Gerd Lippold: Zwei Jahre nach ihrem Einzug in den Sächsischen landtag gräbt die AfD-Fraktion mangels eigener Ideen eine schwarz-gelbe Karteileiche aus und versucht, sie wiederzubeleben

Redebausteine des Abgeordneten Gerd Lippold zum AfD-Antrag:
"Strafzinsen für Vorfälligkeitsabgaben" (Drs 6/5136)
35. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 27. Mai 2016, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie wollen eine Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge erreichen, meine Damen und Herren von der AfD. Im Antragstitel ist zwar von Strafzinsen die Rede, doch dazu später mehr.
Es handelt sich um Bundespolitik. Deshalb fordern Sie die Staatsregierung auf, über den Bundesrat Bundespolitik zu machen. Sie soll einen Gesetzentwurf, den sie bereits 2014 im Bundesrat eingebracht hatte und der dort gleich in der Ausschussberatung durchfiel, wieder einbringen.
Die Bundesratsinitiative des Freistaates Sachsen ging zurück auf den schon genannten Antrag von CDU und FDP im Sächsischen Landtag, der in der 5. Wahlperiode im Vorweihnachtsplenum des Jahres 2012 beschlossen worden war.
Der Antrag war damals mit Bürokratieabbau und mit Liquiditätssicherung insbesondere für Handwerksbetriebe begründet. Diese Begründungen machen durchaus Sinn.
Denn tatsächlich entsteht für die Handwerksbetriebe ein besonderer Aufwand, wenn sie bereits für den Folgemonat Sozialversicherungsabgaben abführen müssen, ohne bereits genau zu wissen, wie viel Stunden in diesem Monat wirklich geschrieben werden und vor allem ohne dafür vom Kunden Geld gesehen zu haben.
Die Vorfälligkeitsregelung selbst stammte aus dem August 2005, wo sie im Rahmen des Rentenentlastungsgesetzes von der rot-grünen Mehrheit im Bundestag – mit Zustimmung des damals schwarz-gelb dominierten Bundesrates – beschlossen worden war.
Wie Sie sich erinnern können, gab es eine reichlichen Monat später eine Bundestagswahl. Die CDU hatte vor der Wahl verkündet, diese Regelung rückgängig zu machen.
Kurze Zeit später stellte sie die Bundeskanzlerin einer großen Koalition. Die Regelung blieb dennoch bestehen. Sie blieb auch bestehen, nachdem ab 2009 in Berlin Schwarz-Gelb regierte.
Genau diese Persistenz der Regelung in wechselnden politischen Landschaften führte dann auch bei der Opposition im Sächsischen Landtag im Vorweihnachtsplenum des Jahres 2012 zur Vermutung, dass es sich um einen Alibi-Antrag der CDU-FDP-Koalition handele, der, obwohl chancenlos in Berlin, den Handwerkern kurz vor Weihnachten Engagement der Koalition demonstrieren solle.
Dennoch bekam der Antrag breite Zustimmung, weil wenig gegen seine Begründung sprach.
Die Staatsregierung erstellte einen Gesetzentwurf und brachte ihn im Mai 2014 im Bundesrat ein. Er wurde in die Ausschüsse verwiesen, eine Woche später per Ausschussempfehlung nicht zur Einreichung beim Bundestag empfohlen und in der nächsten Bundesratssitzung in den Tiefen der Aktenablage beerdigt.
Ein ziemlich klares Signal, dass die Idee wirklich ungeliebt war.
Und jetzt treten Sie, meine Damen und Herren von der AfD, auf die politische Bühne im Sächsischen Landtag. Zwei Jahre nach Ihrem Einzug graben Sie mangels eigener Ideen die schwarz-gelbe Karteileiche aus und versuchen, sie wiederzubeleben.
Dabei schreiben Sie zunächst die Begründung von damals ab und ahnen wohl schon selber, dass sie noch irgendwas hinzufügen müssen.
Und da werden Sie richtig kreativ. Sie widerstehen sogar der Versuchung, irgendeine Verschwörungstheorie oder einen fremdenfeindlichen Vorwurf einzubauen. Aber die EU muss natürlich einen mitkriegen.
Und so konstruieren Sie einen Zusammenhang zwischen der Zinspolitik der EZB und der Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge.
Und spätestens hier passiert es wieder: eine Forderung, der sich in der 5. Wahlperiode eine breite Mehrheit dieses Hauses anschließen konnte, obwohl sie in Berlin von vornherein völlig chancenlos war, wird in der Begründung von Ihnen so grotesk verunstaltet, dass man es kaum glauben kann.
Das ist Karteileichenschändung, meine Damen und Herren von der AfD!
Man muss sich das mal vorstellen. Die Sozialkassen verfügen heute über ein komfortables Finanzpolster. Nun kommen Sie und sagen, da liegt viel Geld und es gibt negative Einlagezinsen.
Also sagen Sie, muss das Geld vom Konto weg, damit es nicht schlecht wird. Und zwar nicht dadurch, dass man es für den vorgesehenen Zweck verwendet, sondern dadurch, dass man es einfach jemandem gibt.
Also die Nummer muss ich wirklich mal bei meiner Bank versuchen. Die haben definitiv mehr Geld rumliegen als ich! Ein Angebot, denen was von dieser schweren Last abzunehmen, müsste dort ja regelrecht wie die Rettung vor dem Zinsklau erscheinen!
Da musste doch wirklich erst die AfD in den Landtag, um auf sowas zu kommen. Sie haben wirklich eine Menge gelernt bei Ihrem Goldhandel.
Und spätestens an dieser Stelle haben Sie die Sache wieder ins Absurde gedreht und mit Ihrer Begründung einen Antrag unannehmbar gemacht, über den man sonst – selbstverständlich nach eingehender Sondierung des bundespolitischen Umfeldes und zu einem Zeitpunkt, wo er als wichtige Konjunkturunterstützung käme – zumindest ernsthaft nachdenken könnte.
Allerdings, wie der Name Sozialkassen schon sagt: dort liegt Geld für Verwendung im Sozialsystem. Ich habe nicht den Eindruck, dass man im Sozialsystem nichts damit anfangen kann.
Es ist schon wirklich bezeichnend, dass Ihnen dieser naheliegende Zusammenhang überhaupt nicht aufgefallen ist.

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