Miro Jennerjahn: Petitionsausschuss 2010 – Sachsen üben deutliche Kritik an Landespolitik

Die Petitionen der Bürgerinnen und Bürger zeigen: Die massiven Haushaltskürzungen haben ganz deutliche Spuren hinterlassen
Redebeitrag des Abgeordneten Miro Jennerjahn zur Unterrichtung des Petitionausschuss (Drs. 5/6116) in der 41. Sitzung des Sächsischen Landtages, 15.09., TOP 2

Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
es ist, denke ich, gute Praxis, zu Beginn der Rede den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsdienstes für ihre Arbeit zu danken. Nicht nur die Vielzahl der eingehenden Petitionen ist ja zu händeln, sondern auch die zahlreichen Bitten und Wünsche der einzelnen Abgeordneten oder des Ausschusses insgesamt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsdienstes sind da immer ein sicherer Rückhalt, dafür herzlichen Dank.
Der vorliegende Bericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2010 ist in vielerlei Hinsicht ein eindrucksvolles Werk: Sei es die Zahl der eingehenden Petitionen, die Zahl der Fälle, bei denen wir Abhilfe schaffen konnten, oder auch die Bearbeitungsdauer von Petitionen. Die beiden letzteren Aspekte lassen sich je nach Perspektive positiv oder negativ deuten.
Ich möchte in meinen Ausführungen gar nicht so sehr auf die statistischen Dinge des Berichts eingehen. Wenn man als sechster Redner ins Rennen geht, ist da ohnehin schon alles gesagt.
Ich möchte stattdessen zwei andere Aspekte herausheben:
Der vorliegende Jahresbericht und damit die Arbeit des Petitionsausschusses im vergangenen Jahr ist meiner Meinung nach nicht nur Ausdruck der vielen individuellen Probleme, die beim Ausschuss ankommen. Er ist dieses Mal und in sehr viel stärkerem Maße als z. B. der Bericht aus dem Jahr 2009 von landespolitischen Themen geprägt. Die massiven Haushaltskürzungen im Jahr 2010 und der Doppelhaushalt 2011/2012 haben ganz deutliche Spuren hinterlassen. Keine Sorge ich werde hier jetzt nicht die harten Diskussionen in den Haushaltsverhandlungen wiederholen, dass wir da auf einen Nenner kommen, ist eher unwahrscheinlich.
Spannend ist dennoch ein Blick auf die Petitionen, die zu diesem Themenkomplex eingegangen sind. Einige Beispiele für eingegangene Sammelpetitionen:
Änderung Kulturraumgesetz – Haushaltsbegleitgesetz 2011/2012: 50.000 Unterschriften.
Kürzungen in der Jugendhilfe: 14.000 Unterschriften
Erhalt der Bahnverbindung Nossen – Meißen: 10.500 Unterschriften.
Betrachten wir die Sammel- und Mehrfachpetitionen zu den Haushaltsdiskussionen zusammen, kommen wir auf annähernd 80.000 Unterschriften. Das zeigt deutlich: Die Menschen nehmen Anteil an Politik.
Die Motivlagen reichen dabei sicher von instrumentell bis altruistisch. Eines wird jedoch sichtbar: Voraussetzung für politisches Engagement ist häufig persönliche Betroffenheit. Auch wenn ich die erfolgten Haushaltskürzungen nach wie vor in vielen Bereichen für fatal halte, haben sie zumindest kurzzeitig zu einer Politisierung der sächsischen Gesellschaft beigetragen. Ich habe nach wie vor die Hoffnung, dass das nicht in Frust umschlägt, sondern sich verstetigt. Dann hätten die massiven Einschnitte zumindest einen positiven Effekt gehabt, auch wenn der Preis sehr, sehr hoch war. Eine solche Politisierung kann Sachsen nur gut tun. Da reicht ein Blick auf die Wahlbeteiligung bei der letzten Landtagswahl, um zu diesem Schluss zu kommen.
Der zweite Aspekt, der mir wichtig ist, hat durchaus eine inhaltliche Bindung an meine bisherigen Ausführungen:
Der Petitionsausschuss doktert oft an Symptomen herum, deren Ursachen außerhalb der Verantwortung des Ausschusses liegen. Das liegt in der Natur der Sache, ist doch das Wenden an den Petitionsausschuss oftmals das letzte Mittel, das Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung steht. Dabei ist zunächst einmal unerheblich, ob das konkrete Begehren eines Petenten berechtigt ist oder nicht.
Bei rund einem Drittel der eingegangenen Petitionen kann der Petitionsausschuss im Sinne der Petenten wirksam werden. Klar, noch höhere Erfolgsquoten wünschen sich vermutlich alle Beteiligten, aber grundsätzlich ist dieser Wert nicht so schlecht. Würden wir uns die erfolgreichen Petitionen näher anschauen, bin ich mir sicher, dass wir feststellen würden, dass insbesondere dann signifikante Erfolge erzielt werden, wenn der Petitionsausschuss bei Vor-Ort-Terminen eine Art Moderationsfunktion übernimmt. Wenn alle Beteiligten in einem Konflikt zusammen geholt werden und gemeinsamen nach Handlungsspielräumen gesucht wird.
Da liegen aber auch die Grenzen des Ausschusses. Es besteht hier leicht die Gefahr, dass der Ausschuss angesichts der Vielzahl der eingehenden Petitionen mit dieser Aufgabe in eine Überforderungssituation gerät. Wie können wir das vermeiden?
Ich bin mir sicher, dass ein Teil der Petitionen nicht eingereicht würden, wenn wir ein stärker ausgeprägtes und institutionalisiertes System der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern hätten. Die Akzeptanz politischer Entscheidungen wächst, wenn die Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg zur Entscheidung mitgenommen, sie in diesem Prozess gehört und ernst genommen und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Damit rede ich nicht einer Entwertung des Petitionsausschusses das Wort. Im Gegenteil. Das Petitionswesen hat zu Recht Verfassungsrang. Eine Petition ist das letzte Mittel der Wahl. Unser aller Interesse muss es sein, dass die Situation, in der zu diesem letzten Mittel gegriffen wird, möglichst selten eintritt. Kommt diese Situation dann doch, ist es unsere Aufgabe uns mit aller Kraft, um eine Lösung zu bemühen.