Gisela Kallenbach: Täglich werden in Sachsen 8 Hektar Flächen neuversiegelt !

Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum GRÜNEN-Antrag "Flächenneuversieglung in Sachsen reduzieren" (Drs 5/13157), 90. Sitzung des Sächsischen Landtages, 29. Januar 2014, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die fortschreitende Flächeninanspruchnahme mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf Natur und Landschaft, auf die Lebensqualität, auf den Wasserhaushalt, Biodiversität, den Boden und den Hochwasserschutz gibt Anlass zur Sorge und ist eines der größten aktuellen Umweltprobleme in Sachsen.
Deshalb haben wir Ihnen diesen Antrag vorgelegt.
Die Warnungen vor den genannten negativen Auswirkungen haben schon eine lange Geschichte. Vor nunmehr 10 Jahren hat der Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, den Ländern und Kommunen dringend empfohlen, die tägliche Flächeninanspruchnahme in Deutschland auf 30 ha pro Tag zu reduzieren.
Schauen wir nach Sachsen: hier stehen dem von CDU und FDP verschämt geäußerten 2 Hektar Fernziel, die unverantwortbare Realität entgegen:
Die letzten offiziellen Statistiken, die Umweltminister Kupfer veröffentlicht, belegen immer noch laut Landesentwicklungsbericht 2010 reichlich 8 Hektar Flächeninanspruchnahme pro Tag. Auch im jüngsten Umweltbericht 2012 wird nur auf diesen verwiesen. Rechnet man diese Zahl auf die Bundesrepublik hoch, kommen wir auf knapp 160 ha pro Tag an Flächeninanspruchnahme, also das reichlich 5-fache des als nachhaltig zu benennenden Wertes. Das, meine Damen und Herren passiert in einem Bundesland, das sich als geborenen Nachfolger von Carl von Carlowitz betrachtet. Der Oberberghauptmann würde sich im Grabe umdrehen!
Um sich diesem Dilemma zu entziehen, argumentiert die Staatsregierung mit nebulösen Statements:
1. Flächeninanspruchnahme bedeutet nicht gleich Flächenversiegelung, weil ein Teil der zunehmenden Siedlungsflächen durch gestiegene renaturierte Tagebauflächen ausgeglichen wird und die Statistik die Realität nicht widerspiegelt (hier sage ich nur: Winston Churchill lässt grüßen!!)
Dennoch: Die Aussage ist nicht falsch, aber sie ändert nicht die Fakten:
Zwischen 2000 und 2010 ging allein die Landwirtschaftsfläche in Sachsen um rund 14.000 ha zurück. Im gleichen Zeitraum stieg die Siedlungs- und Verkehrsfläche um 21.000 Hektar. Ziehen wir nun die genannten reichlich 7.000 Hektar der durch Tagebausanierung entstandenen Erholungsfläche ab, bleiben ca. 14.000 Hektar neu versiegelte Flächen übrig. Sie brauchen Ihre Taschenrechner nicht zu bemühen, ich habe es für Sie ausgerechnet, das sind fast 4 Hektar täglich: Das ist ein gewaltiger Flächenfraß.
2. können wir erstaunt zur Kenntnis nehmen:
Seit 2009 soll ein gemeinsames Handlungsprogramm der Staatsministerien des Innern sowie für Umwelt und Landwirtschaft existieren, das eine Verringerung der täglichen Neuinanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen auf unter 2 ha bis zum Jahr 2020 vorsieht. Das klingt gut. Damit scheint das Thema erledigt. Schaut man aber mal genauer hin, dann findet man außer wolkigen Ankündigungen und allgemeinen Absichtserklärungen. – Nichts!! Ich empfehle Ihnen, dieses Handlungsprogramm einmal im Netz zu suchen. Dort finden sie: eine Pressemitteilung von 2009 und Vorträge im Rahmen von Fachtagen. Ein ausformuliertes, abrechenbares Handlungsprogramm suchen sie vergeblich.
Auch im Landesentwicklungsplan 2013 und im Landesverkehrsplan 2025 ist wage formuliert:
„..der Freistaat Sachsen strebt dieses Ziel grundsätzlich an, …“ . Wie das konkret erreicht werden soll, dazu schweigen beide Pläne. Auch der aktuelle Doppelhaushalt enthält keine Finanzposten, die an die Erreichung dieses Zieles auch nur denken lassen.
Welche Rahmenbedingungen haben Sie sich selbst, den Kommunen und Kreisen im Land vorgegeben, um ein solches Ziel zu erreichen? Ihr Job, werte Staatsregierung, wäre es gewesen, das 2-ha-Ziel zeitlich, räumlich und sachlich zu konkretisieren.
Vermutlich haben sich viele bei CDU und FDP über den Alleingang der Minister Kupfer und Buttolo im September 2009 überhaupt ein solches Ziel auszurufen, geärgert und hätten es gern stillschweigend kassiert.
Das wundert nicht. Nur so konnten Sie weiter Ihrer Beton-Verkehrspolitik frönen, indem ein Maximum an Fördergeldern in den Straßenneubau umgeschichtet wurde. Innerhalb der letzten sieben Jahre wurden mehr als 600 Millionen Euro allein europäischer Fördergelder für den Neubau von Straßen verschwendet! Ein Ende ist nicht abzusehen: So haben CDU und FDP im Landesentwicklungsplan Sachsen (2013) die Planung von mehr als 130 Ortsumgehungsstraßen festgeschrieben. Nur wenige davon sind aus unserer Sicht wirklich nötig, zumal die Kommunen bereits heute ihren Aufgaben der Unterhaltung nicht gerecht werden können, geschweige denn den Bürden neuer Straßen gewachsen sind.
Zudem ist zunehmender Flächeninanspruchnahme in einer schrumpfenden Gesellschaft auch ökonomisch fragwürdig. Unterausgelastete Infrastrukturen müssen aufwendig betrieben und instand gehalten werden – wer bezahlt dafür?.
Gleichzeitig zum teuren, öffentlich geförderten Abriss von 80.000 Wohnungen entstanden 45.000 neue, auch oft mit öffentlichen Mitteln in randstädtischen Lagen. Unsere Initiativen dies zu stoppen, wurden regelmäßig belächelt und abgelehnt. Sie hätten es in der Hand gehabt, das zu ändern – leider Fehlanzeige.
Ehe ich wieder höre, was alles nicht geht, nenne ich ihnen wichtige Stichworte, die die bisherige Praxis ändern können:
– Nachverdichtung im Siedlungsbestand
– Nutzung von Brachflächen, sprich Flächenrecycling
– Entsieglung mit ortsnahem Ausgleich etc.
Programme mit diesen Schwerpunkten können Flächenneuversieglung stoppen.
Werden Sie konkret: mit räumlich und zeitlich definierten Maßnahmen, mit konkreten finanziellen, personellen und rechtlichen Mitteln.
Stimmen sie unserem Antrag zu.

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