Gisela Kallenbach: Der Staat trägt die Verantwortung für ein integriertes Wasser- und Ressourcenmanagement

Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum Antrag "Gefahren durch Grundwasseranstieg im Freistaat Sachsen abwenden", 58. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14. Juni 2012, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Ursachen des Grundwasseranstiegs sind wie bei vielen Umweltproblemen sehr komplex. So ist Streit vorprogrammiert, wer in welchem Maße die Verantwortung trägt und damit die Kosten.
Streit ist aber für die Bürgerinnen und Bürger, deren Keller im Wasser steht, wenig hilfreich. Lösungen sind gefragt, die dem Verursacherprinzip gerecht werden.

Deshalb: Zustimmung zum Antrag. Nur wer eine tiefgründige Analyse betreibt, ohne kritische Aspekte auszublenden, kommt auch zu wirklich dauerhaften Lösungen.

Die Kommunikation mit den Betroffenen vor Ort ist dabei existentiell. Das spielt im Bericht des Umweltministeriums allerdings nur eine marginale Rolle.

Je nach Weltsicht werden die Ursachen einmal mehr der Niederschlagsmenge, dem gesunkenem Wasserverbrauch oder auch den Bergbauunternehmen zugeschrieben.
Dass die Grundwasserstände inzwischen wieder gesunken seien, wie die Staatsregierung hörbar aufatmend, verlautbaren lässt, mag im Tagesgeschäft ein Trostpflaster sein.
Aber der Trend ist klar: der Klimawandel ist in vollem Gang. Die Extremwetterlagen nehmen drastisch zu. Dazu kommt die Fortsetzung des großflächigen Bergbaus. Und damit bleibt die Gefahr bestehen, dass das Grundwasser, zumindest temporär, steigt.

Es bleibt also eine komplexe Aufgabe, die nicht Bauherren und Planern zugeschoben werden kann.

"Der Grundwasseranstieg wird uns noch am längsten von allen Bergbauwirkungen beschäftigen", sagt der Bergbauexperte Prof. Andreas Berkner vom Planungsverband Westsachsen gegenüber der Leipziger Internetzeitung. Was tatsächlich fehlt, ist eine überregionale Koordination und Zusammenarbeit aller Verantwortlichen.

Der Staat trägt die Verantwortung für ein integriertes Wasser- und Ressourcenmanagement. Sachsen-Anhalt gibt ein gutes Beispiel und hat einen Bericht zur Vernässungssituation vorgelegt, dessen Ziel ein intelligentes Wassermanagement ist, das für feuchte wie trockene Jahre taugt.

Integrierte Konzepte sind freilich nicht zum Nulltarif zu haben. Alle Akteure müssen ihren Beitrag leisten. Dazu gehören ganz klar die Kommunen und Bauherren, aber auch die Bergbauunternehmen. Deren Verantwortung wird in dem vorliegenden Bericht nahezu ausgeblendet. Dabei bezahlt die LMBV in nicht wenigen Fällen sogar die Anhebung von Häusern. Würde sie das tun, wenn sie nicht als Verursacher identifiziert wurde?

Für eine umfassende Analyse ist eine verlässliche, umfangreiche und keinen möglichen Verursacher ausschließende Datengrundlage die unbedingte Voraussetzung. Die steht bisher aus.

Eine abschließende Bemerkung:
Die Bewohner der Bergbaugebiete haben seit dem 18. Jahrhundert nicht nur einen gigantischen Raubbau an Rohstoffen, sondern auch an den Grundwasservorräten erlebt.

Die Renaturierung der Bergbaufolgelandschaften ist unerlässlich. Aber so schön die Entwicklung der Seenlandschaften ist, auch dabei greifen wir wieder in gigantischem Ausmaß in den Wasserhaushalt ein.

Grundwasser runter, Grundwasser hoch – fast so als wären wir im Labor. Es gehört zu den Denkmustern des Industriezeitalters, die langfristigen Folgen unseres Handelns auszublenden, ganz gleich, ob es um den Verbrauch von Kohle oder anderen Rohstoffen geht.

Wir nehmen die Zerstörung ganzer Dörfer in Kauf, wir nehmen nasse Füße in Kauf und glauben, es gäbe keine Alternativen. Den Preis dafür aber werden nicht wir zahlen, sondern unsere Kinder und Enkel.
Auch wenn wir heute mit dem Grundwasseranstieg nur eine von vielen Nebenwirkungen der fossilen Energiewirtschaft betrachten: Ich kann es mir nicht verkneifen, an dieser Stelle zu sagen: der zügige Ausstieg aus der Braunkohle ist die Alternative.