Gerd Lippold: Wir unterstützen politische Initiativen, die zur Unabhängigkeit in verantwortungsvollen Tätigkeit führen

Redebeitrag des Abgeordneten Gerd Lippold zum Antrag der CDU- und SPD-Fraktionen zum Thema:
„Europäisches Semester kritisch begleiten – Freie Berufe in Sachsen unterstützen“
14. Sitzung des Sächsischen Landtags, 10. Juni 2015, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Freiberufler erwirtschaften etwa jeden zehnten Euro der Bruttowertschöpfung. Die wirtschaftliche Bedeutung ist mit der des Handwerks vergleichbar. Damit stellt der Berufsstand ein erhebliches Beschäftigungspotenzial dar.
Ärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Architekten, Ingenieure, Wirtschaftsberatend Tätige erbringen – zumeist in Kernbereichen des öffentlichen Interesses – gemeinwohlorientierte Dienstleistungen.
Hochwertige Ausbildung, starker Gemeinwohlbezug und besondere Vertrauensverhältnisse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind kennzeichnend für diese Berufe – so wie deren Bindung an besondere berufsrechtliche und berufsethische Regelungen. Das muss auch so bleiben.
291.000 Selbständige in freien Kulturberufen, 137.000  in wirtschaftsberatenden Berufen, über 139.000 freiberufliche Ingenieure sowie Tätige in technischen und naturwissenschaftlichen freien Berufen sind Beleg für den hohen Beitrag der Freiberufler zum volkswirtschaftlichen Innovationspotenzial.
Der Gedanke der Freiberuflichkeit ist insbesondere in Deutschland untrennbar mit dem Konzept der beruflichen Selbstverwaltung als Organisationsprinzip verbunden.
Honorarordnungen sichern bei uns qualitativ hochwertige Leistungserbringung auf transparenter Basis zu nachvollziehbaren Preisen.
Wir hielten es für bedenklich, wenn gesetzlich vorgeschriebene Kapitalbeteiligungsbeschränkungen verwässert würden. So ist etwa für Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzleien heute vorgeschrieben, dass Gesellschafter Berufsträger sein müssen. Eine Kapitalbeteiligung durch Personen, die nicht zu den sozietätsfähigen Berufen gehören, ist nicht möglich.
Für die Wahrung der Unabhängigkeit der anwaltlichen Beratung von den Interessen beliebiger Finanzinvestoren und sonstiger Anteilseigner ist das unbedingt erforderlich.
Wir unterstützen deshalb politische Initiativen, die zur Qualitätssicherung bei Leistungen freier Berufe, zu transparentem Verbraucherschutz und zu Unabhängigkeit in der verantwortungsvollen Tätigkeit führen.
Dazu herrscht folglich inhaltlich Konsens mit Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den einbringenden Fraktionen. Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen.
Das kommt nicht überraschend – handelt es sich doch um einen Antrag, der in großen Teilen bis hin zur Begründung eine deckungsgleiche Abschrift des Antrages "Europäisches Semester kritisch begleiten – Freie Berufe in Nordrhein-Westfalen unterstützen" vom 10.03.2015 ist, den die dortige grüne Regierungsfraktion mit eingebracht hat. Natürlich hier unter Austausch des Bundeslandes. Das ist auch kein Problem, wenn es sich um gute Ziele handelt, die hier in gleicher Weise bestehen. Die Genese der Anträge kann jedoch verschiedener nicht sein. Im rot-grün regierten NRW ging es nämlich darum, den Forderungen nach Unterstützung der Freien Berufe aus der Politik gemeinsam starken Nachdruck zu verleihen. Deshalb entstand ein überparteilicher Antrag der Regierungsparteien gemeinsam mit der oppositionellen CDU und der FDP, bei dem ganz bewusst die Opposition einbezogen wurde, denn inhaltlich bestand ja Einigkeit.
Bei uns im schwarz-rot regierten Sachsen läuft das anders. Hier verliert sich die Koalition in der zwanghaften Separierung von Regierung und Opposition, selbst wenn es inhaltlich gar keine Differenzen gibt. Damit, werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, tun sie sich doch selbst und diesem Parlament keinen Gefallen. Zu offensichtlich ist, dass es Ihnen weniger um die Sache, und mehr darum geht, sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Diese Selbstbespiegelung ist es, weshalb sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden und diese als "Kasperletheater" abtun. Warum können wir konsensfähige Anträge in Sachsen nicht  über Koalitionsgrenzen hinweg gemeinsam auf den Weg bringen? Warum ist es nicht möglich, ein starkes Signal für Sachsens Freie Berufe zu senden? An uns würde es nicht scheitern…
Bliebe noch zu sagen, dass es bei warmen Worten der Unterstützung für Freiberufler und andere Selbständige natürlich nicht bleiben darf. Diese erwarten von der Politik zu Recht Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort Sachsen voran bringen. Dabei liegt gerade für diese Gruppe bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie vieles im Argen. Eine adäquate Familienförderung in dieser Beschäftigtengruppe, die aus den Förderkonzepten, die für abhängig Beschäftigte konzipiert worden sind, regelmäßig herausfallen, tut not. Wir hätten auch dazu Ideen – auch für gemeinsame Anträge, um Zeichen zu setzen in die Gesellschaft. Doch vorher müsste in Sachsen erst einmal so etwas wie demokratische Kultur einziehen. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass ein Kamel durchs Nadelöhr geht. Das Demokratieverständnis der sächsischen CDU ist ein wesentlicher Grund für die 10 Prozent von Frau Festerling und die 15 Prozent für Minister Ulbig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie kommen allerdings auch nicht besser weg. Vor der letzten Landtagswahl sind Sie nicht müde geworden, eine andere politische Kultur zu fordern. Nicht einmal ein Jahr später ist davon nichts mehr zu spüren. Inzwischen haben Sie sich als Anhängsel der CDU deren demokratisches Unverständnis selbst zu Eigen gemacht.
Vielen Dank!

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