Karl-Heinz Gerstenberg: Wer die Lücke zwischen Kulturförderung und Wirtschaftsförderung nicht sieht, der schaut ganz offensichtlich bewusst weg

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Karl-Heinz Gerstenberg zum Antrag "Kultur- und Kreativwirtschaft – Förderung einer wachstumsstarken Branche" (Drs. 5/8771), 55. Sitzung des Sächsischen Landtages, 9. Mai 2012, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

in den letzten Jahren hat sich in Sachsen durchaus etwas bewegt beim Thema Kultur- und Kreativwirtschaft. Das gilt für die vielen Kulturschaffenden und Kreativen, die eigene Interessenvertretungen aufbauen und die Rahmenbedingungen für das kreative Arbeiten mitgestalten wollen. Seit 2010 gibt es den Verein „Kreatives Leipzig“, der Netzwerkbildung betreibt und die Positionen der Branchen sortiert und vermittelt. In Dresden hat sich im Februar der Branchenverband „Wir gestalten Dresden“ auf den Weg gemacht. Vernetzung findet auch zunehmend städteübergreifend statt, zum Beispiel in der Musikbranche über die IG Live-Musik Sachsen und im Projekt „Flying Music Circus“. Eine sachsenweite und branchenübergreifende Interessenvertretung wäre ein wichtiger nächster Schritt, den die Akteure gehen sollten.

In der Stadtverwaltung in Leipzig und nun auch in Dresden ist das Thema angekommen. Hier ist man mit der Szene im Gespräch und es werden gemeinsame Lösungen gesucht. Hier entwickelt sich das Verständnis, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft anders tickt als etwa die Automobilindustrie oder der Maschinenbau. Die Situation hat auf dieser Seite eine neue Qualität erreicht!

Ganz anders die Entwicklung beim Freistaat. Hier dreht sich kaum ein Rad. Die Unterstützung der Kultur- und Kreativmärkte bleibt absolut marginal. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sachsen sieht im Vergleich zu anderen Bundesländern bei der Begleitung und Förderung der Kultur- und Kreativmärkte sehr, sehr blass aus. Das Wirtschaftsministerium verharrt weiter in Starre. Warum eigentlich? Läuft bei uns etwa alles bestens, wie in den Antworten der Staatsregierung auf die Anträge zum Thema immer wieder auf hanebüchende Weise vermittelt werden soll? Wohl kaum! Die Statements der Sachverständigen in der Anhörung im letzten Jahr ergeben ein völlig anderes Bild. Wir haben im Landtag schon oft über die Punkte debattiert, bei denen etwas passieren muss. Die will ich deshalb nicht noch einmal aufzählen. Bei den meisten Branchenvertreterinnen und -vertretern löst ein so hohes Maß an Beratungsresistenz nur noch Kopfschütteln aus. Das geht uns genauso!

Ich will es an der Antwort der Staatsregierung auf den Antrag der SPD-Fraktion festmachen: Wer die Lücke zwischen Kulturförderung und Wirtschaftsförderung nicht sieht, der schaut ganz offensichtlich bewusst weg. Herr Staatsminister Morlok, ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal: Bei der Kunst- und Kulturförderung werden wirtschaftliche Interessen bislang konsequent ausgeschlossen. Diese Töpfe, wie viele Millionen auch darin stecken mögen, sind für die meisten Kreativwirtschaftler nicht zugänglich. Die Förderprogramme des SMWA andererseits stehen nur scheinbar allen Branchen offen. Sie sind auf den Mittelstand ausgerichtet und gehen am Bedarf der Kreativen, die häufig als Freiberufler oder Ein-Personengesellschaften tätig sind, nun wirklich völlig vorbei. Weder sind die Formulare für Kreativwirtschaftler handhabbar noch die hohen Mindestfördersummen machbar. Herr Morlok, wenn sie diese Hürden für angemessen halten, dann grenzen sie Kreative vorsätzlich aus. Dann stellt sich auch die Frage: Sind sie eigentlich Wirtschaftsminister oder sind sie ein „Minister für ausgewählte Branchen“, nämlich die im Sichtfeld der FDP?

Einige wenige sinnvolle Maßnahmen werden ja vom SMWA mitfinanziert. Die hängen Sie allerdings nicht an die große Glocke. Beispielsweise im letzten Jahr die Veranstaltung zum Crouwdfunding in Leipzig. Auch bei den „Designers Open“ und beim Projekt „Flying Music Circus“ sind Sie dabei. Aber soll das wirklich das Ende der Fahnenstange sein?

Eine Fortschreibung des Kulturwirtschaftsberichtes befinden Sie auch nicht für notwendig. Beim Stichwort „qualitativ“ schreiben Sie vom Kulturraumgesetz und der Tourismusförderung. Dabei müssten Sie sich anschauen, wie Wertschöpfungsketten der Kultur- und Kreativwirtschaft funktionieren, wie Kooperationen und die Präsentation von Kreativleistungen effektiv gefördert werden können. Und wie sollen die regionalen Berichte eine Gesamtstrategie für den Freistaat vorzeichnen, die Sie doch dringend entwickeln müssten?

Herr Morlok, Sie führen an, dass Hinweise der Akteure zur Beratung und Förderung hilfreich wären. Das muss für die Akteure wie der blanke Hohn klingen. Es gibt genügend Diskussionsergebnisse und gesprächsbereite Partner. Dass zu diesen Fragen niemand Auskunft geben will, nehmen wir Ihnen nicht ab. Da haben wir vollkommen andere Erfahrungen gemacht auf unseren Veranstaltungen mit der Kultur- und Kreativszene in Leipzig und Dresden.

Im SMWK wird das Thema offensichtlich etwas anders gesehen. Hier gibt es auch Aktivitäten im Filmbereich. Aber ohne den Willen des federführenden SMWA und ohne eine regelmäßige Zusammenarbeit im gemeinsamen Arbeitskreis wird sich nichts bewegen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Hoffnung stirbt zuletzt. Daher möchte ich auf die bevorstehende Impulskonferenz des Kompetenzzentrums Kultur- & Kreativwirtschaft des Bundes am 7. Juni in Dresden hinweisen und die Staatsregierung eindringlich bitten: Ergreifen Sie die Chance, lassen sie sich beraten, nehmen Sie Erfahrungen ihrer Kollegen aus anderen Bundesländern auf! Thüringen ist ja beispielsweise gerade dabei eine Landesagentur für Kultur- und Kreativwirtschaft aufzubauen. Kurz gesagt: Handeln sie endlich!

Geeignete Wege wurden im Landtag mehrfach aufgezeigt, nicht zuletzt durch unsere Initiative vor einem Jahr. Das macht auch der vorliegende Antrag der SPD und deshalb werden wir ihm zustimmen.