Herrmann: Das Nichtraucherschutzgesetz wird durch die Maßnahmen der Staatsregierung löchrig wie ein Schweizer Käse

Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine Diskussion werde ich an dieser Stelle nicht führen, auch wenn sie, meine Vorrednerin andeutete, indem sie sagte, mit der vorgelegten Novellierung würde endlich die Privatsphäre der Bürger geschützt. Ich werde nicht die Diskussion führen, ob ein Nichtraucherschutzgesetz das geeignete und gebotene Mittel ist, um Schutz vor den Gefahren des Rauchens, vor allem des Mitrauchens der Nichtraucher, des Passivrauchens, zu gewährleisten. Diese Diskussion haben wir in den vergangenen zwei Jahren hier im Haus heftig geführt, und mit der Vorlage einer Novellierung haben Sie diese Diskussion beantwortet. Sie bejahen damit, dass ein Gesetz ein geeignetes Mittel ist. Nur: Die Frage ist, wie das Gesetz ausgestaltet ist, um das Gesetzesziel, das Sie benennen, zu erreichen.
Unserer Meinung nach muss ein Gesetz so gefasst sein, dass der Schutz der Nichtraucher, natürlich auch der Schutz der Raucher und vor allem die Prävention von Kindern und Jugendlichen erreicht wird. Herr Kollege Krauß, Sie haben eben nicht recht, wenn Sie das Bundesverfassungsgericht zitieren und sagen, dieses hätte uns geboten, die Regelung zu lockern.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Wege offen gelassen. Der eine Weg ist die strikte Regulierung, also der absolute Nichtraucherschutz. Der andere Weg ist, die Ungleichbehandlung, die durch Ihr Gesetz im vergangenen Jahr eingeführt wurde, wieder auszuräumen. Wir haben damals schon gesagt, dass es so kommen wird, dass diese Ungleichbehandlung das Gesetz zum Kippen bringen wird. Die GRÜNE-Fraktion hatte einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der eine strenge Regelung vorgesehen hat, und mit dieser wären Sie auch vor dem Bundesverfassungsgericht nicht gescheitert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie in den letzten Wochen verfolgen konnten, sind nicht nur in Bayern viele Menschen der Meinung, dass ein strenger Nichtraucherschutz an der Zeit ist und durchgesetzt werden sollte. Im Übrigen gehören zu diesen Menschen auch viele Raucher und Gaststättenbetreiber; denn das Bild der leeren Kneipen, das Sie von der Koalition gemeinsam mit der Dehoga immer an die Wand malen, hat mit der Realität nichts zu tun. Auch in anderen europäischen Ländern, die längst strengere Regelungen haben als Deutschland, sind die Kneipen nicht leer.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sind schlicht und einfach vor der Lobby der Raucher eingeknickt, und genau das sieht man dem Versuch einer neuen Regelung des Nichtraucherschutzes auch an. Das Gesetz wird durch Ihre Maßnahmen löchrig wie ein Schweizer Käse.
Mitarbeiter(innen) sind überhaupt nicht mehr geschützt, und wie Sie wissen, lässt die Bundesarbeitsstättenverordnung Rauchen an Arbeitsplätzen wie in der Gastronomie eben zu. Natürlich wäre der Bundesgesetzgeber aufgerufen, eine andere Regelung zu ergreifen. Unsere Bundestagsfraktion hat dies in der Vergangenheit auch schon versucht, ist jedoch bisher an der Mehrheit im Parlament gescheitert.
Die Frage ist aber doch: Was sagen Sie nun schwangeren Mitarbeiterinnen, die ihr Kind nicht der Schadstoffbelastung in der Kneipe aussetzen wollen? Bleibt ihnen nur die Kündigung? Und was hat Sie eigentlich geritten, in geschlossenen Gesellschaften das Rauchen zuzulassen? Fragen Sie doch einmal in den Gaststätten nach, welche geschlossenen Gesellschaften sich das Jahr über anmelden. Das ist in der Mehrzahl eben nicht der Feuerwehrverein, und es sind auch nicht der Faschingsklub oder die Betriebsfeiern, sondern in der Mehrzahl sind das Familienfeiern, Geburtstag der Oma, Goldene Hochzeit usw. usf.
Sie nehmen den Schutz unserer Kinder überhaupt nicht ernst, wenn Sie solche Ausnahmeregelungen ins Gesetz schreiben. Ohne Not, liebe Kolleginnen und Kollegen – ohne Not! – schreiben Sie hinein, dass in geschlossenen Gesellschaften geraucht werden darf. Schlimm genug, dass dies Erwachsene immer noch – hier stimmt das Bild, das die Kollegin gezeichnet hat, eben nicht – im Beisein von Kindern tun. Sie unterstützen das de facto auch noch durch solche Ausnahmen.
Im Übrigen sind hinterher in diesen Raucherräumen auch wieder Nichtraucher zu Gast; und wenn wir wissen, wie sich die Schadstoffbelastung zusammensetzt, dann wissen wir auch, dass die Schadstoffe in den Räumen noch lange in Gardinen, Möbeln usw. vorhanden sind und Sie das auch nicht durch Lüften beseitigen können.
Dann kommt noch das i-Tüpfelchen: die Berufsschulen. Es gibt ein Rechtsgutachten, das die CDU-Fraktion in Auftrag gegeben hat, und in diesem steht eindeutig: Wenn Sie Ausnahmen für die Berufsschulen zulassen, dann gilt das in gleicherweise für die Gymnasien, denn auch dort gibt es Schülerinnen und Schüler, die über 18 Jahre alt sind. Sie nehmen hier schon wieder ohne Not eine Ungleichbehandlung vor, die Ihnen vordem Verfassungsgericht schlicht und einfach auf die Füße fallen wird. Und was haben wir dann? Dann haben wir eine „unendliche Geschichte des Nichtraucherschutzes“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf kann ich gern verzichten.
Im Übrigen wird eine Novellierung auch schon deshalb wieder anstehen, weil die Kommission der EU eine Empfehlung des Rates über rauchfreie Zonen vorbereitet. Der Entwurf stammt vom 30.06.2009, und dann wird sich auch Sachsen bewegen müssen und die EU-Forderung hier ebenfalls umsetzen müssen. Alle Abgeordneten haben in Vorbereitung auf diese Debatte Briefe von den Fachstellen für Suchtprävention, vom Kinderschutzbund, von der Sächsischen Landesstelle gegen Suchtgefahren und der Sächsischen Landesärztekammer bekommen, in denen sie noch einmal ausdrücklich aufgefordert wurden, die Löcher im Nichtraucherschutzgesetz nicht zuzulassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie hätten gut daran getan, die Meinung der Fachleute ernst zu nehmen, und nicht eine Novellierung vorzulegen, die dem Gesetzesziel nicht mehr gerecht wird.
Zum Schluss: Es gibt eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Astrid Günther-Schmidt aus der letzten Legislatur, betreffend Rauchen an Berufsschulen. Darauf antwortete Herr Prof. Dr. Roland Wöller: „Die Staatsregierung beabsichtigt, weder das Rauchverbot an Schulen aufzuheben, noch Nikotin oder andere Suchtmittel an Schulen freizugeben.“