Rechnungshof zur Erstaufnahme von Flüchtlingen – Schubert: Es gilt immer abzuwägen zwischen Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert zur Unterrichtung des Sächsischen Rechnungshofes zur Unterbringung und Organisation Erstaufnahme der Flüchtlinge im Freistaat Sachsen
Antrag der Fraktion GRÜNE, Drs 6/14812, 11. Dezember, TOP 15

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit seinem Bericht hat der Sächsische Rechnungshof die Unterbringung und Organisation der Erstaufnahme der Flüchtlinge im Freistaat Sachsen in den Jahren 2014 bis 2017 auf Wirtschaftlichkeit untersucht und Handlungsempfehlungen für die Zukunft formuliert.

Die Situation im Jahr 2015 und 2016 war besonders. Der Freistaat Sachsen und die Kommunen standen vor der Herausforderung, eine große Anzahl von Geflüchteten in kürzester Zeit unterzubringen. Die Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen wurden von circa 2.000 Unterkunftsplätzen im Januar 2015 auf circa 25.500 Plätze im Dezember 2015 (zehnfache!) erhöht.

Rückblickend kann gesagt werden, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Verwaltungsbereiche recht gut funktioniert hat. Dank gebührt aber auch den vielen Ehrenamtlichen, die von Beginn an die Strukturen unterstützt haben und ohne die es nicht möglich gewesen wäre.

Rückblickend waren die Zahlen aber auch geringer als behauptet. Statt der vom Sächsischen Ministerium des Inneren ursprünglich behaupteten 69.000 kamen 2015 lediglich rund 40.000, danach gingen die Zahlen deutlich zurück. 2016 kamen nur noch 8.645 Geflüchtete; 2017 nur noch 5.894 Geflüchtete. Ich mag es nicht, wenn mit Zahlen und Bildern Ängste geschürt werden. ich mag es aber wohl, sich Zahlen anzuschauen und darauf sachliche Argumentationen aufzubauen.

Drei Punkte aus dem Bericht möchte ich aufgreifen:

1. Aus dem Bericht geht hervor, dass im Juli 2017 nur noch rund 7,4 Prozent der Unterbringungsplätze ausgelastet waren. 8.590 Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen wurden 2016 und 2017 nur ‚auf dem Papier‘ abgebaut. Dadurch entstand eine Kostenbindung von 25 Millionen Euro für die Miete und Restlaufzeit und 1,5 Millionen Euro für Objektschutz. Sieben Einrichtungen wurden nie in Betrieb genommen, wofür Kosten für 62 Millionen Euro entstanden. Zusammengerechnet wurden 90 Millionen Euro für Leerstand ausgegeben.

Niemand konnte in die Zukunft sehen, aber ich möchte anhand der Stadt Dresden aufzeigen, wie verantwortungsvolle Lösungen aussehen können: Die Mehrheit aus GRÜNEN, SPD und der LINKEN hatte damals im Stadtrat erkannt, dass die vorrübergehende Nutzung von Hotels oder der Kauf von Wohncontainern, die nicht länger als fünf Jahre nutzbar sind, sehr teure Lösungen und daher zu vermeiden sind. Gleichzeitig stand man vor dem Problem, in kurzer Zeit Menschen human unterzubringen und Notquartiere oder Zelte zu vermeiden. Trotz heftiger Debatte setzte die Mehrheit durch, dass keine Wohncontainer angeschafft werden sondern bestehender Wohnraum und neuer Wohnraum genutzt wird. Es wurden Anmietungsfristen für Hostels vereinbart, die nicht länger binden sollten als zwei Jahre. Auch der Rechnungshof betont in seinem Bericht, dass die Unterbringung in Containern am unwirtschaftlichsten ist.

2. Als zweiten Punkt möchte ich auf die Empfehlung des Rechnungshofes eingehen, unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit weniger und dafür größere Erstaufnahmeeinrichtungen im Freistaat Sachsen zu schaffen. Das lehnen wir GRÜNEN ab. Durch noch größere Einrichtungen werden die Probleme vor Ort verschlimmert. Immer wieder wird von Gewalt in Unterkünften berichtet; hinzu kommen weitere Problematiken, zum Beipiel verdeckte Prostitution. Die Ursachen liegen auf der Hand: Menschen verschiedenster kultureller Herkunft leben dort auf engstem Raum. Einige sind traumatisiert von den Erfahrungen der Flucht. Sie befinden sich zudem in einer unsicheren Lage, was ihren Aufenthalt betrifft. Das führt zu Konflikten. Mit dem neuen Gesetzesentwurf zum Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz wird die Lage noch verschärft, dass Menschen mit einer vermeintlich schlechten Bleibeperspektive bis zu vierundzwanzig Monate in einer solchen Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden sollen. In großen Unterkünften irgendwo am Rande der Stadt und Gesellschaft kann keine Integration starten oder gar gelingen. Das Geld, was wir hier sparen würden, geben wir an anderer Stelle zehnfach wieder aus. Und letztendlich dürfen wir nicht vergessen, dass es hier um die Unterbringung von Menschen geht, Wirtschaftlichkeit hin oder her.

3. Zuletzt möchte ich meine Kritik an dem auch im Bericht angesprochenen Ausreise- und Abschiebegewahrsam äußern. Dieses wurde letzte Woche in Dresden in der Hamburger Straße in Betrieb genommen. Wir kritisieren, dass die Zustände in der Abschiebehaft an den Strafvollzug erinnern. Es sind aber keine Straftäter, die dort untergebracht werden.

In seinem Bericht konnte der Sächsische Rechnungshof noch keine Aussage zur Wirtschaftlichkeit treffen, aber die Kosten sind hoch. Der Personalbedarf ist im Vergleich zur Justizvollzugsanstalt etwa zwei- bis dreimal so hoch. Aber hier scheut das Sächsische Staatsministerium keine Kosten, wenn es darum geht, Menschen zu kriminalisieren und abzuschrecken. Das Geld wäre wo anders sicher besser aufgehoben, z.B in Bildung, in Integration, in sozialen Wohnungsbau, um nur einiges zu nennen.

Es gilt immer abzuwägen zwischen Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Für beides ist Sachsen im Bereich staatliches Handeln nicht besonders bekannt.

Die Umsetzung geltenden Rechts zum Beispiel bei der Anwendung der UN-Behindertenrechtskonvention in Bezug auf ausländische Schutzsuchende ist ein weiterer Punkt, der in die Thematik hineinspielt. ER war nicht Gegenstand der PRüfung des Sächsischen Rechnungshofes. Hier sind sicher auch andere Instanzen gefragt, aber de facto fallen diese Personen – also Menschen mit Behinderungen, ausländische Studierende – von den Kosten her gar nicht in diesen Bereich hinein. Sie fallen unter das Teilhabegesetz und damit in den SGB-IX-Bereich. Vor diesem Hintergrund wäre zu prüfen, ob in den Berechnungen, die auch im Sonderbericht zu finden sind, mögliche Verzerrungen in den Kosten aufgetreten sind.

Abschließend dankt meine Fraktion dem Rechnungshof für die Dienstleistungen der Sonderberichte. Sie basieren auf Zahlen und helfen dem Parlament bei einer sachlichen Meinungsbildung.