AfD Debatte Kunstfreiheit – Maicher: Kunst ist frei, sie muss nicht gefallen und sie darf nicht dienen

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zur 2. Aktuellen Debatte der Fraktion AfD zum Thema:
"Ist die Freiheit der Kunst eine Einbahnstraße?"
95. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 4. Juli, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
der Debattentitel zeigt den ganzen manipulativen Ansatz dieser Debatte. Er suggeriert mehr als er etwas benennt. Er suggeriert, die Freiheit der Kunst würde zur Zeit nur genutzt, um sich gegen die AfD zu wenden. Das entspricht der Verschwörungsideologie und Opferstilisierung dieser Partei.
Diese gewählte Aktuelle Debatte zeigt auch wie sorgenvoll bewusst den Rechtspopulisten ist:

  • dass in Kunst und Kultur, eigenständig gedacht und gehandelt wird,
  • dass sich dieser Bereich des Einflusses entzieht, den Rechtspopulisten gern ausüben würden,
  • dass Kulturschaffende sich nicht für eine von der AfD propagierte deutsche Leitkultur instrumentalisieren lassen,
  • dass eine freiheitliche und pluralistische Kultur Widerstandskraft gegenüber Manipulationsversuchen befördert,
  • dass Kunst und Kultur Werte der Aufklärung und des Humanismus verkörpern.

Sähe Gotthold Ephraim Lessing sein Portrait auf dem Flur der AfD Fraktion hängen – er würde sich im Grabe umdrehen. Die AfD Sachsen stellt in ihrem aktuellen Programm die Grundwerte unserer Demokratie in Frage. Unsere Grundwerte bilden aber das Fundament unseres friedlichen Zusammenlebens und basieren auf Menschenwürde. Zu denen in unserer Verfassung verankerten Grundrechten gehört die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Das passt ihnen nicht.

Im Grundgesetz steht: Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Sie wollen u.a. die Landesförderung des Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung streichen. Zu den Grundrechten gehört das Recht auf freie Religionsausübung. Schauen Sie mal, was die AfD, bizarrer weise im Kulturteil ihres Wahlprogramms, zum Islam schreibt.
Zu den Grundrechten gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst. Wie viel diese Partei und ihre rechte Vorfeldbrigade von Kunst- und Meinungsfreiheit hält, sieht man daran, dass sie jeden anprangert, der nicht in ihrem Sinne spricht oder agiert. Es handelt sich um einen manipulativen Schachzug zu behaupten, Kultur unterliege in unserer freiheitlichen Gesellschaft einer Staatsdoktrin.
In der DDR hat es eine Form von Staatskunst gegeben. Es hat staatliche Vorgaben für Kunst und Kultur gegeben und Repressionen für die, die sich ihre Freiheit nicht nehmen lassen wollten. Aber selbst während der Zeit der SED-Herrschaft, die Angst und Opportunismus beförderte, haben sich Kulturschaffende ihre Freiräume bewahrt, Kritisches an der Zensur vorbei geschleust und dabei eine Subtilität und einen Anspielungsreichtum entwickelt, der seines Gleichen sucht.

Es muss für das Gros der Kunstschaffenden täglich eine Gratwanderung zwischen persönlicher Ausdrucksnotwendigkeit und Anpassungszwang gewesen sein. Die Schlussfolgerung daraus lautet für mich: nie wieder eine solche staatliche Lenkung, nie wieder totalitäres Eingreifen in die Gesellschaft, nie wieder staatliche Beschränkung der Kunstfreiheit hier in Sachsen! Wie es die AfD vorhat.
Dafür müssen alle Demokratinnen und Demokraten kämpfen, erst recht in diesem wichtigen Jahr 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution. Künstler und Künstlerinnen nehmen sensibel wahr, was sie umgibt, sie verarbeiten es auf eigenständige Weise und gießen es in die Form, die ihrer Ästhetik entspricht.

Sie finden ihre Themen selbst.
Sie lassen sich nichts vorschreiben.
Sie lassen sich nicht kaufen.
Sie tun, was für sie stimmig erscheint.

Jemand, der in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft behauptet, Künstlerinnen und Künstler würden im Sinne eines Systems oder einer Regierung Kunst machen, hat schlichtweg keine Ahnung von Kunst.
Im April 2019 wurde von sächsischen Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen die Sächsische Erklärung der Vielen veröffentlicht. Bisher mehr als 100 Einrichtungen setzen damit ein Zeichen für gesellschaftliche Vielfalt, Weltoffenheit und gelebte Demokratie. Sie wirken nach innen und nach außen und solidarisieren sich, wenn die Freiheit der Kunst angetastet wird. Es sind VIELE und es werden immer mehr.
Ich ermutige alle demokratisch gesinnten Kräfte, parlamentarisch und zivilgesellschaftlich alles dafür zu tun, die demokratische Debattenkultur in Sachsen zu leben und die Freiheit der Kunst mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu stärken.
Abschließend scheint mir die Betrachtung einer weiteren Frage lohnenswert, wenn wir über Kunstfreiheit reden: Wie frei ist Kunst unter ökonomischen Druck? Wenn alles an Parametern der Wirtschaftlichkeit bemessen wird? Zählt für den Erfolg einer Veranstaltung die Anzahl der belegten Sitze – oder wie viele Menschen auf diesen Sitzen angeregt und bewegt werden und aus dem Spielort heraus Impulse mit in ihr Leben nehmen? Wie frei können Kunstschaffende ihrem Beruf nachgehen, wenn sie bei schwankenden, oftmals geringen Einkünften in Sorge sein müssen, dass sie ihr Atelier und ihre Wohnung wegen steigender Mieten nicht halten können? Was passiert, wenn eine Ausstellung nicht genügend oder gar keinen Verkauf bringt?
Kunst ist frei, sie muss nicht gefallen und sie darf nicht dienen.

Als GRÜNE setzen wir uns dafür ein, Kulturschaffende zu stärken. Dazu braucht es unter anderem:

  • eine verbindliche Honoraruntergrenze,
  • bessere Gastspiel-, Konzeptions- und Rechercheförderungen,
  • eine signifikante Erhöhung der Kulturförderung, auch der Freien Szene und Soziokultur ausreichend Personal und finanzielle Mittel für die Sächsische Kulturstiftung,
  • die regelmäßige Anpassung der Finanzierung der Kulturräume,
  • die Tarifbindung öffentlicher Kultureinrichtungen,
  • eine bessere Finanzierung der Theater in den Kulturräumen

Das sind unsere konkreten Angebote, um die Freiheit der Kunst zu wahren und zu stärken.

Herzlichen Dank.
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