Abschiebestopp nach Afghanistan – Zais: Eine Rückkehr ist unzumutbar

Rede der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE) zum "Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen – Sicherheitslage neu bewerten"
51. Sitzung des Sächsischen Landtags, 16. März, TOP 5, Drs. 6/8768
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN stimmt dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ‚Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen – Sicherheitslage neu bewerten‘ zu.
Der Antrag bezieht sich auf gesetzliche Grundlagen, die zum humanitären Kern unseres Asyl- und Aufenthatsrechts gehören.
Nach § 60 Aufenthaltsgesetz können die Länder für 3 Monate einen Abschiebestopp aussprechen – Sachsen würde es gut zu Gesicht stehen, sich den Initiativen anderer Länder in diesem Punkt anzuschließen. Dass dem bisher nicht so ist, liegt wohl daran, dass es der Staatsregierung eher um die Befriedung der Schreier auf der Straße als um die Sicherung des Lebens von Menschen geht, die bei uns Zuflucht vor Krieg und Gewalt gesucht haben.
Es ist bitter, dass ausgerechnet Staatsangehörige eines Landes betroffen sind, das seit vielen Jahrzehnten ununterbrochen im Fokus internationaler, geostrategischer und machtpolitischer Auseinandersetzungen steht und heute für die Zivilbevölkerung so destabilisiert und unsicher wie nie zuvor ist.
Auch die Punkte 2 und 3 des Antrags beschreiben Handlungsmöglichkeiten des Freistaates Sachsen – eine Landes-Aufnahmeanordnung für afghanische  Staatsangehörige findet unsere Zustimmung ebenso, wie die Aufforderung (Erlass) an die sächsischen Ausländerbehörden, mehr von Ermessensspielräumen bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für afghanische Staatsangehörige Gebrauch zu machen.
Das sich unser Innenminister als Chef der IMK stark macht für eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan sollte eigentlich selbstverständlich sein – ist es leider nicht. Wider besseren Wissens hält Staatsminister Ulbig an der alten Sprachregelung des Bundesinnenministers fest, dass es in Afghanistan sichere und unsichere Gebiete gibt und man zwischen Sicherheits- und Bedrohungslage unterscheiden müsse. Das alle Hilfsorganisationen und insbesondere der UNHCR, aber auch die deutsche Botschaft in Kabul dieser Lesart widersprechen wird ignoriert.
In der Stellungnahme des UNHCR heißt es:
„Ein pauschalierender Ansatz, der bestimmte Regionen hinsichtlich der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen, wie sie für den Flüchtlingsschutz oder den subsidiären Schutz relevant sind, als sichere und zumutbare interne Schutzalternativen ansieht, ist nach Auffassung von UNHCR vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Afghanistan nicht möglich.“
Nach Auffassung unserer Fraktion ist damit klar: Afghanistan ist kein sicheres Land und verfügt auch nicht über einzelne sichere Regionen. Es besteht für zwangsweise Zurückgeführte eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit. Eine Rückkehr ist daher in der Abwägung nicht zumutbar und damit auch bereits unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit aus Artikel 2 unseres Grundgesetzes rechtlich nicht zu vertreten. Somit sind Abschiebungen – die ja aus gutem Grund seit mehr als 12 Jahren nicht vollzogen wurden – weiterhin nicht durchzuführen.
Im Gegenteil: es sind die Rechtsgrundlagen gegeben, um afghanischen Geflüchteten eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, womit wir wieder beim Antrag wären. Damit würde Rechtssicherheit geschaffen werden und die belastende und integrationsverhindernde Situation von Afghaninnen und Afghanen in Deutschland und Sachsen beendet.
Abschließend möchte ich noch auf folgenden Punkt verweisen:
Wer Rückübernahme von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zur Voraussetzung für entwicklungspolitische Zusammenarbeit macht (Afghanistan/Nordafrika), begeht einen Tabubruch. Denn diese Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Asylrecht greift den humanitären Kern des deutschen Asylrechts und damit einer menschenrechtsbasierten Asyl- und Flüchtlingspolitik an, für die wir GRÜNE seit Jahrzehnten – auch in Sachsen – kämpfen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich kann sie nur auffordern, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen und damit in der Asyl- und Flüchtlingspolitik endlich mal ein positives Signal aus Sachsen zu senden.

» alle Redebeiträge der GRÜNEN-Fraktion » alle Infos zur 50./51. Landtagssitzung