Herrmann: Dass der Staat Kindern von gut Verdienenden unterm Strich mehr zahlt als Kindern aus armen Familien, ist eine durch nichts zu rechtfertigende Ungerechtigkeit

Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Frage, die hier zentral im Mittelpunkt steht, ist, ob alle Kinder das gleiche Recht auf Förderung und Unterstützung haben, und zwar vollkommen unabhängig davon, in welcher Situation sich ihre Eltern befinden. Das ist die Frage, um die es hier mit diesem Antrag geht.
Natürlich weiß ich, woraus sich das Kindergeld ableiten lässt. Aber das heißt noch lange nicht, dass die sich daraus ergebenden Ungerechtigkeiten gerechtfertigt sind.
Lassen Sie mich gleich an dieser Stelle sagen: Unsere Fraktion unterstützt den Antrag der Linksfraktion. Eine Kindergelderhöhung ist wichtig. Wenn wir uns die Kostensteigerungen in verschiedenen Bereichen in den letzten Jähren anschauen, ist sie auch notwendig.
Wir hatten – auch darauf sind Sie eingegangen – in der letzten Legislatur über die Erhöhung bzw. über den eigenen Ansatz für Kinder der Hartz-IV-Regelsatzempfänger diskutiert. Wir waren uns einig, dass dies notwendig ist. Wir hatten uns als Landtag damit auch an den Bundesrat gewandt.
Deshalb, Herr Krauß, ist es doch merkwürdig, dass eine Neuberechnung der Regelsätze für Kinder Jahre auf sich warten lässt, während eine Kindergelderhöhung mal schnell im Koalitionsvertrag steht und umgesetzt wird. Leider haben von dieser Erhöhung die Familien, die uns so am Herzen liegen, überhaupt nichts.
Liebe Kollegin Schütz, es ist keine Klientelpolitik, weil das Signal, das von diesem Antrag ausgeht, nicht heißt: Wir tun etwas, für Hartz-IV-Empfänger, sondern das Signal heißt: Alle Kinder sind uns gleich viel wert, egal, aus welcher Familie sie kommen.
Der neuerliche Vorstoß, mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Familien durch Zahlung von Kindergeld zu unterstützen, verkehrt sich unter diesem Gesichtspunkt ins genaue Gegenteil. Das Signal, das davon kommt, lautet: Kinder, die in Familien leben, die Steuern bezahlen, sind uns mehr wert als die anderen.
Wenn wir uns die Situation ansehen, dann haben Sie hier erzählt, wo Familien entlastet werden. Schauen Sie doch einmal hin. Wir haben vorhin über Bildung diskutiert und über die Möglichkeit, in der Kita, aber auch in der Familie Kindern Bildung zugänglich zu machen.
Jede Fahrt zur Musikschule, jede Fahrt zur Frühförderung, auch jede Fahrt zur Vorsorgeuntersuchung beim Arzt ist teurer geworden, weil die Fahrtkosten in den letzten Jahren gestiegen sind. Was aber in dem Hartz-IV-Regelsatz für Fahrtkosten drin ist, ist nicht in gleicher Weise gestiegen. Allein um Kindern Bildungszugänge zu schaffen, müssen Eltern viel mehr einsetzen. Da ist eine Anhebung längst mehr als gerechtfertigt. Wenn es über eine Kindergelderhöhung passiert, dann sollten auch alle Familien davon profitieren. Dass der Staat Kindern von gut Verdienenden unterm Strich mehr zahlt als Kindern aus armen Familien, ist eine durch nichts zu rechtfertigende Ungerechtigkeit. Darüber hinaus stellt es einen Verstoß gegen das im Artikel 2 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention normierte Diskriminierungsverbot dar.