Hermenau: Es ist im Prinzip eine neue Blase, die da entstanden ist, eine Blase aus Staatsschulden; und wer sich nicht wehrt, macht sich mitschuldig

Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte „Die finanziellen Auswirkungen des Koalitionsvertrages von CDU/FDP im Bund für den Freistaat Sachsen und seiner Städte und Gemeinden“ in der 5. Sitzung des Sächsischen Landtages am 12. November 2009 zum TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Es ist doch ziemlich eindeutig, was Sie mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz und ähnlichen Steuerfragen in den nächsten Jahren wollen: Schwarz-Gelb, egal ob in Dresden oder in Berlin, kauft sich Wohlwollen beim Volk, Und Sie kaufen sich Zeit, weil Sie nicht wissen, wie wir aus der Krise herauskommen sollen. Das machen Sie auf Pump. Sie verschieben die Verantwortung auf die nächste Generation. So leicht ist zu erklären. was Sie machen. Sie regieren auf Kredit! 12 Milliarden Euro 2010 an Steuerausfällen auf Pump finanziert. 24 Milliarden Euro 2011 Steuerausfälle, auf Pump finanziert. Ich sagte gestern schon, die Bundesschulden sind auch die sächsischen Schulden. Machen Sie sich keine Illusionen!
Wer hat denn die Tränen von Hermann-Otto Solms auf dem Parteitag der FDP gesehen, als die Realität wenigstens ihn einholte, auch wenn Sie sich der Erkenntnis noch verschlienen?
Ja, ja. Sie haben sich so lächerlich gemacht, Herr Zastrow, so Iächerlich. Albern haben Sie von der FDP behauptet, Sie hätten nicht gewusst, wie schlimm der Staat verschuldet sei, dabei war Herr Fricke von der FDP der Chef des Haushaltsausschusses im Bundestag.
Des Weiteren haben Sie behauptet, Wachstum ist alles. Ich kann gern mit einem Zitat von Kurt Biedenkopf gegenhalten, vielleicht ist das Autoritätsbeweis genug hier im Haus: „1979 hat der damalige Wirtschafisminister Lambsdorff noch 4 % Wachstum für notwendig gehalten. Inzwischen jammern wir, wenn wir nur 1,5 % Wachstum erzielen. Dabei entspricht der Zuwachs pro Kopf in absoluten Zahlen durchaus dem Zuwachs von damals.
Der Fehler liegt darin, dass wir uns mit dem Rechnen in Prozenten einer exponentiellen Entwicklung anvertrauen. Die ist weder stabil noch zukunftsfähig. So hat das der Club of Rome vor 40 Jahren auch schon analysiert. Die Frage vom ,Spiegel‘ lautete, ob wir jetzt jene Grenzen des Wachstums erreicht hätten, auf die der Club of Rome immer hingewiesen hat. Die Antwort war, wenn wir so weitermachen wie bisher, ja. Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Und ein immer größerer Teil unseres Wachstums entsteht als Folge von Schadensbekämpfung, Reparaturen, Beseitigung von Fehlentwicklungen.“
Das ist die Frage mit dem Klimawandel. Trotz größerer Anstrengungen wachsen die Bruttoeinkünfte noch, aber es hat niemand mehr wirklich etwas davon,'“Die Belastungen der Umwelt, des Klimas und der Verbraucher der natürlichen
Ressourcen werden in der Wachstumsbilanz nicht berücksichtigt. Das heißt, Sie folgen einem ganz altertümlichen Wachstumsbegriff, und wenn das das Ziel der Berliner Koalition ist, dieses falsche Wachstum noch zu mehren, dann werden Sie das strukturelle Defizit des Landes vergröaern und damit erst recht Probleme schaffen.
Sie betreiben eine chronische Unterfinanzierung des Staates und versuchen die Bürger darüber hinwegzutrösten, indem Sie ihnen ein kleines Taschengeld in die Hand drücken. Ja, merken Sie es denn noch? Die niedrigen Steuern werden das
strukturelle Defizit des Staates erhöhen, sie machen das Land auf lange Sicht unregierbar. Herr Weber, Bundesbankpräsident, sagt, das wichtigste Ziel dieser Legislatur sei nicht, dieses verfehlte Wachstum weiter zu betreiben, sondern eine Konsolidierung. Ich denke, dass diese verfehlte Steuerpolitik, die Ausdruck dieses verfehlten Wachstumsbegriffes ist, aus der Angst geboren wurde.
CDU/CSU und FDP saßen auf den Oppositionsbänken, als bereits zum ersten Mal diese alten Denkarten und -schulen des 20. Jahrhunderts damals Rot-Grün in die Probleme getrieben haben. Wir haben mörderisch gespart und es war trotzdem schwer; und ich sage Ihnen: Ihnen passiert dasselbe. Es ist im Prinzip eine neue Blase, die da entstanden ist, eine Blase aus Staatsschulden; und wer sich nicht wehrt, macht sich mitschuldig. Das ist so. Es gibt eine Verantwortungsachse Brüssel-Berlin-Dresden-Panschwitz-Kuckau das können Sie mir glauben.
Wer glaubt, dass die Welt nach diesem Zusammenbruch und dieser Krise genau wieder da anknüpfen wird. wo sie 2007 war, der hat es nicht begriffen. Das tut mir leid, es ist so. „Die Industrieländer folgen“, ich zitiere wieder Biedenkopf, „seit mindestens drei Jahrzehnten diesem verfehlten Wachstumsbegriff.“ Ja, Wachstum ist ein Fetisch geworden – mit all seinen irrationalen Konsequenzen. Sie sollten zurzeit ein wenig mehr Biedenkopf lesen. Ich glaube. das wäre gut.
Wenn diese Politik, die Sie hier androhen, so eintrifft, dann werden wir auch europäisch versagen. Jean-Claude Juncker, von dessen Meinung ich viel halte – er ist immerhin Vorsitzender der Euro-Gruppe und 16. EU-Finanzminister -, hat gesagt, im Koalitionsvertrag von Deutschland seien die Konsolidierungsinstrumente unterbelichtet und die expansiven Elemente überpointiert formuliert. Sie sind nicht gegenfinanziert – Vereinbarungen zulasten Dritter. Wenn Berlin 2011 nicht zu einer soliden Finanzpolitik zurückkehrt, gerät der europäische Stabilitätspakt insgesamt in Gefahr, denn die Franzosen wollen nämlich auch nicht mehr sparen. Wie Sie dann anderen Ländern der Europäischen Union erzählen wollen, dass man die Euros zusammenhalten muss, weiß ich nicht; und dann haben wir veritable Probleme –
noch jenseits der Klimakrise.
Überlegen Sie sich gut, was Sie tun, Sie haben Verantwortung.