Michael Weichert: Koalitionsantrag zum Ende der Vorverlagerung der Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmen ist nur Show

Rede des Abgeordneten Michael Weichert zum Antrag "Bürokratie abbauen und Liquidität für Handwerker sichern – Vorverlagerung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge rückgängig machen " (Drs. 5/10651), 67. Sitzung des Sächsischen Landtages, 13. Dezember 2012, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Vorziehung des Fälligkeitstages der Sozialversicherungsbeiträge diente insbesondere der Liquiditätsverbesserung der Deutschen Rentenversicherung und sollte im Jahr 2006 dazu beitragen, dass der Beitrag zur Rentenversicherung nicht weiter angehoben werden muss, indem bei den Einzugsstellen 13 Monatsbeiträge eingingen. Auch die anderen Sozialversicherungsträger erzielten durch diesen einmaligen Vorziehungseffekt einen Liquiditätsvorteil.

Die Alternative zum Ausgleich der konjunkturbedingten Mindereinnahmen der Sozialversicherungen, insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung, wäre eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0,5 Prozentpunkte gewesen. Wir wissen, was das bedeutet hätte:
1. einen Anstieg der Arbeitskosten und einen gewissen Kaufkraftentzug,
2. überdies fiskalische Effekte von mehr als 2 Milliarden Euro. Jede Steigerung des Beitragssatzes in der Sozialversicherung ergibt einen zusätzlichen fiskalischen Effekt, weil die Unternehmen die Sozialversicherungsabgaben als Betriebsausgaben absetzen können. Dadurch sinken die Steuereinnahmen. Im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung muss der Bundeszuschuss automatisch ansteigen, weil das entsprechend festgelegt ist.

Die damals alternativlose Entscheidung zum Ausgleich der Mindereinnahmen in der Sozialversicherung hat jedoch eine Kehrseite. Je nachdem, wie gut sich das Geschäft bis zum Monatsende entwickelt hat, sind Nachzahlungen fällig oder werden Überschüsse verrechnet. Viel schmerzhafter als das Hin und Her trifft viele kleine Betriebe aber die frühe Vorauszahlung an sich. Sie müssen für Arbeiten zahlen, die noch gar nicht erbracht worden sind und für die sie vom Kunden noch gar kein Geld bekommen haben. Das nagt am Eigenkapital oder muss teuer mit dem Kontokorrentkredit zwischenfinanziert werden.

Außerdem ist der bürokratische Aufwand für die Unternehmen enorm. Für viele Betriebe ist seither eine Doppelabrechnung erforderlich, um die zunächst zu schätzenden Sozialversicherungsbeiträge nach dem Fälligkeitstag zu korrigieren. Besonders betroffen sind hiervon Betriebe mit Schichtzuschlägen, Überstunden und anderen, monatlich variablen Entgeltanteilen.

Später wurde die Möglichkeit geschaffen, dass die Arbeitgeber mit schwankenden Arbeitsentgelten die vorläufige Beitragsschuld pauschal anhand des Vormonats entrichten können. Dank des pauschalierten Verfahrens kann daher die Entgeltabrechnung insgesamt auf einen Termin im Folgemonat konzentriert werden. Es bleibt aber die Frage, warum man weiter an dieser Regelung insgesamt festhalten solle?

Die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat der Sozialversicherung im vergangenen Jahr einen kräftigen Überschuss von 13,8 Milliarden Euro beschert. Das waren 10,9 Milliarden mehr als 2010, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Es ist also der richtige Zeitpunkt gekommen, um die Betriebe von dem entstandenen bürokratischen Mehraufwand und dem dauerhaften Liquiditätsentzug durch eine Rückkehr zu der früheren gesetzlichen Regelung zu entlasten. Danach war der Gesamtsozialversicherungsbeitrag bis zum 15. des Folgemonats zu entrichten. Die Sozialversicherungsträger verlieren dadurch keine Beitragseinnahmen, sondern erhalten diese – wie bis zum Jahre 2005 üblich – erst dann, wenn auch der Arbeitnehmer seinen Lohn erhalten hat.

Meine Damen und Herren, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben bereits vor der letzten Bundestagswahl eine Rücknahme der Regelung gefordert, doch die schwarz-gelbe Bundesregierung will offensichtlich nichts ändern. Da wird es wenig helfen, hier einen Schaufensterantrag zu stellen. Der ist als Weihnachtsgeschenk an das sächsische Handwerk gedacht – aber ob man sich dort darüber freut? Das ist doch so, als würden Sie Ihren Kindern oder Enkeln ein leeres Überraschungsei schenken und ihnen erklären, darin sei eine Extraportion Spannung, Spiel und Schokolade.

Inhaltlich ist die Forderung richtig. Deshalb stimmen wir dem Antrag zu. Wenn Sie damit in Berlin vorstellig werden, können Sie dann damit werben, dass sie die Unterstützung der sächsischen GRÜNEN im Gepäck haben.
Vielen Dank!

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