Parité-Gesetz im Landtag – Lippmann: Keine schnellen Punkte, sondern saubere Lösungen

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE:
"Gesetz zur Gewährleistung der paritätischen Vertretung von Frauen und Männern im Sächsischen Landtag – Sächsisches Parité-Gesetz (SächsParitéG)", Drs 6/16948, 3. Juli TOP 17
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Das Thema Parität und seine Bedeutung für unsere repräsentative Demokratie kommt langsam, aber sicher, in den Köpfen an. In immer mehr Bundesländern gibt es konkrete Ideen und Initiativen zur Änderung der Wahlgesetze und der Landesverfassungen. Brandenburg war der Pionier, Thüringen zieht in diesen Tagen mit einem noch weitreichenderem Paritätsgesetz nach. Diverse Koalitionsverträge enthalten entsprechende Zielstellungen und Prüfaufträge. Wir GRÜNE begrüßen jede Initiative, die zum Ziel hat, zu verwirklichen, was Frauen zusteht: die Hälfte der Macht.

Der Weg zu einer verfassungsrechtlich sauberen Lösung ist jedoch kompliziert. Gerade das Wahlrecht ist äußerst formstreng und die verfassungsrechtliche Debatte nicht gerade trivial – auch bei uns GRÜNEN gibt es unterschiedliche Ansichten, ob ein Parité-Gesetz wie dieses ohne eine Verfassungsänderung verfassungskonform möglich ist. Es geht um eine  hochkomplexe Abwägung von Grundrechten, Wahlgrundsätzen und Parteienrechten. Schlussendlich steht die Frage, ob Artikel 3 Abs. 2 GG und die analogen Regelungen der Landesverfassung einen legitimen und gewichtigen Grund darstellen, in die eigentlich unverbrüchlich geltenden Wahlrechtsgrundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl einzugreifen.
Es gibt viele, die daran berechtigte Zweifel haben. Aber auch ich muss zugeben, dass ich, als einer der Skeptiker diesbezüglich in den letzten Jahren, mit durchaus auch verfassungsrechtlich überzeugenden Gegenargumenten konfrontiert wurde. Mit der gerade wieder sehr holzschnittartig vorgetragenen Behauptung, Paritätsgesetze seien per se verfassungswidrig, ohne zumindest eine halbwegs luzide Argumentation zu führen, macht man es sich einfacher, als man es sollte.

Das alles – und noch viel mehr – ist im Rahmen einer breiten juristischen und gesellschaftlichen Diskussion abzuwägen. Dabei wird auch die Einschätzung der Verfassungsgerichte eine entscheidende Rolle spielen. Das brandenburgische Paritätsgesetz liegt bereits beim Landesverfassungsgericht. Wir dürfen gespannt sein, welcher Linie die Verfassungsrichter folgen.
Gerade weil die LINKE sich das Brandenburgische Paritätsgesetz zum Vorbild nahm, hätte es der Sache gut getan, zumindest eine erste Positionierung des dortigen Landesverfassungsgerichts abzuwarten, zumal Sie ja mit ihrem Änderungsantrag nunmehr kein Inkrafttreten mehr in dieser Legislaturperiode vorsehen und wir insoweit auch hinreichend Zeit haben.
Stattdessen legen Sie uns aber einen alles andere als durchdachten Gesetzentwurf vor, der auf der einfach-gesetzlichen Ebene mehr Probleme aufwirft, als er löst.
Sie wissen, dass Wahlrecht eines meiner Leib- und Magenthemen in diesem Haus ist. Und vor diesem Hintergrund kann ich Sie, selbst unter der hypothetischen Annahme der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Idee, nicht von Kritik am konkreten Gesetz verschonen.
Das fängt beim bunten Wechsel zwischen Soll- und Muss-Vorschriften hinsichtlich der Listenaufstellung an. Der Gesetzentwurf suggeriert zunächst eine Soll-Vorschrift, um dann eine sehr starre Reihungsvorgabe zu machen, deren Nichteinhaltung zur Nichtzulassung von Teilen der Liste führen kann.
Und setzt sich da fort, wo Listen gegebenenfalls nachträglich geändert werden müssen, weil Kandidaturen zurückgezogen werden und hier Unklarheit herrscht, was das dann für Folgen für die Gesamtliste hat, weil sie dann ja nicht mehr quotiert ist.
 
Diese und viele andere Fragen hätten in einer Sachverständigenanhörung geklärt werden können. Das war aber seitens der Linken offenbar nicht gewollt, weil es ihnen in einem sensiblen Terrain mehr um schnelle Punkte, als um kluge Lösungen ging.
Dass Sie dann noch die Direktmandate vollkommen aussparen und sich nur der Landesliste widmen, ist für mich, gerade mit Blick auf die realen Verhältnisse in Sachsen, unverständlich. Überbringens halte ich auch das für verfassungsrechtlich schwierig: Wenn man der Meinung ist, aus Art. 3 Abs. 22 GG eine Notwendigkeit der Änderung der Wahlgesetze mit dem Ziel der paritätischen Besetzung herleitet, so ist es meines Erachtens nicht nur unlogisch, sondern auch unzulässig, dies dann nur in einem Teilsystem der Mandatsvergabe zu regeln.
Mit diesem Schnellschuss erweisen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, den berechtigten Anliegen leider einen Bärendienst. Das können wir bei aller Zustimmung zum Grundanliegen nicht unterstützen, weshalb wir uns enthalten werden.
GRÜNE Politik steht für durchdachte Konzepte, juristisch saubere Lösungen . Unser Ziel ist ein verfassungskonformes Paritätsgesetz, das sich nicht nur mit der Aufstellung der Landeslisten befasst, sondern vor allem auch Regelungen zu den Direktkandidaturen enthält.
Meine Partei hat jahrzehntelange gute Erfahrungen damit, Frauen durch paritätische Listen und Gremien für die aktive Parteiarbeit begeistern zu können. Diese Erfahrungen teilen wir gerne. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, zieht auch das Argument, es gäbe keine interessierten Frauen, nicht mehr.
Viele Frauen in Sachsen wollen etwas bewegen. Das geht nicht ohne Macht und deshalb wird das heute nicht das Ende der Diskussion zu diesem wichtigen Thema sein.
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