Petitionsbericht – Schubert: Das Petitionswesen ist für die sächsische Politik unerlässlich. Wir Politikerinnen und Politiker sind darauf angewiesen!

Unterrichtung durch den Petitionsausschuss:
"Bericht des Petitionsausschusses (Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2018)" (Drs 6/18084)
95. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 4. Juli, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

einmal im Jahr nehmen wir uns hier im Parlament die Zeit, um den Jahresbericht des Petitionsausschusses zu besprechen. Und das ist auch richtig so, ganz besonders am Ende einer Wahlperiode. Das gibt uns Gelegenheit, Bilanz über die Arbeit des Petitionsausschusses, aber auch zum Stand des Petitionswesens im Allgemeinen zu ziehen.

Zunächst möchte ich mich dem Dank meiner Vorrednerinnen und Redner an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsdienstes anschließen. Worauf ich und die anderen Ausschussmitglieder uns immer verlassen konnten und was wir allesamt sehr schätzen: die geduldige, freundliche und serviceorientierte Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Petitionsdienst.

Dass wir heute über den Bericht sprechen ist keine politische Folkloreveranstaltung, die irgendwie dazu gehört. Das Petitionswesen ist für die sächsische Politik unerlässlich. Wir Politikerinnen und Politiker sind darauf angewiesen. Es gibt kaum einen Ausschuss im Sächsischen Landtag, der sich so unmittelbar und plastisch mit der Lebenswelt der Menschen auseinandersetzt. Eigentlich steht im Bericht alles, was es zum Wahlkampf braucht: nämlich die Themen, welche die Menschen in ihrem Alltag beschäftigen.
Zu jeder beinahe denkbaren gesellschaftlichen Frage wenden sich die Menschen an den Sächsischen Landtag. Und hier liegt eine der wichtigsten Funktionen des Petitionswesens: Es bringt die Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen, auf unseren parlamentarischen Radar.

Ich habe mich darüber gefreut, dass sich nach Jahren des Rückganges wieder mehr Menschen mit ihren Anliegen an den Landtag gewandt haben. 726 Schreiben haben den Landtag erreicht, 556 wurden letztlich behandelt. Auf dieser positiven Entwicklung wollen wir uns als Bündnisgrüne aber nicht ausruhen. Es gilt, das sächsische Petitionswesen weiterzuentwickeln.

1) Sprache und Verständlichkeit
Der Jahresbericht selbst legt potenziellen Petenten z.B. nahe, sie mögen vor Einreichung einer Petition erst mal prüfen, ob das Anliegen >>nach §11 Gemeindeordnung<< nicht z.B. eher in den Zuständigkeitsbereich einer Kommune gehört. Ich frage mich, wie viele Menschen außerhalb dieses Hauses mit §11 der Gemeindeordnung etwas anfangen können. Wir als Politikerinnen und Politiker haben die Verantwortung und die Pflicht eine Sprache zu finden, die verständlich ist. Wir GRÜNE haben hierfür Vorschläge erarbeitet, die in der nächsten Wahlperiode umgesetzt werden sollten.

2) Öffentlichkeit
Das Petitionsverfahren wird komplett nicht öffentlich durchgeführt. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass es in Zukunft auch die Form der öffentlichen Petition geben wird. Diese würden nach Einreichung im Internet veröffentlicht werden, damit andere Menschen sie unterstützen können. Wenn eine kritische Zahl an Unterstützenden zusammenkommt, sollen die PetentInnen das Recht haben, öffentlich im Ausschuss angehört zu werden. Das wird andernorts erfolgreich praktiziert.

3) Anwendungsfreundlichkeit
Wer im Jahr 2019 seine Petition online einreichen möchte, kann dies auf der Webseite des Landtages zwar tun. Allerdings ist die Zeichenanzahl immer noch auf gerade einmal 1000 Zeichen beschränkt. Wenn man dann noch Anlagen einreichen will – und sehr viele Petentinnen und Petenten wollen das, um ihr Anliegen zu verdeutlichen – geht das nur auf dem Postweg. In Zeiten, in denen selbst Bewerbungsunterlagen nur noch elektronisch versandt werden, ist dies doch eine sehr antiquierte Art, die Dinge zu erledigen.

Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir Schritt für Schritt vorankommen.

Und so gibt es noch einige Punkte mehr, in denen wir deutlich besser werden können. Meine Fraktion hat ein umfangreiches Programm erarbeitet, um das Petitionswesen zeitgemäßer, moderner zu machen. Ich sehe darin eine der wichtigsten Aufgaben, denen sich der nächste Landtag stellen sollte.

Gleich auf den ersten Seiten des Jahresberichts findet sich eine Neuerung, die ich mit eingebracht habe und worauf ich stolz bin: Die Vorworte sind erstmals auch in sorbischer Sprache verfasst. Ich freue mich, dass es gelungen ist, dies unkompliziert umzusetzen. Unser Ziel ist es, dass der gesamte Bericht auch auf Sorbisch verfügbar wird und damit dem Verfassungsauftrag hinsichtlich der Bürgerinnen und Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit als gleichberechtigtem Teil des Staates wieder ein Stückchen mehr Rechnung getragen wird.

527 Petitionen konnten wir abschließen, 318 davon haben allerdings einen Brief erhalten, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass ihrem Anliegen nicht abgeholfen werden konnte. Und doch wollen wir genauer hinschauen. 54 Petitionen wurde abgeholfen, das heißt, das Petitionsverfahren hat zu einer Lösung im Sinne des Petenten geführt. Dazu kommen noch 82 Petitionen, die sich erledigt haben, und 15, die der Staatsregierung zugeleitet wurden, damit sie Berücksichtigung finden. Das bedeutet, dass fast jede dritte Petition in irgendeiner Art und Weise Erfolg hatte. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht: Selbst wenn eine Petition formal abgelehnt werden muss, gibt es genug alternative Möglichkeiten, auf die man die Petentinnen und Petenten aufmerksam machen kann, wie sie an ihr Ziel kommen können. Was zur Wahrheit auch gehört – und was aus meiner Sicht für verständlichen Frust sorgt – ist, dass besonders Petitionen zu kontroversen Themen, oder Petitionen mit ambitionierten Forderungen oft nicht so aufgegriffen werden, wie es angemessen wäre. Und das obwohl sich viele Menschen beteiligt haben. Das konnten wir in dieser Wahlperiode zum Beispiel immer wieder beim Thema Baumschutz beobachten. Verschiedene Petitionen wurden eingereicht, die allesamt gefordert haben, dass der Baumschutz in den Kommunen wieder deutlich besser wird.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt des Jahresberichts zu sprechen kommen, der immer wieder auf Unverständnis stößt: die Bearbeitungszeiten. Ja, es stimmt, die meisten Petitionen im letzten Jahr haben 3-12 Monate bis zum Abschluss gebraucht. Bei 62 Petitionen dauerte es sogar länger als ein Jahr. Ich kann gut verstehen, wenn solche Zeiten für Unmut sorgen, immerhin erhoffen sich die Petentinnen und Petenten von ihrer Petition schnelle Hilfe. Allerdings soll bei der Bearbeitung von Petitionen immer der Grundsatz gelten: Qualität vor Schnelligkeit.

Im vorliegenden Jahresbericht gibt es eine Petition, an der ich gearbeitet habe. Es ging um eine Gemeinde in SOE, in der die höchsten Abwassergebühren in Sachsen gezahlt wurden. Das lag zum Teil daran, dass in der Vergangenheit erhebliche Fehler gemacht wurden, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger erschüttert haben. Als ich die Petition übernommen habe, waren die Fronten zwischen allen Beteiligten mehr als verhärtet. Wir haben dann diese Petition über drei Jahre lang bearbeitet. Immer wieder Gespräche mit den Beteiligten geführt, einen Ortstermin abgehalten, bei der Staatsregierung mit immer neuen Fragen nachgefasst. Es war sehr aufreibend und doch gehört es zu meiner absoluten Lieblingserinnerung an diese Wahlperiode, wie an einem Winternachmittag letztlich der gordische Knoten durchschlagen werden konnte und wir am Ende doch eine Einigung erzielt haben. Die Abwassergebühren konnten wir damals drastisch senken, der Petition wurde abgeholfen. Es hat über drei Jahre gedauert.

Was mich und uns als GRÜNE besonders freut, ist die Tatsache, dass besonders Umwelt, Natur und Tierschutz den Petenten am Herzen liegen. In diesem Jahr war es z.B. eine Petition zum Thema Weidetierprämie, welche die meisten Unterschriften, nämlich 120.000, verzeichnen konnten. Oder über 8.000 Menschen haben sich für ein Verbot von Nutztiertransporte in andere Länder eingesetzt. Das zeigt doch deutlich, wie wichtig den Menschen genau diese Themen tatsächlich sind. Verantwortungsvolle Politik sollte das nicht ignorieren.

Zum Abschluss möchte ich noch einmal bekräftigen, dass das Petitionswesen in Sachsen wichtig ist für unsere Demokratie und die Arbeit im Petitionsausschuss eine lohnende Aufgabe. Wir sollten als Landtag achtsam sein, dass die Menschen das Vertrauen in dieses Instrument nicht verlieren und wir sollten es stärken. Dafür braucht es neben einer wertschätzenden Haltung den Mut, neue Wege zu gehen.
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