Michael Weichert: Technologieoffenheit des Programms ‚Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation‘ ist gut, doch gepaart mit Ziellosigkeit führt es zu nichts

Redebausteine des Abgeordneten Michael Weichert zur Aktuellen Debatte von CDU/FDP-Fraktion "Sächsische Wissenschaftslandschaft stärken – Chancen des Bundesprogramms ‚Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation‘ für den Freistaat nutzen", 62. Sitzung des Sächsischen Landtages, 26. September 2012, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Herr Präsident!
Meine Damen und Herren Kollegen!

Nachdem die Themen Wirtschaftsförderung, Innovation, Forschung und Entwicklung sowie Technologietransfer durch uns GRÜNE und die SPD-Fraktion in den letzten Monaten mehrfach Gegenstand der parlamentarischen Auseinandersetzung waren, haben CDU und FDP mit dem Bundesprogramm ‚Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation‘ endlich auch einen Anlass, was zum Thema zu sagen.

Erwartungsgemäß wurde daraus eine Feierstunde und man fragt sich, warum das Thema überhaupt wiedergekäut wird, wenn in Sachsen alles in Ordnung ist. Laut einer Pressemitteilung aus dem Wirtschaftsministerium vom 9.8.2012 sind Sachsens Unternehmen überdurchschnittliche innovationsfähig. Sollten die 500 Millionen Euro des Bundes dann nicht lieber in Bundesländern ausgegeben werden, deren Unternehmen unterdurchschnittlich innovativ sind? Wie passen in diesem Zusammenhang die Äußerungen des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Kretschmer? Er sprach bei der Vorstellung des neuen Programms von Defiziten der wirtschaftlichen Innovationsfähigkeit in den östlichen Bundesländern.

Was mir, z.B. in der Arbeit der Enquetekommission "Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen" auf- und missfällt ist, dass die Schwächen bzw. Herausforderungen in den Bereichen Technologietransfer sowie Forschung und Entwicklung seit Jahren allen bekannt sind, sie sich allein durch Wiederholen oder Negieren aber nicht in Luft auflösen. Um die Innovationsfähigkeit sächsischer Unternehmen zu stärken, brauchen wir klare Ziele und einen darauf abgestimmten Maßnahmenkatalog, an dem sich die (Förder-)Politik des Freistaates orientiert. Was wir bisher zustande gebracht haben, sind einige Prüfaufträge nach dem Motto: "Die Staatsregierung wird ersucht, einmal darüber nachzudenken ob…".

Das reicht bei Weitem nicht aus. Besonders, weil wir seitens der Ministerialbürokratie gerade in den sensiblen Bereichen Technologietransfer und F&E mit Verantwortlichen zu tun haben, die der Meinung sind, die "Weisheit mit Löffeln gefressen" zu haben und demzufolge sich wenig darum scheren, was wir hier im Parlament dazu zu sagen haben.

Nun hat die Bundesregierung ein 500 Millionen Euro umfassendes Förderprogramm für die Neuen Bundesländer auf den Weg gebracht. Der Begleittext suggeriert, dass es sich dabei um die "eierlegende Wollmilchsau" handelt. Da ist die Rede von "überregionalen und interdisziplinären Kooperationen", der Überwindung der "Grenzen von Technologien, wissenschaftlichen Disziplinen, Branchen, Märkten und Organisationskulturen" und "neuen Formen der Vernetzung, über offene, transparente und reflexive Prozesse des Netzwerkmanagements". Bei der Projektumsetzung sollen neuartige Innovationsstrukturen entstehen. Wenn sich diese ganzen Superlative mit 500 Millionen Euro tatsächlich herbeifördern lassen, werde ich meinen Hut vor unserer geschätzten Bundesregierung ziehen.

Doch ich habe Zweifel, ob das Programm ‚Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation‘ die Innovationsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft tatsächlich nachhaltig ankurbeln kann. Doch der Reihe nach: Zunächst liest sich die zum Programm gehörende Richtlinie wie ein Eingeständnis in das Scheitern des Bundesprogramms "Unternehmen Region", das seine Wirksamkeit nicht entfalten konnte, weil die Förderung zu eng regional begrenzt wurde. Um einen solchen Fehler zu vermeiden, hat die Bundesregierung nun ganz darauf verzichtet, Vorgaben hinsichtlich der Fördergegenstände zu machen. Es sollen "Antworten für bedeutsame Zukunftsprobleme" gefunden werden.

Weiter heißt es: "Besondere Aufmerksamkeit ist dem anspruchsvollen prozessualen Charakter aller inhaltlichen und organisatorischen Elemente der Projektentwicklung und –umsetzung zu widmen". Übersetzt bedeutet das doch nichts anderes als aufgeblähte, verkomplizierte Projektstrukturen und damit einhergehende Bürokratie, wie wir sie gerade nicht haben wollen. Ganz klar ist: Je weniger ich weiß, was ich eigentlich erreichen will, desto schwieriger wird es, den Erfolg der Förderung nachzuweisen.

Grundsätzlich unterstützen wir GRÜNEN die Technologieoffenheit des Programms. Doch diese, gepaart mit Ziellosigkeit führt zu nichts. Warum nutzen CDU und FDP nicht die Chancen des Programms zur Umsetzung der Energiewende? Warum werden bspw. als Ziele nicht Energie- und Materialeffizienz anhand entsprechender Kriterien festgelegt? Warum werden die "bedeutsamen Zukunftsprobleme" nicht beim Namen genannt? Wer soll entscheiden, ob es sich bei den einzelnen Förderanträgen um die Lösung dieser Zukunftsprobleme geht?

Zum Schluss noch ein paar Worte aus dem Blickwinkel der Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Für die wird mal wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben: Erst gab es die Exzellenzinitiative, dann eine Landesexzellenzinitiative, jetzt das neue Programm. Und alle wollen sie dasselbe: Hochschulen, die vernetzt mit ihrem Umfeld, am besten auch gleich international, gute Forschung betreiben. Gleichzeitig sollen sie dafür sorgen, dass die Forschungsergebnisse bei den Unternehmen ankommen (was natürlich widersprüchlich ist, wenn ich parallel dazu sage, sie sollen sich immer mehr um Drittmittel kümmern – die Ergebnisse von dieser Auftragsforschung kommen dann aber eben auch nur der einen Firma zugute).

Schon jetzt kommen die Hochschulen aus dem Anträge schreiben nicht mehr raus. Schließlich gibt es noch andere Forschungsförderungen, wie DFG-Mittel oder EU-Mittel. Mein Traum wäre es, all diese einzelnen Forschungsförderungsprogramme mit gleichen oder ähnlichen Stoßrichtungen an einer zentralen Stelle zu bündeln und die Vergabekriterien zu vereinheitlichen. Das würde einiges erleichtern und überschaubarer machen, nicht zuletzt das Antragsverfahren. Von meinem anderen Traum, die Hochschulen ordentlich auszufinanzieren, so dass sie gar nicht auf Drittmittel in dieser Höhe angewiesen sind und Grundlagenforschung wieder so wichtig wird wie Auftragsforschung, möchte ich hier gar nicht erst anfangen.

Vielen Dank.
 
Hintergrund:
Antrag "Verbundinitiativen als Instrument aktiver Wirtschaftspolitik nutzen" (B90/GRÜNE) (Drs. 5/9580)

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