalition denkt und wie sie arbeitet. Wir lernen etwas über Wirtschaftlichkeit, über Zukunfts- und über Lernfähigkeit und über Etiketten.
Wirtschaftliches Denken? Die Nahverkehrsunternehmen sind in der Fläche noch gut präsent und fahren mit bemerkenswerten Kostendeckungsgraden. Sie schneiden Ihnen fast alle Investitionen ab und auch noch die Betriebsmittel. So wie Sie dort rein schneiden wollen, verscheuchen Sie sogar im ländlichen Raum vorhandene Fahrgäste und verringern Einnahmen des öffentlichen Verkehrs. Derzeit beträgt der Kostendeckungsgrad dort um die 70 %. Für Straßen haben wir keine vergleichbaren Einnahmen. Nach ihren Kürzungen müssen die verbleibenden Strecken noch mehr Fixkosten tragen. Vor der darauf folgenden Abwärtsspirale haben die Expertenanhörungen einhellig gewarnt. Wirtschaftlichkeit? Das ist planloses Herumschnippeln.
Zukunftsfähigkeit? Wir sind kein Stadtstaat sondern ein Flächenland, im demografischen Wandel. Und wie wollen Sie künftig, sagen wir in 20 Jahren, den Freistaat in der Fläche verkehrlich erschließen? Ihr Haushaltsentwurf zeigt das klar: Mit weiteren Schnellstrassen, weil eigentlich überall noch nicht genug davon da sind und mit den Autos mit Verbrennungsmotor die ganz bestimmt massenhaft drauf herumfahren. Gibt’s da noch den Treibstoff dafür? Zu vertretbaren Kosten? Woher nehmen Sie den Kinderglauben?
Ihr Konzept für den ländlichen Raum beschränkt sich offensichtlich auf den Bau von Straßen in die Ballungsräume. Den Busverkehr darauf schaffen sie gleich mit ab.
Kommen wir zum Thema Etiketten. Die Landesregierung benutzt neuerdings solche Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, die Umwelt schonen,  den Klimawandel ernst nehmen und  gegensteuern. Und Ihr Haushaltsentwurf, zeigt wirklich auch dem Letzten was Sie die Begriffe für Sie sind: Etiketten für die alte Politik der alten Industriegesellschaft. Lernunwillig sein, aber dafür wenigstens Etikettenschwindel.
Teile der CDU-Fraktion lassen in öffentlichen und vertraulichen Diskussionen, dass sie davon etwas begriffen haben. Aber warum machen sie dann ohne Not diese Kürzungen mit und lassen sich am Gängelband von der FDP vorführen? Trotz besseren Wissens gegenüber einem Minister der bei allen Gesprächen vor allem eines erkennen lässt: keine Ahnung. Aber egal, Hauptsache wir regieren.
CDU und FDP haben verkündet, dass man den Öffentlichen Verkehr «zukunftsfest machen» und «konsolidieren» werde. Als Folge der landesweiten Proteste sollen einige Millionen der Kürzungen von 2011 auf 2012 vorschoben – diese dann aber insgesamt gleich noch auf 2013 und 2014 ausgedehnt werden!
Offensichtlich wollen sie den öffentliche Verkehr tatsächlich zurückbauen – und die Kombination der Kürzungen bei den Betriebs- und den investiven Mitteln sowohl beim Bahnverkehr als auch bei Straßenbahn und Bus.
Ihre haltlose Politik schadet besonders den Bewohner und Unternehmen im ländlichen Raum, sie trifft aber auch die Ballungsräume. Deutlich wurde das an den in den letzten Tagen bekannt gewordenen Einschränkungen im Verkehrsverbund Mittelsachsen – einem Verkehrsverbund, der mitten im Ballungsraum Halle – Leipzig über keine einzige schlecht ausgelastete Bahnstrecke verfügt und jetzt mitten aus dem vollen Angebot kürzen muss.
Inzwischen sind die Nachrichten über Einschränkungen im Nahverkehr und drohende Streckenstilllegungen bereits zum Flächenbrand in allen sächsischen Regionen geworden. Die wachsenden Proteste sind die Quittung für ihre Politik des Nicht-Hören-Wollens.
Die Reputation des Verkehrsministers in Sachsen öffentlicher Verkehr ist unheilbar geschädigt und mit ihm die der Regierung und der CDU-FDP-Koalition, die ihn heute noch einmal mit zusammengebissenen Zähnen ihrer Solidarität versichert.  Sie wissen auch, dass sie bei den Neuverhandlungen um die Bundesgelder ab 2014 die Quittung für die Kürzungen und Streckenabbestellungen bekommen werden. Sachsen wird bei Beschluss dieses Haushaltes voraussichtlich das Bundesland sein, das den bundesweit geringsten Anteil an ÖPNV-Investitionen aus Entflechtungsmitteln und an SPNV-Bestellungen aus Regionalisierungsmitteln aufzuweisen hat. Sie schlagen Sachsen in diesen Verhandlungen die Beine weg – und dass, wo wir ohnehin schon die schlechte Situation im Fernverkehr haben und dass mit Nahverkehr kompensieren müssen.
Mit unseren Änderungsanträgen bieten wir GRÜNEN ihnen heute noch einmal die Chance diesen Irrweg in letzter Minute zu verlassen.
In den Ausschussberatungen haben wir bereits aufgezeigt, wie man die für Betrieb des Nahverkehrs und ausreichende Investitionen notwendigen Mittel für die kommunalen Aufgabenträger durch Umverteilung innerhalb des Verkehrshaushaltes bereitstellen kann. Bei Beibehalt der Finanzierungssätze aus der derzeit noch bis 2014 geltenden Finanzierungsverordnung bliebe dem Gesamthaushalt dabei immer noch ein erklecklicher Anteil der Bundesmittel erhalten.
Bei den Entflechtungsmitteln für Investitionen wollen wir endlich erreichen, dass Sachsen sie zur Hälfte für Öffentlichen Verkehr und für Straßenverkehr verteilt und nicht den Anteil des Öffentlichen Verkehrs noch einmal von den 25 Prozent der letzten Jahre auf 15 Prozent senkt. Das wäre ein Korrektiv dazu, dass der gesamte öffentliche Verkehr Sachsens jetzt für die Kostenexplosion beim Leipziger Citytunnel herhalten muss – für die nach den unbegreiflichen Verträgen aus den Zeiten der CDU-Alleinregierung ja leider der Freistaat Sachsen herhalten muss!