Karl-Heinz Gerstenberg zur GRÜNEN Forderung einen Systemwechsel bei der Rundfunkfinanzierung zu unterstützen

Der Systemwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zum geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag ist notwendig und richtig
Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zum GRÜNEN-Antrag „Neues Finanzierungsmodell für öffentlich rechtlichen Rundfunk einführen – Datensparsames, unbürokratisches und gerechtes Verfahren durchsetzen“ in der 24. Sitzung des Sächsischen Landtages, 04.11., TOP 9
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir alle haben hier oft die unbefriedigende Situation beklagt, dass der Landtag erst dann zu Staatsverträgen beraten kann, wenn sie bereits unterzeichnet sind. Unsere Fraktion will mit dem vorliegenden Antrag die Gelegenheit zu einer Meinungsbildung vorab geben, denn der aktuell zwischen den Ministerpräsidenten verhandelte 15. Rundfunkänderungs-Staatsvertrag ist von besonderer Bedeutung. Mit ihm soll das Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf einen allgemeinen Rundfunkbeitrag umgestellt werden.
Es freut mich sehr, dass die Ministerpräsidenten damit einen Weg einschlagen, der von uns GRÜNEN schon seit Jahren vorgezeichnet wurde. Ich möchte es deshalb eingangs noch einmal ganz deutlich sagen: Der Systemwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zum geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag ist notwendig und richtig. Er führt zu einer wesentlichen Vereinfachung und kann zumindest prinzipiell den Verwaltungs- und Kontrollaufwand vermindern.
Das bisherige Durcheinander, wann welches Gerät angemeldet werden muss und wie viel es jeweils kostet, muss endlich aufgelöst werden. Gerade hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Gebührenpflicht für internetfähige PCs bestätigt. Doch viele Unklarheiten bleiben.
Nur ein Beispiel: Was ist mit einem PC, den man mit Hilfe eines DVB-T-Sticks als Fernseher benutzt, der also gar nicht internetfähig sein muss? Zahlt man dann die Gebühr für einen Fernseher oder nur die geringere PC-Gebühr?
Mit der geräteabhängigen Gebühr würden immer neue Fragen auftauchen. Das neue Beitragsmodell ist dagegen zukunftssicher, weil es eben nicht bei jeder technischen Neuerung der Empfangsgeräte nachgeregelt werden muss. Die Einführung eines übersichtlichen und einheitlichen Betrages kann zudem die Akzeptanz der Zuschauerinnen und Zuschauer erhöhen.
Dieses Akzeptanzproblem ergibt sich derzeit vor allem auch aus den ausufernden Schnüffelmethoden der GEZ beim Gebühreneinzug. Wenn nun das Programmangebot und nicht mehr dessen tatsächliche Nutzung den Abgabentatbestand darstellt, muss die GEZ auch nicht mehr vor Ort kontrollieren, welche Geräte jemand besitzt. Das heißt aber zugleich, dass prinzipiell alle zahlen, auch wenn sie im Einzelfall keine Rundfunkgeräte besitzen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein unverzichtbares, öffentliches Gut und leistet einen elementaren, gesamtgesellschaftlichen Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung. Es ist daher aus unserer Sicht gerechtfertigt, dass alle Bürgerinnen und Bürger, denen es finanziell möglich ist, dazu einen Beitrag leisten. Dies wurde im Kirchhoff-Gutachten überzeugend rechtlich begründet.
Diese Überzeugung verbreitet sich aber nicht im Selbstlauf, dafür müssen sowohl wir als auch die Anstalten bei den Bürgerinnen und Bürgern werben. Es gilt zu vermitteln, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ein Gut von hohem Wert ist.
Wie viel dieses Gut uns wert ist, das wird immer wieder neu diskutiert werden. Aktuell wird in der AG Beitragsstabilität der Rundfunkkommission auf Initiative Sachsens und unter Leitung von Staatsminister Beermann nach Wegen gesucht, den Programmauftrag der Rundfunkanstalten zu beschneiden. Das dürfte als unzulässiger politischer Eingriff in die Rundfunkfreiheit allerdings kaum von Erfolg gekrönt sein.
Herr Beermann, sie wissen hoffentlich selbst, auf welch dünnem verfassungsrechtlichem Eis sie sich hier bewegen! Abgesehen davon: Der Versuch, jetzt schon im Vorfeld den Beitrag begrenzen zu wollen, entbehrt jeder Grundlage, weil bisher niemand zuverlässig sagen kann, wie hoch das Beitragsaufkommen nach dem Systemwechsel sein wird. Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Den Beitrag auf lange Frist zu deckeln, würde den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach und nach abschaffen.
Selbstverständlich sind die Anstalten wie bisher aufgerufen, intensiv nach Einsparmöglichkeiten zu suchen. Außer Frage steht für uns jedoch andererseits, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio eine angemessene Finanzierung erhalten müssen, die wie bisher unter dem Gebot der Staatsferne durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs festgelegt wird. Jetzt bei der Umstellung ist es richtig, dass der Beitrag der privaten Haushalte durch den Systemwechsel selbst nicht über 17,98 Euro steigt. Ich wünsche mir, dass er darunter liegt, denn das könnte die Akzeptanz des neuen Beitrages erheblich verbessern.
Trotz der grundsätzlichen Zustimmung zum Systemwechsel sehen wir einige Regelungen im Entwurf des Staatsvertrages kritisch. Hier muss dringend nachgebessert werden, bevor die Ministerpräsidenten den Staatsvertrag unterzeichnen.
Die Länderparlamente bleiben ja wie gewohnt bei den Erarbeitungsprozessen außen vor, bisher ist der Entwurf des neuen Staatsvertrages uns nicht einmal offiziell zur Unterrichtung zugeleitet worden. Auch die Anhörung durch die Rundfunkreferenten der Länder am 11. Oktober in Berlin fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Unsere Fraktion musste den vorliegenden Antrag einbringen, als die aktuelle Fassung des Entwurfs vom 21. Oktober noch nicht bekannt war. Die formulierten Kritikpunkte gelten jedoch nach wie vor.
Die größte Baustelle besteht beim Datenschutz. Unsere Fraktion teilt die Ansicht der Datenschutzbeauftragten der Länder, dass die Bestimmungen des Entwurfs massiv die Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger verletzen.
Es ist verständlich und eine Frage der Beitragsgerechtigkeit, wenn die Rundfunkanstalten verhindern wollen, dass sich Schwarzseherinnen und Schwarzseher der Beteiligung an der Finanzierung entziehen. Deshalb kann man aber nicht alle Bürgerinnen und Bürger mit völlig unverhältnismäßigen Maßnahmen der Datenerhebung und -speicherung konfrontieren. Die berechtigten Bedenken dürfen nicht ignoriert werden. Und deshalb ist auch ein reines Abwehrgutachten im Auftrag der Anstalten wie das von Prof. Bull wenig hilfreich, weil es die Probleme nicht löst.
Auf einige Punkte möchte ich noch einmal hinweisen:
Die GEZ darf nicht mehr Daten als bislang erheben. Keinesfalls darf sie zu einem immer weiter anwachsenden zentralen Melderegister werden. Wenn solche Datensammlungen einmal bestehen, dann sind später auch Begehrlichkeiten von anderen Behörden, zum Beispiel des BKA oder der ARGEn, nicht auszuschließen.
Um den Grundsatz der Datensparsamkeit zu befolgen, dürfen nur absolut notwendige Daten erfasst werden. Gesundheits- und Sozialdaten gehören mit Sicherheit nicht dazu. Diese würden aber in Form der Originalbescheide der Sozialämter häufig an die GEZ mit übermittelt, wenn es um Beitragsbefreiungen geht. Eine Lösung wären hier Drittbescheinigungen.
Viel zu lang und auch nicht notwendig ist eine Speicherungsdauer von 12 Monaten für die übermittelten Daten. Es muss nicht ein Jahr bis zur Feststellung dauern, welche Daten notwendig sind. Alle anderen Daten müssen unverzüglich gelöscht werden. Außerdem ist es nicht zu rechtfertigen, dass die regional organisierten Rundfunkanstalten untereinander Daten austauschen. Damit würde aus der GEZ ein bundesweites Einwohnermeldeamt.
Besonders kritisch sehen wir seit langem die bisher erlaubte und geübte Praxis, dass die GEZ ohne Kenntnis der Betroffenen Daten von allen möglichen anderen öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen erhält. Durch diese Privatisierung von GEZ-Aufgaben steigt das Missbrauchsrisiko enorm. Der versteckten Zusammenarbeit mit Adresshändlern muss Einhalt geboten werden. Wir schlagen deshalb vor, dass Daten ausschließlich von den Meldeämtern bezogen werden dürfen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, der Nachbesserungsbedarf wird deutlich. Zugleich halte ich diese punktuellen Nachbesserungen für machbar. Bei der Rundfunkfinanzierung sollten schlicht und einfach dieselben Datenschutzstandards gelten wie in anderen Bereichen auch.
Für eine bessere Kontrolle der Datenerhebung und -verarbeitung sollten die Rundfunkanstalten deshalb zukünftig eng mit den Datenschutzbeauftragten der Länder zusammenarbeiten. Wenn die GEZ jedoch umfangreich Daten sammeln und Beitragsschuldner kontrollieren oder gar flächendeckend vor Ort recherchieren würde, dann brächte der Systemwechsel keine Entbürokratisierung und schon gar nicht mehr Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das kann nicht in unserem Interesse sein!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
weiteren Überarbeitungsbedarf sehen wir auch bei der Beteiligung der Unternehmen. Wir finden es richtig, dass die Unternehmen nicht aus der Verantwortung entlassen werden, sondern weiterhin im bisherigen Umfang ihren Beitrag zur Rundfunkfinanzierung leisten. Die Form der Bemessung nach der Anzahl der Betriebsstätten und der Beschäftigen ist dabei grundsätzlich sinnvoll. Mit der aktuellen Staffelung werden jedoch kleine Unternehmen im Vergleich zu großen zu stark belastet. Obwohl durch die letzten Änderungen am Entwurf die Ungleichbehandlung etwas entschärft wurde, besteht hier nach wie vor Handlungsbedarf.
Flickschusterei wurde bisher bei der Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge betrieben. Zwar bleibt nach dem letzten Entwurf ein KFZ pro Betriebsstätte befreit, die Regelung verstößt dennoch gegen die Logik des neuen Modells. Dieses Relikt der gerätebezogenen Gebühr erhöht den bürokratischen Aufwand  und sollte gestrichen werden.
Stark diskutiert wird auch die Beitragspflicht von Menschen mit Behinderungen. Wir erwarten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass mehr barrierefreie Angebote bereitgestellt werden. Dann wäre eine Beteiligung von finanziell leistungsfähigen Menschen mit Behinderung mit einem Drittel Beitrag gerechtfertigt, wie es auch der Blinden- und Sehschwachenverband in seiner Stellungnahme ausführt. Deshalb unterstützt unsere Fraktion die entsprechende Protokollerklärung zum Staatsvertragsentwurf. Die Rundfunkanstalten sind jetzt aufgefordert, sich zu positionieren, ob sie einen Teil der Menschen weiterhin ausschließen wollen oder inwieweit sie sich verpflichten, entsprechende Angebote zu realisieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir schlagen Ihnen heute vor, den Systemwechsel bei der Rundfunkfinanzierung zu unterstützen und die Staatsregierung aufzufordern, sich für eine Überarbeitung des Staatsvertragsentwurfes in den von uns genannten Punkten einzusetzen. Das wäre ein wichtiger Beitrag zu einem zukunftstauglichen, aber auch datenschutzkonformen, unbürokratischen und gerechten Finanzierungsmodell. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung.