Gisela Kallenbach zum Leipziger Einheitsdenkmal – Was wir brauchen, ist Lehre, Bildung, sowie die Auseinandersetzung mit der 40-jährigen Geschichte der DDR-Diktatur

Was wir brauchen, ist Lehre, Bildung, sowie die Auseinandersetzung mit der 40-jährigen Geschichte der DDR-Diktatur
Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum Antrag „Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig – Würdigung von Mut und Zivilcourage der sächsischen Bürger beim Einsatz für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte 1989“ (Drs. 5/2701) in der 18. Sitzung des Sächsischen Landtages, 16. Juni, TOP 7
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach meinen bisherigen Erfahrungen in diesem Hohen Haus gelangt kein Koalitionsantrag in die Öffentlichkeit, dessen Inhalt nicht zuvor in mehr oder minder geheimen Zirkeln mit der Staatsregierung abgestimmt wurde.
Das scheint bei diesem Antrag fehl gelaufen zu sein, weil ich den Eindruck habe, dass die Koalition weder auf der Höhe der Zeit noch im Besitz aktueller Informationen ist.
Grundsätzlich klingt es gut, den Mut und den Freiheitsdrang der Leipzigerinnen und Leipziger (und ich füge hinzu: der Menschen aus Plauen, Dresden oder anderswo in der DDR) zu würdigen. Dennoch erschließt sich mir leider nicht der Sinn und Zweck dieses Antrages.
Worin liegt der Neuigkeitswert?! Worin liegt der wirklich konkrete Beitrag?!
Leider nicht vorhanden; dafür ein Hinterherhecheln mit verbalen Absichtserkundungen, die vollmundig klingen aber eher leere Worthülsen und von der Realität längst überholt sind.
Da soll der Landtag  «die Errichtung des  sächsischen Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig unterstützen».
Fakt ist: der Bundestag hat bereits 2007 und 2008 entsprechende Beschlüsse gefasst, mit denen auch die Aufgabe des Freistaates formuliert wurde.
Seit Mitte vergangenen Jahres arbeiten die verschiedenen Arbeitsgremien. Sowohl in der Strategiegruppe als auch in der Arbeitsgruppe unter Leitung der Stadt Leipzig ist die Sächsische Staatskanzlei vertreten.
Werte Abgeordnete, wollen Sie diese Fakten jetzt nachträglich beschließen?!
Die Frage soll erlaubt sein!
Nun soll die Staatsregierung laut Antrag aber auch noch «hinwirken», dass das Denkmal an einem für die Friedliche Revolution historisch bedeutsamen Ort innerhalb der Stadt Leipzig errichtet wird.
Meine Damen und Herren der Koalition, meinen Sie das wirklich?! Könnten Sie sich vorstellen, dass die Standortauswahl einzig und allein in der Entscheidungskompetenz der Stadt Leipzig und ihrer Bürgerinnen und Bürger liegt?
Nehmen Sie das Instrument der Kommunalen Selbstverwaltung ernst?
Haben Sie dazu den Beschluss des Stadtrates zur Standortentscheidung vom 17. Juni 2009 (Datum merken! – genau ein Jahr danach) nicht zur Kenntnis genommen?
Des Weiteren soll die Staatsregierung gemeinsam mit der Stadt Leipzig eine Jury zur Bewertung und Auswahl der Wettbewerbsideen einsetzen.
Fakt ist: bereits vor mehr als einem halben Jahr wurde in der Arbeitsgruppe beschlossen, dass die Stadt Leipzig alleiniger Auslober ist und Bund sowie Land das Verfahren begleiten. Soll das jetzt ausgehebelt werden?
Nun komme ich zu Ihrem 4. Beschlusspunkt. Die Staatsregierung soll sich «angemessen an der Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals in Leipzig beteiligen». An dieser Stelle bin ich großzügig und unterstelle, dass Sie nicht wollen, dass die Staatsregierung die Maurerkelle schwingt oder die Bronzeglocke gießt und Sie eine finanzielle Beteiligung meinen.
An dieser Stelle hätten Sie sogar sehr konkret werden können und den mehrfach in der Arbeitsgruppe genannten Plan der Staatskanzlei, für ein solches Denkmal 1.5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, mit einem Landtagsbeschluss untersetzen können. Das haben Sie entweder verpasst oder nicht wirklich gewollt. Darüber wird man sich in Leipzig sehr wundern.
Werte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir noch abschließend ein paar inhaltliche Anmerkungen. Ob eine Generation, die mit der Friedlichen Revolution von 1989 ein sehr wohl einzigartiges Ereignis gestaltet und erlebt hat, sich selbst ein Denkmal setzen sollte, darüber kann man vortrefflich streiten.
Aber diese Diskussion ist geführt oder auch nicht.
Fakt ist, es gibt Beschlüsse des Bundestages – und ich finde es gut, dass es nicht nur in Berlin Orte der Erinnerung an ein bislang einmaliges Ereignis deutscher Geschichte geben soll. Als Leipzigerin  bin ich auch überzeugt, dass der zweite Standort gut und bedacht gewählt wurde.
Was ich mir nun aber überhaupt nicht vorstellen kann, ist ein in Bronze gegossenes oder aus Marmor gestaltetes und noch viel weniger an Bananen erinnerndes stationäres Monument (siehe erster Wettbewerb in Berlin)!
Gedenkorte reichen nicht. Historische Erfahrung muss heute gelebt werden. Ein Denkmal, das nicht zum Denken und nachdenken anregt, ist überflüssig. Ein Denkmal, das zu nichts anderem dient als zu nostalgischen Erinnern, ist fehl am Platz.
Was wir brauchen, ist Lehre, Bildung,- also fundiertes und nicht geschöntes Wissen sowie die Auseinandersetzung mit der Bevormundung, der Rechtsbrechung in der 40-jährigen Geschichte der DDR-Diktatur; ist Ermutigung zum aufrechten Gang, zu Zivilcourage und Willen zur Einmischung – auch in einer heute – Gott sei Dank- demokratischen, freiheitlichen Gesellschaft.
Ich habe die Hoffnung, dass der in Leipzig begonnene Prozess – nicht zuletzt Dank der Einmischung vieler Bürgerinnen  und Bürger- diesem Anspruch tatsächlich gerecht wird; die vorgesehenen Millionen nicht in Stein gemeißelt werden sondern beitragen, endlich auch einmal aus der Geschichte zu lernen, damit Unfreiheit und Diktatur in unserem Land nie wieder Raum gewinnen.