Eva Jähnigen zur Aktuellen Debatte über die Schlagloch-Strassen

In den enormen Kosten für die Beseitigung von Winterschäden zeigt sich, in welcher Dimension die Weichen der sächsischen Verkehrspolitik in den letzten Jahren falsch gestellt wurden
Redeauszüge der Abgeordneten Eva Jähnigen zur Aktuellen Debatte "Staatsregierung muss Winterschlaf beenden: Sachsen braucht ein Soforthilfeprogramm für kommunale Straßen. Bedarfsgerechten Winterdienst für die Kommunen ermöglichen" in der 28. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19.01., TOP 3

Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir GRÜNEN halten die Folgen dieses besonders harten Winters auf den öffentlichen Straßen und Gehwegen für ein sehr wichtiges Thema – Straßen sind öffentliche Infrastruktur und ihre Unterhaltung gehört zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge. Gerade deshalb meinen wir GRÜNEN, dass wir uns als Landtag mit dem Zustand des Straßennetzes insgesamt und nicht nur mit kommunalen Strassen beschäftigen müssen. Wir müssen die Probleme ursächlich angehen.
Klar ist: Landkreise und Städte können die Kosten für den Unterhalt der Strassen und den Winterdienst immer schwerer aufbringen – schon in normalen Wintern. Das gilt umso mehr für harte Winter. Entscheidend ist die angemessene Grundausstattung der Kommunen. Ihre Steuereinnahmen dürfen nicht noch beschränkt werden wie es Schwarz-Gelb immer wieder erwägt.
Erneut muss betont werden: angesichts des schon eingetretenen Klimawandels müssen wir in Sachsen auf Extremwetterereignisse eingestellt sein. Und damit die Wetterverhältnisse nicht noch extremer werden: Der Klimaschutz muss in Sachsen endlich vom Randthema der Regierung Tillich zu einer politischen Kernaufgabe gemacht werden! Nur so können wir den bereits eingetretenen Klimaschaden begrenzen.
In den enormen Kosten für die Beseitigung von Winterschäden zeigt sich, in welcher Dimension die Weichen der sächsischen Verkehrspolitik in den letzten Jahren falsch gestellt wurden. Die Defizite beim Unterhalt der Straßen gehen einher mit den hohen Kosten bei der Instandsetzung durch Schnellreparaturen.
Flickschusterei ist bekanntlich teurer als Sanierung. Unser Straßennetz verrottet. Dieses Dilemma ist, leider, hausgemacht! Verweisen Sie jetzt bitte nicht auf die Hypotheken der DDR. Im Jahr 2011 ist das keine Entschuldigung mehr. In jedem der letzten 20 Jahre wurde in Sachsen mehr auf den Neubau von Straßen, als auf Sanierung gesetzt. Das traurige Ergebnis ist: im Sachsen steigt der Instandsetzungs- und Unterhaltungsbedarf bei den Straßen von Jahr zu Jahr!
Und als ob das nicht so wäre, werden die Kommunen vom Freistaat weiterhin zu überdimensionierten Straßenbauten gedrängt – so etwa im Fall der  überdimensionierten S1 in Leipzig, bei der Waldschlößchenbrücke und aktuell bei der Königsbrücker Straße in Dresden. Das ist absurd in Zeiten knapper Kassen!

Im aktuellen Umweltbericht der Landeshauptstadt Dresden heißt es lakonisch: «Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche nimmt langsam, aber kontinuierlich zu. Überdurchschnittlich  ist  dabei  die  Zunahme  der Verkehrsfläche.» Für diese kritische Äußerung zeichnet sich übrigens ein FDP-Politiker, der Dresdner Bürgermeister für Wirtschaft und Umwelt, Dirk Hilbert verantwortlich.
Aber bis heute planen die Straßenbehörden des Freistaates ungehemmt drauflos und das meistens zu Lasten Dritter. Landkreise und Städte bleiben auf den Unterhaltskosten sitzen, die sie nach der Verwaltungsreform 2008 nun auch für Bundes- und Landesstrassen übernehmen  müssen. Eben diese Kosten werden bei der Planung des Freistaates bis heute nicht berücksichtigt.  
In der Fachregierungserklärung haben wir interessiert gehört, dass der zuständige Minister über die große Anzahl der in seinem Ressort geplanten Straßen klagt, dieses im Landesverkehrsplan überdenken will und dass in der CDU-Fraktion darüber nachgedacht wird, Unterhaltskosten stärker zu berücksichtigen.
Meine herzliche Gratulation dass diese alte GRÜNE Forderung bei Ihnen nach so langer Zeit ankommen ist!
Dann ziehen Sie aber auch die Konsequenzen meine Damen und Herren in der CDU und der FDP! Planungsstopp für überdimensionierte Neubauplanungen, Folgekostenberechnungen als Standard und Offenlegung der zu erwartenden Folgekosten – das ist notwendig. Sonst wird das Netz der kommunalen Straßen und Wege weiter verrotten wie bisher.
Sie, Herr Staatsminister Morlok, fordern wir auf, den realen Bedarf der Kosten zur Beseitigung von Winterschäden zu ermitteln, öffentlich zu benennen und die Kommunen als Aufgabenträger angemessen zu unterstützen. Klären Sie die Höhe der notwendigen Mittel für die kommunalen Aufgaben und einen gerechten Verteilerschlüssel! Pauschale Verweisungen auf die allgemeine kommunale Zuständigkeit helfen hier nicht weiter. Auch die von Ihnen mit großzügiger Geste vorab bereitgestellten 28,5 Mio. Euro helfen nicht wirklich, denn sie sind lediglich für Bundes- und Landesstraßen bestimmt und waren für normale Wetterverhältnisse geplant.
Ein wichtiger Maßstab für guten Winterdienst ist der Einsatz von Streusalz. Hier müssen wir uns hüten, die kommunale Praxis unkritisch zum Gegenstand politischer Forderungen nach mehr Salz auf allen Straßen zu machen.  Der Salzimport aus dem Nahen Osten muss angesichts regionaler Quellen sicher nicht ernsthaft betrieben werden.
Unsere Fraktion findet es aber ausgesprochen bedenklich, dass die Verwendung von Streusalzen und Lauge zunehmend einen guten kommunalen Winterdienst ausgleichen soll. Trotz teilweise geltender Beschränkungen dieser Mittel auf Bundes- und Staatsstrassen sind sie in diesem Winter tatsächlich viel stärker eingesetzt als empfohlen. Das ist zu kurz gedacht. Wo vielleicht durch Verzicht auf mechanische Reinigung Personalkosten eingespart werden, folgen die Kosten für die Beseitigung der Schäden bei Straßen, Brücken, Straßengrün und Autos auf dem Fuß.
Wir fordern, dass Straßenbehörden, Kommunalaufsicht und Kommunen die Empfehlungen des Umweltministeriums zu Streusalzeinsätzen umsetzen. Private Eigentümer müssen aufgeklärt und offensichtlich auch stärker kontrolliert werden. Der Salzeinsatz muss ultima ratio sein und nicht die bequeme Alternative zur Erfüllung des Winterdienstes auf allen Verkehrsflächen. An vielen Stellen wie z. B. auf Gehwegen ist differenzierter Winterdienst mit mechanischer Schneeräumung und weiteren Mitteln wie Geschwindigkeitsreduzierungen und Teilsperrungen eine mögliche Alternative.
Praktisch konnten wir erleben: es ist durchaus besser auf festgetretenen Schneefläche zu laufen als in einem schuhzerstörenden Matsch aus Schnee und Tausalz. Andere schneereiche Länder machen es bei den Straßen: In Finnland, der Slowakei und Österreich wird weniger Salz gestreut als in Deutschland. Dort setzt man auf angepasste Fahrweise und flächendeckenden Winterreifeneinsatz. Nur an steilen oder unübersichtlichen Stellen wird Salz gestreut.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ziehen Sie die Konsequenzen aus den Folgen des Winters 2010/11 wirklich – und sprechen Sie nicht nur davon.