Klimaschutz sozial gerecht – Lippold: Gute Ansätze, aber zu viele Wünsche nach staatlichen Eingriffen

Rede des Abgeordneten Gerd Lippold zum Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema:
"Klimaschutz sozial gerecht: Für eine nachhaltige energetische Gebäudesanierung und bezahlbare Energiepreise für alle" (Drs 6/12637)
69. Sitzung des Sächsischen Landtags, 15. März, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
danke für die Themenfelder Klimaschutz, energetische Sanierung, sozial gerechte Energiewendefinanzierung im heutigen Plenum, liebe Linksfraktion.
Das ist ein weites Feld, und so liest sich auch Ihr Antrag wie drei Anträge in einem. Wären es drei Anträge mit klarem Fokus gewesen, hätten wir wahrscheinlich zweien davon auch zustimmen können.
Geht man den Antrag der Reihe nach durch, so können wir mit den meisten Forderungen unter 1. mitgehen. Auch bei den Forderungen unter 2a bis 2d gibt es erhebliche Schnittmengen. Aber ab 2e: Ich habe den Eindruck, da musste der Antrag fertig werden, und es ist mit Ihnen durchgegangen.  Da schaut man unwillkürlich aus dem Fenster, ob der Panzerkreuzer Aurora die Elbe hoch kommt und vor der Staatskanzlei vor Anker geht!
Zu einigen Punkten des Antrages:
Auch wir wollen die Stärkung der energetischen Sanierung der Altbausubstanz bei gleichzeitiger Begrenzung der Mietsteigerungen. Seit Jahren fordern wir in den Haushaltsverhandlungen auf Basis einer Studie der GRÜNEN-Landtagsfraktion ein wirksames Förderprogramm.
Wenn Sie allerdings fordern, mittelfristig eine vollständige Finanzierung der energetischen Sanierung als gesamtstaatliche Aufgabe durch die öffentliche Hand anzustreben, können wir da nicht mitgehen. Förderung ist immer dazu da, Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen und energetische Sanierung soll so erfolgen, dass sie sich mittelfristig rechnet.
Ähnlicher Meinung sind wir auch bei der Finanzierung von Energiesparmaßnahmen in einkommensschwachen Haushalten. Das Modell des Sozialcontracting-Fonds zur Finanzierung von Stromsparmaßnahmen haben wir bereits vorgeschlagen.
Ihrer Forderung, mineralische und pflanzliche Dämmstoffe zu fördern, stimmen wir ebenfalls zu.
Auch wir wollen natürlich die unsäglichen Strom- und Gassperren verhindern. Dazu haben wir in der letzten Wahlperiode bereits konkrete Vorschläge gemacht. Während Sie hier einfach alternativlos verbieten wollen, wollen wir die Grundversorger nicht dazu verpflichten, kostenlos Strom und Gas zu liefern.
Sie sollen zunächst verpflichtet werden, anstatt einer Sperre einen Vorkasse-fähigen Zähler anzubringen. Geliefert wird dann in dem Umfang wie zuvor bezahlt worden ist. In Sachsen werden Vorkassezähler übrigens bereits von mehreren Stadtwerken eingesetzt.
Das bringt Vorteile für beide Seiten: Keine Forderungsausfälle, keine Mahnverfahren, kein Aufwand für Sperrung und Entsperrung. Und vor allem keine Stigmatisierung der Betroffenen!
Ihre Forderung zur Anpassung der Förderrichtlinien, um im Heizungsbereich von Brennwert hin zu erneuerbaren Energien umzusteuern unterstützen wir, denn weniger als Brennwert wird heute sowieso nicht mehr verbaut. Es wäre als gut, Mitnahmeeffekte zu vermeiden und sich mit Förderung auf die Markteinführung von zukunftsfähigen Technologien zu fokussieren, die auf der Kurve von Kostendegression und Optimierung noch ein Stück zu gehen haben.
Selbstverständlich ist es für die Sektorkopplung gut, moderne Heizungen etwa auf Basis elektrischer Wärmepumpen zu fördern. Allerdings muss man auch dort genauer hinschauen. So ist eine rasche Markteinführung von elektrischen Wärmepumpen nur sinnvoll, wenn zeitgleich auch der Strommix rasch und verbindlich dekarbonisiert wird.
Eine rasche Einführung von Wärmepumpen ohne intelligente Steuerung und ohne ausreichende Wärmespeicher steigert zu den unmöglichsten Zeiten Grundlastnachfrage, erschwert Sektorkopplung und wirkt als Lebensversicherung für alte Kohlekraftwerke. Dann haben Sie zwar im Haus eine saubere Heizung, doch deren Emission erfolgt in Boxberg oder Lippendorf.
Wir sind dafür, erneuerbare Wärme verstärkt zu fördern – beispielsweise bei der intelligenten Fernwärme. Da man dafür erst mal eine Datenbasis braucht, haben wir kommunale Wärmenutzungspläne sowie deren Förderung und Qualitätssicherung vorgeschlagen.
Zu den Haushaltsenergiekosten. Dort ist zu betrachten, in welchen Haushalten die Energieversorgung einen zu hohen Anteil am verfügbaren Einkommen frisst. Das sind die Haushalte, deren Situation man mit Energiearmut bezeichnet. Das betrifft, und damit haben Sie sich in Ihrem Antrag auch beschäftigt, vor allem einkommensschwache Haushalte, die Sozialleistungen beziehen.
Und genau dort muss dann mit Mitteln der Sozialpolitik auch gezielt angesetzt werden, um tatsächlich bedarfsdeckend zu unterstützen. Energiepolitik und Sozialpolitik muss man dabei aber sauber trennen und darf nicht versuchen, die Aufgaben auf der einen Seite mit Eingriffen auf der anderen Seite zu lösen.
Es wäre ein systemfremder Ansatz, in Energiemärkte und Tarifsysteme von Stadtwerken und anderen Energieanbietern einzugreifen, um für einkommensschwache Haushalte die Energierechnungen zu senken. Da könnten Sie auch reduzierte Preise für Grundnahrungsmittel verlangen. Hatten wir alles schon mal.
Ihre Absichten, den liberalisierten, zunehmend europäischen Strommarkt wieder in Gänze unter staatliche Preisregulierung zu setzen, lehnen wir angesichts von über 1100, von der Monopolkommission überwachten Energieanbietern mit rund 15000 Tarifen in einem hart umkämpften Markt als völlig am Thema vorbeigehend ab.
Wir können uns angesichts dieser Gemengelage nur enthalten. » Alle Infos zum 68./69. Plenum » Alle GRÜNEN Reden