Karl-Heinz Gerstenberg: Verbesserung der Barrierefreiheit bei Informationsangeboten in Sachsen ist besonders wichtige Aufgabe

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Gerstenberg zum Antrag "Weiterentwicklung der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB)", 55. Sitzung des Sächsischen Landtages, 9. Mai 2012, (Drs 5/8651)

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir GRÜNE begrüßen es, wenn die DZB bei der notwendigen Weiterentwicklung und strategischen Planung unterstützt werden soll. Das dafür geforderte Konzept, das auf aktuellen Daten und einer Prüfung von Optimierungsmöglichkeiten beruhen soll, halten auch wir für vernünftig.

Im Antrag werden relevante Punkte aufgeführt, zu denen eine Berichterstattung gefordert wird. So wäre es in der Tat wichtig, zu erfahren, auf welchen Wegen sich neue Nutzergruppen erschließen lassen. Es geht hier ja auch um Menschen, die erst im Alter an Sehvermögen verlieren und häufig in Pflegeheimen leben. Diese zu erreichen, ist nicht einfach.

Es steht auch die Frage, wie die Kooperation mit den öffentlichen und den wissenschaftlichen Bibliotheken ausgebaut werden kann. Wie können also die Kompetenzen der DZB noch besser im Bibliotheksnetz mitgenutzt werden? Wie kann andererseits die DZB von den Kundenkontakten der anderen Bibliotheken profitieren? Auch das Netzwerk mit anderen Partnern, mit den Schulen, den Schulbuchverlagen und öffentlichen Einrichtungen, sollte auf weitere Potenziale hin untersucht werden.

Die Verbesserung der Barrierefreiheit bei den Informationsangeboten in Sachsen ist eine besonders wichtige Aufgabe. Erlauben Sie mir hier eine Randbemerkung, denn sie passt direkt zum Thema. Blinde und Sehbehinderte haben große Probleme, wenn sie Drucksachen des Sächsischen Landtags abrufen wollen: Das sind eingescannte pdf-Dateien, die für sie überhaupt nicht lesbar sind. Fangen wir doch bei uns selbst an und sorgen gemeinsam dafür, dass in unserem Hause eine Verbesserung in puncto Barrierefreiheit nicht weiter auf die lange Bank geschoben wird.

Die zentrale Herausforderung für die DZB besteht darin, mit neuer Technik blinden und sehbehinderten Menschen einen Zugang zur digitalen Wissenswelt zu ermöglichen. Neben den bewährten Angeboten, den Büchern in Brailleschrift und den Hörangeboten im DAISY-Format, müssen neue Standards entwickelt werden. Zum Beispiel sollen Texte auf gängigen Tablet-PCs und Smartphones über eine Braillezeile lesbar sein. Dazu gehören entsprechende Streaming- und Downloadangebote und außerdem neue Modelle im Umgang mit urheberrechtlichen Rahmenbedingungen, denn momentan würden mit diesen Angeboten auch deutlich höhere Kosten entstehen. Die DZB hat in diesem Bereich eine enorme Entwicklungsarbeit zu leisten. Spätestens hier wird aber auch über Geld diskutiert werden müssen. Darüber, ob das mit dem bestehenden Etat bewältigt werden kann – der Zuschuss des Freistaates beträgt seit 2009 3,3 Millionen Euro – oder ob Investitionen ermöglicht werden müssen.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage eine Rolle, wie groß der Anteil der Leistungen ist, den die DZB über Sachsen hinaus erbringt. Wenn ein erheblicher Teil der Nutzerinnen und Nutzer aus anderen Bundesländern kommt, dann müssen wir überlegen, wie die anderen Länder oder der Bund stärker an der Finanzierung beteiligt werden können. Bislang gibt es das nur in begrenztem Umfang bei einzelnen Projekten mit Bundesministerien.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir verstehen den Antrag als eine Unterstützung der DZB und eine Bestätigung ihrer bedeutenden Leistungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Wir können ihm grundsätzlich zustimmen.

An einem Punkt bin ich allerdings skeptisch. Dass man mögliche Verbesserungen bei der Organisations- und Rechtsform auslotet, ist richtig. Aber wir sollten nicht schon wieder Rechtsformumwandlungen ins Spiel bringen, ohne dass tatsächliche Vorteile benannt werden können.

Auch im Fall der DZB sind wir GRÜNE der Auffassung, dass zunächst alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollten, um in der bestehenden Rechtsform unternehmerisch flexibel arbeiten zu können. Diese Möglichkeiten wurden auch bereits bei der Umwandlung der DZB in einen Staatsbetrieb betont. Ich zitiere als Kronzeugen den damaligen Staatsminister Dr. Matthias Rößler: “Dies schafft der Bücherei die notwendige Unabhängigkeit und Flexibilität für eine auf Eigenverantwortung orientierte Führung, gewährleistet andererseits jedoch auch die Umsetzung der staatlichen Fürsorgepflicht."

Wir GRÜNE wollen den Prozess konstruktiv begleiten. Wir halten es daher für erforderlich, dass das Konzept der DZB nicht nur hinter den verschlossenen Türen des Ministeriums bewertet wird, sondern aus ihm ein Handlungskonzept der Staatsregierung folgt und der Landtag in Kenntnis gesetzt wird. Zu vernünftigen Ergebnissen werden wir darüber hinaus nur kommen, wenn der Prozess der Konzeptentwicklung von Anfang an fachlich begleitet wird und die Fachverbände einbezogen werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
die DZB ist die einzige Einrichtung dieser Art in den ostdeutschen Ländern und überragt mit ihren umfassenden und leistungsstarken Angeboten andere Einrichtungen in Deutschland. Sie ist ein Vorzeigeprojekt, und sie ist es wert, dass wir uns für ihre Weiterentwicklung einsetzen.