Eva Jähnigen: Unsere Ideen für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung in Sachsens Verfassung machen unser Bundesland zu einer Vorreiterregion

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf der Fraktionen GRÜNE und Linke: "Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen", 10. Sitzung des Sächsischen Landtags, 12. März 2015, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren

Bürgerinnen und Bürger aus Sachsen schildern uns öfter das Gefühl, die Arbeit von Politik und Landtag ginge an ihnen vorbei. Mit diesem Gesetzentwurf möchten wir ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, die die Sächsische Verfassung bereits bietet. Sie können und sollten sich einmischen. Und deshalb wollen wir die Einmischung für die Zukunft erleichtern.

Zu politischer Einmischung gehört auch die Möglichkeit, "von unten" politische Entscheidungen zu verändern – durch Wahlen, aber auch als Entscheidung über Gesetze. Die Gesetzgebung durch Volksentscheide ist eine von mehreren Säulen unserer modernen Demokratie. So sahen es auch die Mütter und Väter der sächsischen Verfassung von 1992.

Demokratie hat natürlich noch mehr Säulen, nämlich starke Volksvertretungen, staatliche Transparenz und Bürgerbeteiligung. An allen muss in Sachsen viel gearbeitet werden und dieser Gesetzentwurf zeigt nur einen ersten Schritt von vielen, die notwendig sind.

Es genügt nicht, wenn politische Entscheidungen von oben nach unten durchgestellt und erklärt werden. Und: der Ausbau der lokalen Demokratie stärkt gerade die zivilgesellschaftlichen Bindungen vor Ort, die wir in Sachsen so sehr brauchen.

So entwickeln wir die Ideen der sächsischen Verfassung im Sinne des Verfassungsgesetzgebers fort. Es täte Sachsen gut, wenn unser Bundesland zu einer Vorreiterregion für Demokratie und Bürgerbeteiligung wird.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Mütter und Väter der sächsischen Verfassung wussten vor 13 Jahren nicht, dass sich ihr damals auf zehn Prozent bestimmtes Quorum durch die danach folgenden erheblichen Bevölkerungsverluste de facto nach oben bewegen würde. Tendenziell geht es nun gegen die zwölf Prozent.

Sie hatten damals noch nicht erkennen können, dass 20 Jahre später der Trend in vielen Bundesländern mit modernen Verfassungen weg von zu hohen zweistelligen Unterschriftsquoren zu einstelligen Quoren gehen würde, wie z.B. in Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin mit fünf Proeznt oder Brandenburg mit vier Prozent. International gibt es das schon länger, z.B. das Zwei-Prozent-Quorum in der Schweiz.

Jetzt wollen wir die Verfassung modernisieren und die Hürden für die Volksgesetzgebung senken. Übrigens stärkt das gerade die Mitwirkungsmöglichkeiten in den ländlichen Regionen Sachsens, die besonders stark an Bevölkerung verlieren. Wir haben erlebt, dass etliche Volksbegehren gescheitert sind, meist am zu hohen Quorum, und wissen: der einzige erfolgreiche Volksentscheid liegt bereits über 13 Jahre zurück.

Zu diesem Gesetzentwurf soll es eine Anhörung im Ausschuss für Verfassung und Recht geben und danach eine Diskussion in der gebotenen Ruhe und Ausführlichkeit. Sie passt gut zum Prüfauftrag, den CDU und SPD auf S. 112 ihres Koalitionsvertrages vereinbart haben. Hier heißt es im Kapitel "Politische Kultur" nämlich "Politik lebt vom Mitmachen. […] Wir werden prüfen, ob wir mehr Möglichkeiten der direkten Demokratie schaffen können, um die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen."

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, die GRÜNE-Fraktion hat Ihnen sofort nach Arbeitsbeginn im 6. Landtag das Gespräch zu möglichen Änderungen in der Verfassung angeboten. Der Fraktionsvorsitzende der CDU schrieb uns zwar umgehend, dass er keinen Bedarf dazu sieht, aber wir halten unser Angebot aufrecht – ergebnisoffen. Jede Verbesserung für die Direkte Demokratie ist ein Gewinn für uns alle.

Demokratie kann nicht warten – und schon gar nicht auf eine nächste Legislatur eines 7. sächsischen Landtages nach 2019.