Gisela Kallenbach: Wir halten das Durchpeitschen der Wassergesetz-Novelle weder als zielführend noch für sinnvoll

Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zur 2. Lesung des "Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften" (Drs. 5/10658), 81. Sitzung des Sächsischen Landtages, 11. Juli 2013, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Werte Kolleginnen und Kollegen,
ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, dass Sie auch von mir nochmals hören, dass wir das unnötige Durchpeitschen der Novelle zum Sächsischen Wassergesetz weder als zielführend noch als sinnvoll erachten. Staatsregierung und Koalitionsfraktion müssen sich fragen lassen, wie ernst ihre Worte der zu ziehenden Lehren aus der zweiten Jahrhundertflut zu nehmen sind. Ich habe den Eindruck, dass Ihre Beteuerungen zur Hochwasservorsorge, zum verstärkten nachhaltigem, ökologischen Hochwasserschutz oder zu strikteren Verboten der Bebauung in gefährdeten Gebieten ebenso wie das Wasser schon wieder verflossen sind. Es hat sich mir nicht erschlossen, warum Sie die Chance verstreichen lassen, nach einer eingehenden Analyse der Ursachen für die erneute Katastrophe die zwingend nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dafür wäre die Novelle des Wassergesetzes hervorragend geeignet gewesen. Mit Ihren Plänen der Artikel-Gesetze verzögern und verkomplizieren Sie das erwartete politische Handeln. Damit werden Sie der Ihnen obliegenden Verantwortung nicht gerecht.
Keinesfalls gerecht werden Sie auch unserem Anspruch, nach der Beteiligung der Träger Öffentlicher Belange oder gar nach der Anhörung der Experten inhaltliche Verbesserungen vorzunehmen. Eine derartige Ignoranz der Fachwelt kann man nur noch als grob fahrlässig bezeichnen und konterkariert alle hehren Worte von Beteiligung oder gar Bürgernähe.
Sie werden sich nicht wundern, dass wir eine andere Philosophie verfolgen und haben daher auch einige Änderungsvorschläge eingebracht.
Im Folgenden möchte ich auf einige Schwerpunkte eingehen:
Das Vorkaufsrecht für Gewässergrundstücke haben Sie unter dem fadenscheinigen Grund des Bürokratieabbaus gegen das erklärte Votum der Kommunen bereits 2010 abgeschafft und wollen diese Abschaffung nunmehr zementieren.
Ungehört verhallen die Mahnungen des Sächsischen Städte- und Gemeindetages zur Anhörung, die die Abschaffung der kommunalen Vorkaufsrechte nach zweieinhalb Jahren als Fehleinschätzung bezeichnen und deren jüngste Forderung im Nachgang zur Flut zur Wiederaufnahme dieser Regelung ins Wassergesetz, wenn die Kommunen verstärkt Flutschutzmaßnahmen ergreifen sollen.
Der Verweis auf die Regelungen im Baugesetz, wie zur Diskussion zu unserem Entschließungsantrag anlässlich der jüngsten Regierungserklärung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich greift zu kurz, weil diese Regelung schlichtweg nicht umfassend genug ist.
Damit komme ich zum zweiten misslichen Punkt und bemühe dafür gerne nochmal die Regierungserklärung von Herrn Tillich. Mit Erstaunen haben die Nutzer der Staatskanzlei zur Kenntnis genommen, dass dieses 1904 errichtete Gebäude so hochwasserangepasst gebaut wurde, dass weder 2002 noch 2013 irgendwelche Schäden zu verzeichnen waren. Daraus schlussfolgerte Tillich "Deswegen möchte ich mit Bausachverständigen, mit Architekten, mit Planern, aber natürlich auch mit den Betroffenen darüber sprechen, wie man in hochwassergefährdeten Gebieten bauen sollte." – und jetzt kommt das wichtige: "Dass wir in Überschwemmungsgebieten überhaupt noch bauen, ist, glaube ich, ein Skandal an sich" – und dann steht weiter im Protokoll: Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP.
Ja, werte Kollegen der Koalition: außer Beifall keine Konsequenzen? Irgendwie müsste das doch auch Ihnen aufgefallen sein.
Zu zögerlich reagieren Sie auf die Fakten, dass auch nach dem Hochwasser von 2002 in Hochwassergefährdeten Gebieten gebaut wurde oder neue Projekte ins Verfahren gebracht wurden. Selbst in Grimma–Hohnstädt sollten an der Grundmühle Wohnungen gehobenen Komforts entstehen.
Es reicht meines Erachtens nicht, wenn Staatsminister Kupfer Appelle an die Kommunen richtet, auf Gemeindeegoismen bei der Schaffung von Wohn- oder Gewerbegebieten zu verzichten, um die Schaffung von Retentionsflächen nicht zu behindern. Hier ist Handeln angesagt und nochmals: Das wäre mit dem Wassergesetz möglich gewesen, wenn es gewollt gewesen wäre. Wir wollen die Errichtung baulicher Anlagen in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich als unzulässig einstufen; eine solche in Überschwemmungsgefährdeten Gebieten muss die absolute Ausnahme sein.
Die als vorbildlich und nachahmenswert zu bezeichnende Ausweisung von Hochwasserentstehungsgebieten wird konterkariert, wenn z.B. in einem Faktenblatt des Umweltministeriums vom 20. Juni 2013 noch verlautbart wird, dass in solchen Gebieten großflächige Versiegelungen nur mit Genehmigung erlaubt sind. Damit wird jede gute Absicht zur Farce.
Wer also geglaubt hatte, planerische Hochwasservorsorge bekommt künftig tatsächlich die von Staatsminister Kupfer in der Fachregierungserklärung vom 12. Juli 2012 erklärte Priorität, muss sich nun eines besseren, nein schlechteren belehren lassen. Auch die dringend erforderliche Berücksichtigung der Situation der Fließgewässer wurde außer Acht gelassen. Ich bin auf den weiteren Umgang mit den kritischen Stimmen, z.B. aus Sachsen-Anhalt gespannt.
Dazu zitiere ich gerne noch einmal; dieses Mal Herrn Staatsminister Kupfer aus der bereits genannten Fachregierungserklärung im Juli 2012: "…, dass wir aber trotzdem weiter lernen müssen, besser mit extremen Wetterlagen und Hochwasser zu leben. Das heißt für mich, zunächst zu akzeptieren, dass meist der Mensch dem Fluss im Wege ist und nicht umgekehrt. Das heißt weiter, was wir mit Vorsorge- und Schutzmaßnahmen nicht verhindern können, muss durch eine optimale Gefahrenabwehr aufgefangen werden, und das bedeutet, statt der üblichen Schuldzuweisungen nach dem letzten Hochwasser lieber eigenen Beiträge zur Vorsorge vor dem nächsten Hochwasser zu leisten."
Mit dem vorliegenden Entwurf des Wassergesetzes ist Ihnen selbst kein substanzieller Beitrag gelungen.
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