Gisela Kallenbach: 2,4 Milliarden EU-Mittel, das ist einfach viel zu viel Geld, als dass wir als Landtag die Staatsregierung darüber allein entscheiden lassen dürfen

Rede der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion "Operationelle Programme 2014-2020" (Drs. 5/10366), 68. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14. Dezember 2012, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

Weihnachtsgeschenke gibt es ja normalerweise erst am 24. Dezember. Mit dem Doppelhaushalt darf sich die Staatsregierung allerdings schon jetzt über eine vorgezogene Bescherung freuen. Sie hat sich ihr Paket ja gut selbst gefüllt und geschickt verpackt. Dank der Stimmenmehrheit von CDU und FDP liegt mit dem Ja zum Haushalt auch die Zustimmung zu den Operationellen Programmen 2014-2020 auf dem Gabentisch.

Wer die vielen Variablen des EU-Haushalts kennt, kann der Staatsregierung Risikofreude auf keinen Fall absprechen. Sollten die geplanten 350 Millionen für Sachsen im EU-Haushalt nicht bereit stehen, dann ist der Doppelhaushalt schon bald Makulatur und der Nachtragshaushalt vorprogrammiert.

Offen bleibt auch, in welche Förderkategorie Leipzig fallen wird. Minister Morlok weiß sicher mehr als alle anderen. In seiner Antwort auf den Abgeordneten Herbst schreibt er am 22. November: Das regionale Bruttoinlandsprodukt der Region Leipzig werde die 90 Prozent Schwellenwert NICHT übersteigen. Alle anderen Prognosen gingen bisher vom Gegenteil aus und haben eine rege Reisetätigkeit nach Brüssel verursacht. Was also stimmt?

Vielleicht fragt die Staatsregierung auch Ihre Kristallkugel, wann der Landtag die OP-Entwürfe zu sehen bekommt?
Ich habe mehrfach danach gefragt. In den Antworten der Staatsregierung benannte sie dazu Ende 2012. Auch im Zeitplan des Wirtschaftsministeriums, der auf der Herbsttagung der Fondsverwalter zu EFRE und ESF im Oktober vorgelegt wurde, steht für Ende 2012: "Zuleitung des OP-Entwurfs an den Sächsischen Landtag". Wann wird bitte geliefert, Herr Morlok – oder Herr Martens als so genannter Europaminister?

Gerade weil die Planung komplex und kompliziert ist, fordere ich Sie noch einmal auf, den Landtag nicht erst zu beteiligen, wenn das OP in Sack und Tüten ist. Wir wollen den Entwurf sehen. Nennen Sie endlich einen verlässlichen Termin und halten sich daran.

Wir kennen aus der erwähnten Veranstaltung lediglich summarische Eckwerte zu den Ausgaben in den ausgewählten Prioritätsachsen. Im zuständigen Ausschuss oder gar im Plenum wurden diese bislang weder vor-, geschweige denn zur Diskussion gestellt.

Die Staatsregierung arbeitet mit Hochdruck an den OPs. Die Vertreter/innen der Wirtschafts- und Sozialpartner werden, besser als früher, informiert, teilweise an der Redaktion beteiligt. Aber dass der Landtag außen vor bleibt, ist nicht hinnehmbar.

Im Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Freistaats Sachsen von 2008 hieß es: Die Staatsregierung hätte den Landtag vollständig und rechtzeitig über die Inhalte der Operationellen Programme zu informieren gehabt, bevor sie diese bei der Europäischen Kommission einreicht. Nun sind die Programme jetzt noch nicht eingereicht – aber, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit dem Haushalt 2014 ist die Ausrichtung der OPs beschlossene Sache – und wir wurden wieder zum "Abnicker" degradiert.

Mit dem Doppelhaushalt hat die Koalition nun über das erste Jahr der neuen Strukturfondsperiode abgestimmt. Man kann die Jahresscheibe leicht mit sieben multiplizieren: Von den 2,4 Milliarden Euro EU-Strukturfondsförderung für 2014-2020 sollen pro Jahr, beispielsweise laut Haushaltsplan für 2014, 50 Millionen für die Forschungsförderung, 30 Millionen für die Förderung gewerblicher Unternehmen, 20 Millionen für Straßenbau und 22 Millionen für den technischen Hochwasserschutz investiert werden.

Wir schlagen andere Prioritäten vor und wollen endlich die Gelegenheit haben, das mit Ihnen zu diskutieren.
Sie haben es schon gehört: Technischer Hochwasserschutz ist nicht nachhaltig, extrem unflexibel und oft die schlechteste Lösung.
Werte Kollegen der Koalition: Ihr Entschließungsantrag zum Doppelhaushalt macht mir Mut, dass Sie das auch so sehen: Sie ersuchen in Punkt 12 die Staatsregierung den Hochwasserschutz durch präventive Maßnahmen zu ergänzen, den Hochwasserrückhalt in der Fläche zu stärken und Gewässerabschnitte zu renaturieren. Eine gute Basis für eine fachliche Diskussion.

Diese wünsche ich mir auch hinsichtlich der Entscheidung, welchen Anteil an EU-Mitteln wir für integrierte Stadtentwicklung einsetzen wollen. Die Mittel für nachhaltige Stadtentwicklung nehmen sich im Vergleich mit Straßenbau oder Hochwasserschutz bescheiden aus.

Integrierte Stadtentwicklung ist eine Erfolgsgeschichte. Der Komplexität der Stadtentwicklung kann man nur mit der Verzahnung unterschiedlicher Handlungsfelder beikommen. Die Kombination von EFRE und ESF-Mitteln ist gerade in der Stadtentwicklung sinnvoll. Die Stabilisierung benachteiligter Stadtteile erfordert eben nicht nur investive Maßnahmen, sondern auch nicht investive Aktivitäten, die letztlich über die Bewohnerbeteiligung zu einer Mobilisierung von Bürgern und von privatem Kapital führt. Da sind fünf Prozent zu wenig. Hier wünsche ich mir ein starkes Signal aus dem Parlament, dem Minister Ulbig sicher nicht abgeneigt ist.

Die Vorbereitung auf die kommende Förderperiode sollte dringend genutzt werden, die Förderverfahren zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Wir können uns auch vorstellen, heilige Kühe zu schlachten und die Abwicklung der Förderprogramme auszuschreiben und nicht einfach immer wieder der SAB zu übertragen, unabhängig davon in welcher Qualität diese ihren Auftrag erfüllt.
Verwaltungsvereinfachung ist nicht ein exklusiv grünes Anliegen – auch hier ist der Entschließungsantrag der CDU/FDP eine gute Diskussionsgrundlage.

Die meisten Regeln werden in Brüssel gemacht. Aber in Sachsen haben Finanzministerium und Sächsischer Aufbaubank viele bürokratische Hürden zusätzlich aufgebaut. Musterschüler sein zu wollen, ist ja schön und gut. Aber ich möchte, dass alle Möglichkeiten der Verfahrensvereinfachung, die die neuen Verordnungen zulassen, auch genutzt werden.
Kommunen und Vereine sind wichtige Projektträger. Mit der Anerkennung von prozentualen Kostenpauschalen werden die Abrechnungen einfacher und die Projektträger entlastet.

Die EU-Kommission ermutigt im Übrigen die Mitgliedsstaaten seit Jahren, Kompetenzen und finanzielle Verantwortung in Form von Global- oder Regionalbudgets für die Projektumsetzung auf die kommunale Ebene zu übertragen. Die Staatsregierung verweigert diese Möglichkeit so kontinuierlich wie hartnäckig.

2,4 Milliarden EU-Mittel, das ist einfach viel zu viel Geld, als dass wir als Landtag die Staatsregierung darüber allein entscheiden lassen dürfen. Egal, wann die Mittel fließen und wie viele es genau sein werden: der Landtag muss mitbestimmen, wofür sie eingesetzt werden.

Daher werbe ich um Ihre Unterstützung und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

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