Kommunalfinanzen – Schubert: Das Sächsische Finanzausgleichsgesetz gehört auf den Prüfstand

Rede der Abgeordneten Franziska Schubert in der Zweiten Aktuellen Debatte zum Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema:
"Sorgen der Kommunen ernst nehmen – Kommunalfinanzen zukunftsfest machen!"
68. Sitzung des Sächsischen Landtags, 14. März, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Das Thema der kommunalen Finanzen ist schon lange auf der Aufgabenliste und in den letzten Jahren zusehens, da hier nicht nur in monetärer Hinsicht ein Problemdruck wächst, dessen wir uns hier im Parlament annehmen müssen. Die Problematik wird sich nicht von selbst auflösen und lässt sich auch nicht mehr mit Trostpflastern heilen. Lieb gewonnene Wiederholungen vonseiten der Staatsregierung und der regierungstragenden Fraktionen verlieren auch unübersehbar an Gültigkeit. Das ist zum einen das Märchen davon, dass alles mit der kommunalen Familie abgestimmt wäre. Das sind die halbgare Puzzlestücke, die im verschlossenen Kämmerlein vom FAG-Beirat ausgekungelt werden, und das ist die immer brüchiger werdende Mär vom ausgezeichneten Finanzausgleichsgesetz Sachsens.
Fragt man die Wissenschaft, und meine Fraktion hat das getan, nach einer Einschätzung zum Sächsischen Finanzausgleichsgesetz, so bekommt man als Antwort: verstaubt, technisch geprägt und in sich widersprüchlich. Es funktioniert einfach nicht mehr so, wie zu derzeit, als es entwickelt wurde,und genau das spiegeln die Kommunen verstärkt wider. Alles andere wäre Augenwischerei. Da geht es nicht nur um die reinen Zahlen und eben um das Geschrei, wir brauchen mehr Geld, wir sind arm. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass der Umgang der Staatsregierung mit den Kommunen einfach nicht gut ist und zu wachsendem Unmut führt. Das geht nicht.
Es geht auch nicht, alles wegzuwischen mit der Argumentationslinie, es seien Einzelfälle. Es geht auch nicht mehr zu sagen, es sind einzelne Kommunen, die sich beschweren oder überzogene Wünsche vonseiten der Bürgermeister. Man kann auch nicht immer sagen, die sind ja nicht in der Lage, ordentlich zu wirtschaften. Das ist etwas respektlos gegenüber den Kommunen und sorgt natürlich dafür, dass der Unmut wächst.
Ich will, dass wir uns heute in dieser Debatte in die Augen sehen und sagen: Ja, hier stimmt vieles nicht mehr, und ja, hier braucht es Veränderungen. Da geht es nicht nur darum, Geld wahllos reinzuschütten, sondern es geht um die Art und Weise, wie die Förderverfahren gestaltet werden und wie man miteinander umgeht.
Staatsentwicklung und Landesentwicklung kann man an Staatszielen ausrichten.
Diese sind für Sachsen in der Sächsischen Verfassung formuliert. Finanzpolitik hat sehr viel damit zu tun, ob man diese Staatsziele erreicht oder nicht. Im Bereich der Kommunalfinanzen ist das um so wichtiger, weil sich das Leben in den Kommunen abspielt. In der Präambel steht geschrieben: ,,… von dem Willen geleitet, der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Bewahrung der Schöpfung zu dienen“. Das sind die drei Staatsziele, die wir uns selber gegeben haben.
Fangen wir mit der Gerechtigkeit an. Wir GRÜNEN wissen, wie wichtig Gerechtigkeit ist. Uns geht es um Verteilungsgerechtigkeit, Teilhabegerechtigkeit und Generationengerechtigkeit. All das legen wir als Prüfungsmaßstäbe an. Wir sehen, dass diese Gerechtigkeiten im derzeitigen Finanzausgleich nicht mehr vollumfänglich gegeben sind. Die Kommunen artikulieren doch, dass sie das System als zunehmend ungerecht empfinden und dass es an vielem fehlt. Hier empfehle ich dringend,darüber nachzudenken, ob wir nicht zukünftig bedarfsorientiert vorgehen und uns vom Verbundquotenmodell lösen sollten.
Kommen wir zum zweiten Staatsziel, dem Frieden. Die Situation der Kommunen und die finanziellen Spielräume, um Lebensqualität vor Ort gestalten zu können, haben sehr viel damit zu tun, wie es um den gesellschaftlichen Frieden in diesem Freistaat steht. Der Freistaat braucht die Kommunen dafür, sei es in der Jugendarbeit, als Ansprechpartner für die Menschen oder als Keimzelle für demokratische Bildung. Die gute Finanzausstattung der Kommunen hat gesellschaftsrelevante Auswirkungen.
Hier müssen wir uns das Thema Schlüsselzuweisungen ansehen. Es gibt eine Unverhältnismäßigkeit zwischen den investiven und den allgemeinen Schlüsselzuweisungen. Die Kommunen kriegen auch deswegen ihre Haushalte nicht dicht, weil die investiven Schlüsselzuweisungen – und das ist exemplarisch für ostdeutsche Haushalte in den Ländern – viel zu hoch sind.
Das letzte Staatsziel ist die Bewahrung der Schöpfung. Das hat in Sachsen nach wie vor nicht den Stellenwert, den es braucht, um eine enkeltaugliche Zukunft zu bauen.
Ich kann jetzt nicht alle GRÜNEN-Vorschläge für die Modernisierung des sächsischen Finanzausgleichs vorstellen. Dafür fehlt mir die Zeit. Aber für das Staatsziel Bewahrung der Schöpfung möchte ich zumindest anbringen, dass es durchaus interessant wäre, einen ökologischen Finanzausgleich ins FAG aufzunehmen. Grundsätzlich geht es aber, wenn ich DIE LINKE richtig verstanden habe, in dieser Debatte um den Umgang mit den Rückmeldungen der Kommunen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir GRÜNE haben bereits im Jahr 2016 einen Antrag zum Thema kommunale Finanzen vorgelegt, in dem wir gefordert haben, dass das FAG, also das Finanzausgleichssystem in Sachsen, auf seine Zeitgemäßheit überprüft wird. Damals haben wir uns Fragen gestellt, ob es geeignet ist, mit demografischen Entwicklungen, mit Schrumpfung und Wachstum gleichermaßen, umzugehen, ob es einen noch adäquaten Mehrbelastungsausgleich für übertragene Aufgaben gibt oder ob auf spezifische Bedarfe tatsächlich reagiert werden kann. Die Sachverständigenanhörung dazu war sehr aufschlussreich.
Ich erlaube mir, darauf aufbauend hier noch einmal Fragen zu stellen: Wie soll mit diesem FAG, das wir momentan haben — so sind nun einmal die Rückmeldungen – die Dynamik zwischen den Wachstumsregionen und dem ländlichen Raum aufgefangen werden? Wie soll mit den unterschiedlichen Entwicklungen im Lande umgegangen werden, denn beide, Wachstum und Schrumpfung, kosten Geld? Es genügt nicht, sich für einen hohen Anteil investiver Schlüsselzuweisungen zu feiern – ich sage es jetzt noch einmal, das ist exemplarisch, wenn man sich sämtliche ostdeutschen Bundesländer und ihre Haushalte anguckt – ; denn die Kommunen bekommen durch die Bank ihre Ergebnishaushalte durch diesen Schmarrn kaum ausgeglichen, ganz abgesehen davon, dass die Doppik auf kommunaler Ebene durchgezogen wird und das Land dies für sich ausschließt. Das macht etwas, das hat Auswirkungen, und das ärgert die Kommunen.
Ich will nicht, dass es heute hier heißt, es gäbe keine Lösung oder Alternativen. Sie gibt es, und das Sächsische Finanzausgleichsgesetz gehört auf den Prüfstand. Ich sage nicht, dass ein solches Vorhaben schnell erledigt ist, denn ein solcher Prozess ist komplex, intensiv und zeitaufwendig.
Wir sehen das in anderen Bundesländern; so viele haben ihre Finanzausgleichsgesetze umgestellt. Es wäre schade, wenn wir das erst tun müssten, wenn es eine Klage von der kommunalen Ebene gibt. Wir müssen anfangen.
Wir müssen so vorgehen, dass ein echter Beteiligungsprozess gegeben ist, und zwar so, wie das in Schleswig-Holstein gelaufen ist. Wir GRÜNE haben Lösungen und Alternativen. Wir haben Ideen und Richtschnüre, an denen wir uns orientieren. Wir schauen in andere Bundesländer und wir schauen in die Sächsische Verfassung.
Wir fordern die Staatsregierung und die regierungstragenden Fraktionen auf, das ebenfalls zu tun und ihr Handeln danach auszurichten. Wir stehen für Gespräche zur Verfügung.
Vielen Dank.

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