GRÜNER-Gesetzentwurf Polizeikommission – Lippmann: Eine unabhängig kontrollierte Polizei trägt zur Stärkung des Vertrauens in den Rechtsstaat bei

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zur Ersten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
"Gesetz über die Polizeikommission zur Unterstützung rechtmäßiger Polizeiarbeit im Freistaat Sachsen", Drs 6/16892, Donnerstag, 14. März, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir bringen wie schon in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf für eine bessere Kontrolle der Polizei ein. Nicht etwa, weil wir Spaß am Schreiben von Gesetzentwürfen haben, sondern weil es notwendig ist, jetzt einen erneuten Versuch für eine neue Polizeikultur in Sachsen mit besserer Fehlerkultur und einer Beschwerdestruktur, die diesen Namen auch verdient, zu unternehmen.

Das Problem mit der fehlenden unabhängigen Kontrolle polizeilichen Handelns ist keineswegs kleines geworden. Die Zahl der Beschwerden über polizeiliches Fehlverhalten sind hoch, die Frustration über unverhältnismäßiges Handeln, wie unlängst wieder im Zusammenhang mit dem 15. Februar in Dresden groß.
Zwar müht sich die Koalition zwar sichtlich den zahllosen Tiger der Beschwerdestelle mit einem Anschein eines Gebisses zu versehen, scheitert aber mit Blick auf die Verlagerung der Beschwerdestelle an die Staatskanzlei deutlich. Der Tiger bleibt ohne nennenswert Rechte und wirkliche Unabhängigkeit eben zahnlos, auch wenn er dann in einem neuen Käfig lebt.

Deswegen machen wir Ihnen heute einen Vorschlag für eine wirkmächtige Beschwerdestruktur in Sachsen, unabhängig und mit größtmöglichen Rechten – gerade in einer Situation, in der durch ein neues Polizeigesetz zu Sturm auf die Freiheit geblasen wird, wollen wir die Bürgerrechte besser schützen.

Auch unsere Beschwerdestelle ist eine, an die sich Bürgerinnen und Bürger oder Polizeibedienstete wenden können, um auf Missstände hinzuweisen. Wir aber schlagen vor, dass beim Landtag eine Polizeikommission berufen wird. Um ihre Unabhängigkeit zu unterstreichen, werden alle sechs Mitglieder vom Landtag gewählt, mit einfacher bzw. qualifizierter Mehrheit. Ihre Vorsitzende oder ihr Vorsitzender trägt die Amtsbezeichnung „Polizeibeauftragte oder Polizeibeauftragter des Freistaates Sachsen“, um einen mit Vertrauen ausgestatteten Ansprechpartner zu etablieren.

Da die Polizeikommission nicht nur als Beschwerdestelle fungieren, sondern darüber hinaus den Landtag in der parlamentarischen Kontrolle der Polizei unterstützen soll, schlagen wir vor, dass die Mitglieder der Kommission über Erfahrung in Justiz, Verwaltung, Menschenrechts- oder Bürgerrechtsarbeit verfügen. Zwei Mitglieder müssen über zwei juristische Staatsexamen, zwei Mitglieder über mindestens 5 Jahre Erfahrung in der sächsischen Polizei verfügen. Dies soll den Sachverstand bündeln.

Mit der Anbindung an den Landtag, die Wahl durch den Landtag auf 6 Jahre und der Zurverfügungstellung der notwendigen Personal- und Sachausstattung sind die Mitglieder in der Ausübung ihrer Ämter tatsächlich und nicht nur auf dem Papier – wie es die Regelung der Koalition vorsieht – unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen.

Deutlich weiter als die in der Staatskanzlei von der Koalition angesiedelten Beschwerdestelle gehen die Aufgaben und Rechte der Polizeikommission nach unserem Gesetzentwurf.

Sie soll nicht nur Ansprechpartnerin für Beschwerden sein, sondern den Landtag bei der parlamentarischen Kontrolle der Polizei unterstützen. Sie hat daher auch die Aufgabe, interne Fehlentwicklungen und daraus folgende Gefährdungen rechtsstaatlichen Verhaltens bei der Polizei selbst zu erkennen und darüber zu berichten.

Sie ist zu Entwürfen von Verwaltungsvorschriften, Rechtsverordnungen und Gesetzen zu hören. Die Mitglieder dürfen Polizeieinsätze und -maßnahmen jederzeit beobachten. Der Kommission ist Auskunft auf Fragen zu erteilen, Einsicht in alle Unterlagen, Akten, Dateien und Dateisystem zu gewähren, die polizeiliche Aufgaben betreffen. Ihr ist Zutritt zu den Diensträumen zu gewähren und sie kann Polizeibedienstete laden und einvernehmen sowie Beschwerdeführer, Zeugen und Sachverständige anhören.

Anders als beim Vorschlag der Koalition soll dies auch unabhängig von einer konkreten Beschwerde gelten. Denn es muss nicht immer eine konkrete Beschwerde eines Betroffenen geben, um offensichtliches polizeiliches Fehlverhalten aufzuklären!

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

würde man sich an die von ihnen geplante Beschwerdestelle in der Staatskanzlei wenden und diese einen begründeten Beschwerdesachverhalt feststellen, würde folgendes passieren: Nichts.

Sie soll lediglich darauf hinwirken, dass der Beschwerde abgeholfen wird – das klingt eher nach einem erhobenen Zeigefinger als nach wirkmächtigen Maßnahmen. Sie kann außerdem Empfehlungen an das Innenministerium und nachgeordnete Dienststellen der Polizei aussprechen.
Solche Halbherzigkeiten können wir uns bei Beschwerde in und über die Polizei doch nicht leisten!

Wir sehen in unserem Gesetz deshalb ein Beanstandungsrecht der Polizeikommission bei Grundrechtsverletzungen, Gesetzesverstößen und sonstigen Mängeln vor. Wir haben dieses Beanstandungsrecht an das vor der Datenschutzgrund-VO geltende Recht für den Sächsischen Datenschutzbeauftragten angelehnt – mit den Pflichten zu Stellungnahmen und Fristsetzungen zur Behebung von Verstößen.

Wie auch der Entwurf der Koalition sieht unser Gesetz eine jährliche Berichtspflicht vor – allerdings gegenüber dem Landtag. Auch diese Regelung unterstreicht das Ziel, die Polizei besser parlamentarisch zu kontrollieren.

Hinzu kommt das Recht des Landtags, des Innenausschusses oder einer Fraktion, die Polizeikommission um Gutachten zu Vorgängen innerhalb der Polizei zu ersuchen. Eine solche Möglichkeit polizeiliche Einsätze, die offenbar schiefgegangen sind, unabhängig zu prüfen, wäre zuletzt bei den Ereignissen um den Hutbürger oder das Planungsversagen der Polizei in Chemnitz hilfreich gewesen und hätte uns so manche Märchenstunde im Innenausschuss erspart.

Erst am Dienstag wieder musste ich mir in der Anhörung zur Bodycam anhören, wir stellten die Polizei unter Generalverdacht, wenn wir ihre bessere Kontrolle und dazu auch noch eine Kennzeichnungspflicht fordern. Ich bin es langsam leid, das zu hören. Was hat die Polizei zu verbergen, wenn sie sich so vehement gegen Kontrolle und Kennzeichnung ausspricht? Wir brauchen doch endlich einmal eine Fehlerkultur bei der Polizei, die eine unabhängige Kontrolle ermöglicht, statt diese immer nur zu verteufeln!

Die allermeisten der Polizistinnen und Polizisten in diesem Freistaat machen Tag für Tag einen guten Job. Sie arbeiten professionell und verdienen die hohe Anerkennung ihrer Arbeit vollkommen zu Recht. Sie tragen eine hohe Verantwortung zum Schutze der Grundrechte und des Rechtsstaates, haben aber aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols auch die Befugnis, schwere Grundrechtseingriffe vorzunehmen.
Dieser Verantwortung sind Elemente der Eigen- und Fremdkontrolle gegenüberzustellen. Nur so kann sich die Polizei weiter das Vertrauen erarbeiten, was eingefordert wird.

Denn die in der Öffentlichkeit diskutieren Fälle, von Heidenau, über Clausnitz bis Chemnitz und regelmäßige Beschwerden über Beamtinnen und Beamten, die ihrer Ausweispflicht nach dem Polizeigesetz nicht nachkommen sind nicht hinnehmbar und verlangen endlich auch strukturell zu handeln.

Gerade um nicht die gesamte Polizei unter Generalverdacht zu stellen, ist es wichtig, auf Verfehlungen oder rechtswidriges Verhalten zu reagieren, strukturelle Missstände zu erkennen und zu beseitigen. Das gilt auch und gerade für den Umgang mit Polizistinnen und Polizisten innerhalb des Dienstes.
Auch diese müssen die Möglichkeit haben, auf Probleme und Benachteiligungen hinzuweisen, ohne dadurch auf dem Dienstweg Nachteile zu haben. Gerade hier kann eine Beschwerdestelle auch dafür sorgen, innerhalb des Apparates Vertrauen zu stärken und Missstände aufzudecken.

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

durch unsere Polizeikommission wird eine neue Fehlerkultur als Teil einer neuen Polizeikultur in Sachsen etabliert. Eine so unabhängig kontrollierte Polizei trägt maßgeblich zur Stärkung des Vertrauens in den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat bei.
Wer die Bürgerrechte schützen will, kommt um eine unabhängige Beschwerdestelle und um eine Kennzeichnungspflicht nicht vorbei – das sind auch die einzigen Änderungen, die es im Polizeigesetz überhaupt braucht und nicht die Überwachungsfantasien von CDU und SPD.

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