Michael Weichert zum Gaststättenrecht

Es hätte uns gut zu Gesicht gestanden, ein alle betreffendes Gesetz, zu dem es zwei fast gleiche Entwürfe gibt, in einer Vorlage zu beschließen – die Sandkastenspiele waren peinlich
Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zu den Entwürfen "Gesetz zur Neuordnung des Gaststättenrechts" (Linke, Drs. 5/4013) und "Sächs. Gesetz zur Neuordnung des Gaststättenrechts" (CDU/FDP, Drs. 5/5691) in der 39. Sitzung des Sächsischen Landtages, 29.06., TOP 2
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
seit der Föderalismusreform 2006 ist das Gaststättenrecht Ländersache.  Bereits 2008 hat Brandenburg als erstes Bundesland ein eigenes Gaststättengesetz eingeführt, etliche Bundesländer zogen nach. Solange die Länder keine eigenen Regelungen einführen, gilt das Bundesgaststättengesetz, wie es bisher in Sachsen der Fall war.
Da aber die Kritik der Gastronomen, vertreten durch den DEHOGA und unterstützt durch die IHK und andere, am Bundesgaststättengesetz nicht abriss, wird nun auch Sachsen ein entbürokratisiertes Gaststättengesetz bekommen, das nicht alles anders, aber vieles besser machen soll.
Doch bevor es soweit sein wird, lassen Sie mich ein paar Worte zum bisherigen Werdegang des Gesetzesentwurfes sagen:
2009 entstand ein Referentenentwurf der damaligen Staatsregierung, der im Wahlkampf irgendwie verloren gegangen ist. Danach war zwei Jahre lang Funkstille in Sachen Gaststättengesetz. Die LINKE nutze die Zeit, um noch einmal in den Antworten auf diverse Wahlprüfsteine zu schmökern. Dabei stieß sie auf ihr Versprechen, den Gastronomen helfen zu wollen.
Also: Ein neues Gaststättenrecht musste her. Doch woher nehmen, wenn nicht abschreiben? Genau: im rot-roten Brandenburg gab es bereits so ein Gesetz, man musste quasi nur noch "Brandenburg" durch "Sachsen" ersetzen und fertig war der Entwurf. Damit hatte die LINKE das Thema besetzt. Nach der üblichen Anhörung, eine Ausschusssitzung später, kam der Koalitionsentwurf, denn CDU und FDP wollten den Gastronomen selbstverständlich auch helfen.
Darum schrieben sie alles Gute aus dem Antrag der Linken ab, ergänzten ein paar Kleinigkeiten und feierten sich als die besten "Gaststättengesetzemacher" weit und breit.
Das ärgerte die Linken und bald kam es im auf den Fluren des Sächsischen Landtages zum Wortgefecht der besonderen Art:
"Unser Entwurf war zuerst da!"
"Aber unser Entwurf ist besser."
"Ja aber ihr habt von uns abgeschrieben."
"Stimmt nicht, dass die Gesetze sich ähneln ist purer Zufall."
Ich höre an dieser Stelle auf, das Gesprächsniveau weiter zu persiflieren, denn eigentlich ist das alles längst nicht mehr lustig! Befremdlich ist vor allem die Attitüde des Allwissenden, die jede Seite für sich beansprucht.
Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich in der Zwischenzeit die Gastronomie ganz praktisch unterstütze, indem ich einen Kaffee trinken gehe; mit Eierschecke selbstverständlich!
Ganz gleich welcher Entwurf heute angenommen wird, die wichtigen Eckpunkte sind gleich.
Neu geregelt werden sollen insbesondere die Voraussetzungen für die Erteilung und den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis. Den Wechsel vom Erlaubnis- zum Anzeigeverfahren begrüßen wir Bündnisgrünen als einen Schritt des Bürokratieabbaus.
Gott sei Dank, Bacchus natürlich, ist die Möglichkeit Straußenwirtschaften einzurichten per Änderungs- bzw. Ergänzungsantrag wieder in die sächsische Vorlage gekommen. Im Bundesgesetz ist es nämlich geregelt und wir hatten es fast verloren. Vielleicht ernennt die CDU-Fraktion wieder einen weinpolitischen Sprecher, am besten aus der Meißner Gegend!
Die Bedenken des Sächsischen Landkreistages gegenüber dem Anzeigeverfahren und die daraus folgende Forderung nach Beibehaltung der Erlaubnispflicht kann ich als langjähriger Gastwirt zwar verstehen, teile sie allerdings nicht.
Denn, auch eine strenge Erlaubnispflicht verhindert nicht, dass der Antragsteller einen unzuverlässigen oder vielleicht sogar kriminellen Restaurantchef einsetzt.
Außerdem wehre ich mich dagegen, dass immer der schlimmstmögliche Fall angenommen wird. Unter diesem Generalverdacht leidet die ganz große Mehrzahl der Gastronomen, die ihren Job engagiert, verantwortungsbewusst und ehrlich machen.

Übrigens wurde das Brandenburger Gaststättengesetz nach zwei Jahren evaluiert. Dabei wurde deutlich, dass sich die Befürchtungen zur Nichteininhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften nicht bewahrheiteten.
Wir begrüßen auch die Entkopplung gaststättengewerblicher Bestimmungen vom Baurecht, allerdings mit einer Einschränkung:
Wir fordern die Staatsregierung auf, die wegfallenden Vorschriften in die Novelle des Sächsischen Baurechts aufzunehmen. Dort gehören die Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit ebenso hinein wie Immissionsschutz und die Barrierefreiheit neu zu errichtender Betriebsstätten.
Die Beibehaltung der auch im Bundesgesetz geltenden Bußgeldhöhen teilen wir ausdrücklich nicht. Im Sinne des Verbraucherschutzes vor Flatrate-Parties und ähnlichen zweifelhaften "Events" fordern wir die Verdopplung der maximalen Bußgeldhöhe auf 10.000 Euro, wie es bspw. in Hessen und Niedersachsen gehandhabt wird.
Zusätzlich halten wir es für notwendig, die Erkenntnis Bayerns bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten einzubeziehen: Es kann nicht sein, dass im Durchschnitt nur jeweils 200 Euro Strafe verhängt wurden. Die abschreckende Wirkung tendiert so gegen Null. Wir brauchen nicht nur einen Bußgeldkatalog für Verstöße gegen den Jugendschutz, sondern auch die notwendigen Ressourcen für dessen Kontrolle.
Zwei weitestgehend identische Gesetzesentwürfe liegen uns zur Abstimmung vor. Deren Inhalt hält meine Fraktion für einen Fortschritt gegenüber dem Bundesgaststättengesetz.
Die Art ihrer Entstehung erinnerte doch eher an Sandkastenspielchen nach dem Motto: "Meine Förmchen – deine Förmchen". An der Stelle können wir nur froh sein, dass Ausschusssitzungen nicht öffentlich sind.
Es hätte uns gut zu Gesicht gestanden, ein alle betreffendes Gesetz zu dem es zwei fast gleiche Entwürfe und keine Meinungsunterschiede gibt, in einer Vorlage gemeinsam zu beschließen. Aufgrund dieses Umgangs miteinander, der mangelnden Gesprächskultur und dem damit verbundenen Demokratieverständnis werden wir uns enthalten