Antrag Vermögenserhalt bei Staatsstraßen – Meier: Immer weniger EinwohnerInnen müssen für Erhalt und Unterhalt von immer mehr Straßenkilometer aufkommen

Redebeitrag der Abgeordneten Katja Meier zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD:
"Vermögenserhalt bei Staatsstraßen sichern" (Drs 6/6885)
44. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 10. November 2016, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Vermögenserhalt bei Staatsstraßen sichern – das klingt erst einmal vernünftig und gut.
Wer den Vermögenswert der Staatsstraßen sichern will, sollte zunächst analysieren, welchen Ausbaugrad und welchen Zustand das sächsische Staatsstraßennetz aktuell besitzt. Dies hat dankenswerterweise der Sächsische Landesrechnungshof für uns mit seiner beratenden Äußerung zur Erhaltung der staatlichen Straßeninfrastruktur getan.
Die Lektüre dieses Berichts war für uns als GRÜNE ein Déjà-vu-Erlebnis: Was meine Vorgängerinnen und ich seit mehr als 10 Jahren wie ein Mantra zum Thema Straßenbau in diesem Parlament vorgetragen und gefordert haben, findet sich 1 zu 1 in diesem wirklich lesenswerten Bericht wieder:
1. Sachsen hat mit mittlerweile ca. 4.500 Kilometer eines der dichtesten Landesstraßennetze in Deutschland.
2. Der Erhalt dieser Infrastruktur wurde massiv vernachlässigt. Weite Teile dieses Netzes sind in einem miserablen Zustand.
Bei den Staatsstraßen stieg der Anteil mit schlechtem und sehr schlechtem Gesamtzustand seit 2009 um 4 Prozent auf 63 Prozent.
3. In den letzten 15 Jahren wurde unter allen CDU geführten sächsischen Regierungen dreimal so viel Geld für Um-, Aus- und Neubau unserer Staatsstraßen ausgegeben wie für den Erhalt des bestehenden Netzes.
Legendär die letzte EU-Förderperiode in der mehr als eine halbe Milliarde Euro aus EFRE-Geldern ausschließlich in den Staatsstraßenneubau gelenkt. Die EU ist dann vernünftigerweise mit einer Lex Sachsen eingeschritten und für diese Förderperiode Straßenneubau mit europäischen Fördergeldern im EFRE-Programm ausgeschlossen.
4. Der Freistaat unterhält nicht nur Straßen, die nach ihrer Funktion und Verkehrsbedeutung keine Staatsstraßen sind, sondern er hat auch fröhlich in den letzten 15 Jahren weiter Straßen gebaut, die eher Anliegercharakter haben.
5. Und dies können Sie nicht beim Landesrechnungshof nachlesen, da es nicht Teil seines Untersuchungsauftrages war:
Ein großer Teil der in den vergangenen Jahren in Sachsen gebauten Staatsstraßen sind deutlich überdimensioniert.
Die tatsächliche Verkehrsbelegung sächsischer Staatsstraßen liegt durchschnittlich 40 Prozent unter den ursprünglich aufgestellten Verkehrsprognosen. Dieser Befund war Ergebnis einer Studie des Lehrstuhls für Verkehrsökologie aus dem Jahr 2014 der TU Dresden im Auftrag der GRÜNEN-Landtagsfraktion und hat auch bei der Anhörung zur beratenden Äußerung des Landesrechnungshofes den Koalitionären offene Münder beschert.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, würden Sie es einem Finanzminister durchgehen lassen, wenn er sich im SOLL um 40 Prozent gegenüber dem IST, verschätzen würde? Sicher nicht! Beim Straßenneubau aber werden solche Fehlschätzungen stillschweigend seit vielen Jahren hingenommen! Und hier wurde und wird Geld vergeudet – plant und baut der Freistaat doch immer noch auf Basis der offenkundig häufig falschen Prognosen weiter.
Und jetzt wird es spannend: Ja, Sie haben seit 2015 die Ausgaben für den Erhalt der Straßenstruktur tatsächlich erhöht.
Ja, insgesamt sind die Mittel für Um-, Aus- und Neubau von Staatsstraßen dank der klugen Entscheidung der EU, den europäisch finanzierten Straßenneubau zu stoppen, insgesamt gesunken.
Trotzdem waren laut Landesrechnungshof in den letzten beiden Jahren ca. 30 Mio. Euro allein für die Erweiterung und Neubau von Staatsstraßen im Haushalt eingestellt. Hier werden also zügig weiterhin neue Straßen geschaffen. Wie die aber erhalten werden sollen, scheint Ihnen ziemlich egal zu sein.
Wir müssen doch den Fakten in die Augen blicken:
Immer weniger Einwohnerinnen und Einwohner müssen für den Erhalt und Unterhalt von immer mehr Straßenkilometer aufkommen. Bei immer klammeren Kassen der Kommunen klingt das irgendwie nicht nach einem überzeugenden Plan. Ihrem Antrag können wir bedenkenlos zustimmen, denn er bemüht sich im Kern um Daten- und Informationssammlung und will die Regierung zu einer Erhaltungsstrategie verpflichten.
Ob allerdings wirklich umgesteuert wird, entscheidet sich daran, ob weiterhin neue Straßen in immer weniger besiedelte Regionen gebaut werden. Und hier sehe ich noch keinen echten Politikwandel von CDU und SPD.

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