Eva Jähnigen: Abschaffung der allgemeinen Stellplatzpflicht dringend nötig – und inzwischen politisch konsensfähig

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion:
"Gesetz zur Aufhebung der Stellplatzpflicht"
13. Sitzung des Sächsischen Landtags, 30. April 2015, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum zweiten Mal bringen wir GRÜNE einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der allgemeinen Stellplatzpflicht ein. Diese Reform unserer sächsischen Bauordnung ist dringend nötig. Sie dürfte inzwischen politisch konsensfähig sein und darf nicht länger ausgesessen werden.
Wir GRÜNE wollen mit diesem Gesetzesentwurf den Zwang zu Autostellplätzen für alle privaten und öffentlichen Bauvorhaben abschaffen, Baukosten senken und den Städten und Gemeinden gleichzeitig Handlungsspielräume für die Stadtentwicklung durch Erlass eigener Satzungen geben.
Eine Ausnahme machen wir nur für die Pflicht zu barrierefreien Stellplätzen für mobilitätseingeschränkte Menschen. Diese können weiter angeordnet werden.
Diese kommunalen Stellplatzsatzungen können Stellplätze für Räder und Kraftfahrzeuge situations- oder vorhabenbezogen anordnen und durch die Erhebung von Stellplatzablösegebühren für die Finanzierung gebietsbezogener Projekte des Öffentlichen Verkehrs, des Radverkehrs- oder Parkierungseinrichtungen sorgen. Sie werden von den Stadt- und Gemeinderäten öffentlich beschlossen und sind so deutlich transparenter als Einzelfallentscheidungen in Behörden.
Mit dem Gesetzentwurf greifen wir auch dem mit der Umsetzung seiner eigenen Ansagen überforderten Innenminister unter die Arme.
Bereits in der vorigen Legislatur hatte ich eine ähnliche Gesetzesinitiative ins Parlament eingebracht. Damals schloss sich die Vertreterin des Innenministeriums im Innenausschuss überraschend unserem Vorschlag an und kündigte die Abschaffung der Stellplatzgebühr im Rahmen einer großen Novelle der sächsischen Bauordnung an.
Auf diese Bauordnungsnovelle wartet Sachsen seit Jahr und Tag, Herr Innenminister Ulbig. Sie haben unseren Vorschlag in ihrem Dresdner OB-Wahlkampf zur Senkung von Baukosten gleich noch mal angekündigt. Kündigen Sie nicht so viel an – setzen sie mehr um.
Die Kommunen benötigen zum Erlass eigener Stellplatzsatzung eine längere Übergangsfrist zum Planen, Diskutieren und Entscheiden. Unser Gesetzentwurf sieht ein Inkrafttreten ab dem 1. Januar 2017 vor. Wir werden in der Anhörung diskutieren, ob dieser Termin für die Kommunen ausreichend ist – immerhin braucht es vor der Erarbeitung einer Mustersatzung noch Zeit für Information und Beratung.
Wie ist die Ausgangslage in Sachsen?
Die Parksituation für Fahrräder, Motorräder und Autos ist in den dünn besiedelten Gebieten ganz anders als in den dicht bebauten Stadtteilen der Großstädte.
In letztgenannten verzichten erhebliche Teile der Bevölkerung auf den Besitz eines eigenen Autos und nutzen neben Bahn, Bus und Rad das Carsharing. Da gibt es auch Parkdruck durch die steigende Anzahl von Fahrrädern, für welche aber platzsparender und preiswerter Stellplätze errichtet werden können als für Autos. Leider ist die Stellplatzpflicht für Fahrräder durch den Schnellschuss der Bauordnungsnovelle der CDU/FDP-Koalition vor wenigen Jahren faktisch abgeschafft worden, etliche kommunale Radverkehrsanalysen zeigen, dass das ein Fehler war.
Für weniger dichte Wohnbebauung im ländlichen Raum hingegen ist oftmals die Anordnung separat gewidmeter Stellplätze für Auto und Rad nicht notwendig und muss auch nicht erst geprüft werden.
Eine generelle Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen wie derzeit in § 49 der sächsische Bauordung wird diesem differenzierten Bedarf nicht mehr gerecht und sollte in solchen Fällen auch gar nicht erst von Behörden geprüft werden müssen.
Deshalb haben viele Bundesländer diese Stellplatzpflicht bereits abgeschafft und damit gute Erfahrungen gemacht. Die Stellplatzpflicht stammt übrigens noch aus der "Reichsgaragenordnung" (RGaO) von 1939, als per Führererlass das Auto gefördert werden sollte. Sachsen ist das allerletzte Bundesland, in dem dieses museale Gesetzesrelikt noch Anwendung findet.
In den verdichteten Stadträumen können die Stadträte nach unserem Willen künftig selbst entscheiden, wo das wichtige Instrument der Stellplatzablöse eingesetzt wird. Stellplatzablösegebühren werden erhoben, wenn der Stellplatzbedarf eines Vorhabens nicht auf dessen Gelände befriedigt werden kann. Aus diesem Geld können neben öffentlichen Stellplätzen auch Anlagen für den Radverkehr und den Öffentlichen Verkehr finanziert werden – ein verkehrspolitisches Lenkungsinstrument erster Güte, gerade auch für finanzschwächere Kommunen.
Wenn eine Baugemeinschaft eine anliegende Carsharing-Station und die Straßenbahn nutzen will, sollten Stellplatzablösebeträge nicht erhoben werden. Denn ein Tiefgaragenstellplatz kostet je nach Bodenbeschaffenheit und Zufahrtsmöglichkeiten ca. 15.000 bis 30.000 Euro und bis zu 10.000 Euro kostet die Ablösegebühr. Umgelegt kann sich das mit bis zu 100 Euro pro Monat auf die Mietkosten auswirken. Dabei brauchen viele Menschen in innerstädtischen Gebieten keine privaten Autoparkplätze mehr, dafür aber dringend bezahlbaren Wohnraum.
Anders ist es bei Bauvorhaben mit großem Verkehrsaufkommen, z.B. bei einem Gewerbepark oder einem Einkaufscenter. Hier kann über die Stellplatzablöse in einer kommunalen Satzung eine vorbildliche Erschließung geschaffen werden. Eine parkende Blechlawine in anliegenden Stadtteilen wird so zum Nutzen aller vermieden.
Wie wird sich unser Gesetzentwurf auswirken?
Die kommunale Ebene wird mit dieser Regelung gestärkt und ihr Gestaltungsspielraum erweitert. Das ist gelebte Subsidarität.
Die Neuregelung schafft Verwaltungsvereinfachung für die örtlichen Bauaufsichten. Für Bauherren, die auf Autostellplätze verzichten, senkt sie die Baukosten. Mindereinnahmen für die Gemeinden sind nicht zu befürchten; der gezielte Einsatz der Stellplatzablöse in den Städten und Gemeinden selbst kann die ausreichende Finanzierung von Erschließungsvorhaben sogar verbessern.
Die kommunalen Spitzenverbände haben ebenso wie der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. unsere letzte Initiative in den letzten Jahren öffentlich unterstützt. Dr. Axel Viehweger, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) sagte dazu in einer Pressemitteilung: "Wir begrüßen den Gesetzesentwurf der Grünen und unterstützen den Antrag. Gleichzeitig ist es aber widersinnig, dass im Baugesetzbuch der Platz für Autos geregelt wird und Kinder keinen Anspruch auf einen Platz, sei es ein Spiel- oder Bolzplatz haben."
Alles in allem: die Abschaffung der Stellplatzpflicht in der Sächsischen Bauordnung ist ein zeitgemäßer und ökonomisch sinnvoller Schritt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen: nutzen Sie unseren Gesetzentwurf, um die sächsische Bauordnung endlich zu reformieren!