Michael Weichert: Belebung innerstädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungszentren ist Reaktion auf Abzug von Kaufkraft aus den Innenstädten

Rede des Abgeordneten Michael Weichert, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN in der 57. Sitzung des Sächsischen Landtags, am  13. Juni 2012 zum TOP 5: "Sächsisches Gesetz zur Belebung innersädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungszentren (SächsBIDG“ CDU/FDP Entwurf)

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Belebung innerstädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungszentren ist die Reaktion auf den Abzug von Kaufkraft aus den Innenstädten in Richtung Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Oft können sich Städte nicht dagegen wehren, weil sie außerhalb ihrer Gemarkungsgrenzen keinen Einfluss ausüben können und die Landräte ein entgegengesetztes Interesse verfolgen. Beispielsweise sei hier der Streit um ein Factory Outlet Center in Wiedemar bei Leipzig genannt. Noch schlimmer kommt es, wenn zwischen Oberzentrum und Einkaufzentrum eine Bundeslandgrenze existiert.

Meine Damen und Herren, es geht also um die Wiederbelebung von eigentlich gewachsenen innerstädtischen Infrastrukturen.

Einer der Vorteile der Einkaufszentren ist deren zentrales Centermanagement. Das kümmert sich um den Branchenmix, das Erscheinungsbild, gemeinsame genutzte und dadurch für jeden Einzelnen günstigere Dienstleister beispielsweise im Reinigungs- und Sicherheitssektor oder um ein einheitliches Gesamtmarketing.

BIDs holen Kaufkraft in die Innenstädte zurück. Diese werden wieder attraktiver und Wege werden reduziert, Umwelt und Klima geschont.

Meine Damen und Herren, es spricht also nichts dagegen, wenn sich Innenstadthändler und Dienstleister einer Fußgängerzone zusammenschließen und Vermarktung oder besondere Verkaufsaktivitäten, wie ein Passagenfest, organisieren. Hier sollte die öffentliche Hand nach ihren Möglichkeiten, z.B. mit kulturellen Angeboten oder entsprechender Verkehrslenkung zum Gelingen und Erfolg beitragen.

Wichtig ist mir dabei:

Es sollte freiwillig und ohne Zwang passieren. Deshalb ist auch ein Rahmengesetz nicht nötig.

Eine finanzielle Beteiligung der Immobilien- bzw. Grundstückseigentümer halte ich außerdem nicht für zielführend.

Schauen wir uns in unseren sächsischen Mittelstädten um, so sehen wir, dass viele Eigentümer noch nicht einmal ihren Sicherungspflichten nachkommen können oder wollen! Wie sollen die denn am vorgelegten BID beteiligt werden?
In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass die Eigentümer von Wohn- und Gewerbeimmobilien insbesondere durch die Entrichtung der Grund- und Grunderwerbsteuer bereits erheblich belastet sind.

Meine Damen und Herren, sicher freuen sich die Händler, wenn sich ihre Eigentümer finanziell an der Belebung ihrer Geschäftsstraße beteiligen. Aber ob das messbare Auswirkungen auf den Immobilien- oder Grundstückswert hat, bleibt fraglich. Dazu wären ganz andere Aufwendungen notwendig.

Wenn man also ein Stadtgebiet wirklich entwickeln will, braucht es sehr viel mehr Geld, als hier durch die BID-Beiträge erreicht werden kann. Die Eigentümer und den Einzelhandel kann man nur sehr begrenzt belasten, vor allem in Klein- und Mittelstädte.

Am Ende wird in einem schlecht finanzierten BID in erster Linie die Verwaltung desselben finanziert. Es besteht also die Gefahr, dass für konkrete Maßnahmen aus o.g. Gründen zu wenig Geld bereitsteht.

Die Finanzierung einer Weihnachtsbeleuchtung in einer Fußgängerzone wird dem Anspruch eines BID, nämlich der Konkurrenz auf der grünen Wiese innerstädtische Attraktivität entgegenzusetzen, nicht gerecht.
Außerdem sehe ich die Gefahr, dass einige Kommunen der Versuchung erliegen, ihre eigenen Aufgaben der Stadtentwicklung auf Eigentümer und Einzelhandel abzuwälzen.

Meine Damen und Herren, Kooperation kann man nicht gesetzlich verordnen. Solange sie auf Freiwilligkeit beruht, sage ich:

„Bitte ein BID!“

Aber bitte nicht per Gesetz!

Unternehmer und Eigentümer, die sich nicht beteiligen wollen, dürfen nicht gezwungen werden. Besser als ein Gesetz wäre eine Förderrichtlinie, nach der man freiwillige Zusammenschlüsse bezuschussen kann.

Deshalb werden wir uns enthalten.