Sozialer Wohnungsbau – Günther: Bitte helfen Sie den Menschen mit Wohnungsnot in Sachsen.

Rede des Abgeordneten Wolfram Günther zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion zum Thema:
"Sozialen Wohnungsbau in Sachsen endlich ermöglichen statt verhindern"
66. Sitzung des Sächsischen Landtags, 31. Januar, TOP 11
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es geht um den sozialen Wohnungsbau und auch darum, was im sozialen
Wohnungsbau in Sachsen nicht geht.
Zur Erinnerung, welche wohnungspolitischen Ziele wir erreichen wollen: Wir wissen
erstens, dass in Sachsen zunehmend Wohnraum fehlt. Es fehlen Zehntausende Wohnungen. Zweitens fehlt vor allem bezahlbarer Wohnraum, Wohnraum für Leute mit geringem oder teilweise mit gar keinem eigenen Einkommen. Zur Erinnerung: Im Jahr 2010 hatten wir noch 83.000 Sozialwohnungen in Sachsen. Heute haben wir praktisch keine mehr. Wir haben noch ein weiteres Ziel: Wir wollen den fehlenden Wohnraum dauerhaft schaffen. Wir wollen die Probleme langfristig lösen. Angesichts der steigenden Mietpreise in den großen Städten will man auch die Mietpreise
dämpfen. Das sind die wohnungspolitischen Ziele.
Vor diesem Hintergrund haben wir GRÜNEN immer wieder gefordert, dass der in Sachsen seit
2001 ausgelaufene soziale Wohnungsbau wieder aufgenommen wird. Seit letztem Jahr ist das auch endlich der Fall. Das ist zunächst einmal ein Erfolg. Jetzt kommen aber die Meldungen aus den betreffenden Städten, die etwas mit dieser neuen Förderrichtlinie anfangen wollten. Es gibt große Kritik und die Feststellung, dass die genannten Ziele von denen gar nicht erreicht werden, nicht einmal annähernd. Es gibt einen dringenden Überarbeitungsbedarf der Förderrichtlinie. Den wollen wir jetzt anmahnen und das auch ganz konkret machen.
Zunächst einmal etwas ganz Erstaunliches: Wir reden ja oft über Mietpreisbremsen, vor allem nach oben, um eben Mietpreise zu dämpfen. Diese Richtlinie enthält eine Mietpreisbremse nach unten, und zwar über zwei Hebel. Zum einen werden die sogenannten Kosten der Unterkunft festgelegt, also das, was die Sozialbehörden in den Städten übernehmen. Wenn Mieten für Sozialwohnungen angeboten werden, die diesen Satz unterschreiten, dann werden die Zuschüsse aus der Förderung
entsprechend gekürzt.
Jetzt muss man wissen, in Leipzig etwa liegen die KUU-Sätze um die 4,60 Euro bis 5,00 Euro pro Quadratmeter, die Bestandsmieten bei 5,50 Euro bis 6,00 Euro und die Mietpreise bei Neuvermietung schon bei 6,85 Euro. In Dresden liegen wir bei den KUU-Sätzen schon bei 6,50 Euro, bei Bestandsmieten um 6,10 Euro und bei Neuvermietung bei 7,10 Euro. Das bedeutet, wenn der Höchstsatz von 3,50 Euro, der prg Quadratmeter durch die Förderung zu erreichen ist, genommen werden soll, dann bekommt etwa die neue Wohnungsbaugesellschaft hier in Dresden, wenn sie jetzt für 5,00 Euro vermieten will, um ein bisschen dämpfend zu wirken, nur noch 1,50 Euro Förderung; denn sie darf ja in diesen Satz der Kosten der Unterkunft von 6,50 Euro nicht unterschreiten, kann also gar nicht, wenn sie den mietpreisgedämpft anbieten will, die volle Förderung bekommen.
Darüber hinaus gibt es noch einen zweiten Hebel; das ist die 35-Prozent-Regelung. In der Regel werden nur 35 Prozent der Angebotsmiete gestützt. Das bedeutet auch hier: Wenn ich anbieten will und 35 Prozent‚ also den vollen Höchstsatz, 3,50 Euro pro Quadratmeter, bekommen will, dann brauche ich eben eine Angebotsmiete von 10,00 Euro, damit ich die 3,50 Euro wieder abziehen kann; dann komme ich bei 6,50 Euro bei den Leuten wieder heraus.
Das bedeutet bei einem KdU-Satz in Leipzig von 4,60 Euro bis 5,00 Euro – ich erinnere daran – Folgendes: Wenn etwa die LWB dort nur 4,70 Euro nehmen wollte, würde sie nur noch 2,50 Euro statt 3,50 Euro Förderung bekommen. Das ist natürlich nicht attraktiv. Das heißt, es werden am Ende höhere Mieten verlangt, als es eigentlich von den Wohnungsanbietern gedacht wäre. Das kann ja kaum das Ziel sein.
Damit sind wir auch schon beim zweiten Punkt. Das ist auch keine Dämpfung für den Mietpreisspiegel; vielmehr wird genau das Gegenteil erreicht. 6,50 Euro wird das Minimum, das genommen wird, und dies bei Bestandsmieten von im Schnitt 5,50 bis 6,00 Euro in Leipzig und 6,10 Euro in Dresden. Damit liegen wir dann also darüber.
Zur Frage, ob wir denn dauerhaft gestützten Wohnraum schaffen: Es gibt ja hier nur eine Bindung auf 15 Jahre. Danach unterliegen die Wohnungen wieder ganz normal dem Mietmarkt, und alles, was das BGB an Mietsteigerungen hergibt, ist dann möglich. Das ist also maximal eine sozialverträgliche Zwischennutzung, aber sicherlich keine dauerhafte Lösung. Wir fordern deswegen mindestens 25 Jahre, damit man Zeit hat, dass diese Bestände wachsen können. Es soll auch eine längere Bindung möglich sein; sie müsste dann wieder zusätzlich gefördert werden, damit es einen Anreiz für die Wohnungseigentümer gibt.
Vor allen Dingen haben wir folgendes Problem: Warum steigen denn die Mieten? Sie steigen, weil Wohnraum in sehr großem Maße in den Händen von Leuten ist, die einfach eine Rendite erzeugen wollen. Wohnraum ist ein normales Anlageobjekt. Deswegen brauchen wir Wohnraum, der genau nicht solchen Renditeinteressen unterliegt. Das bedeutet genau: Genossenschaften und alternative Wohnprojekte, die man dort haben könnte. Es gibt Selbstausbauprojekte, und es geht darum, all diese ganz gezielt zu fördern, weil sie einfach dauerhaft keine hohen Mieten nehmen wollen. Die Betreffenden brauchen Geld, beispielsweise in der Gründungsphase, bei der Vereinsgründung, sie brauchen Beratung, Rechtsgutachten und all so etwas.
Ein weiterer Punkt betrifft den Gestaltungsrahmen bis 2019. Die großen Städte, die einzigen beiden, die es bekommen, nämlich Leipzig und Dresden, sind aufgefordert worden, bis dahin ihre Mittel abzurechnen. Beide Städte haben angezeigt, dass sie das schlicht nicht schaffen, weil sie diese Mittel gar nicht nehmen können. Deswegen muss auch dieser Förderzeitraum über 2019 hinaus verlängert werden. Genauso müssen nicht ausgeschöpfte Mittel aus dem Jahr 2017 auf das Folgejahr übertragen werden, also auf 2018.
Dann gibt es einen weiteren Punkt, massive Klagen über bürokratische Hürden, die
damit verbunden sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Sehr geehrter Herr Staatsminister, das Schöne beim Blick in den Antrag ist, dass Sie sehen: Wir sind  hier mit dem Sezierbesteck vorgegangen, also sehr kleinteilig. Das ist nun genau das Gegenteil von einem Hammer.
Ich wollte noch die letzten Punkte von vorhin anführen, die wir unbedingt angehen müssen. Es gibt die Klagen aus den Kommunen über diese massive Bürokratie und dass es nicht funktioniert. Deshalb fordern wir, dass die Abrechnungszeiträume verlängert werden, Bewilligungen über mehrere Jahresscheiben erfolgen, mehr Zuschussvereinbarungen getroffen werden oder eine Kontingentbildung für Bauprojekte erfolgt, also dass alles handhabbar wird. Wichtig ist vor allem, dass die Richtlinie eine Verfahrensvorschrift enthält, wie man mit der Förderung umgeht. Das
ist nämlich ein Standard bei solchen Richtlinien. Ohne ist sie unpraktikabel vor Ort.
Genau so wichtig sind Aussagen über EU-beihilferechtlichen Fragen zur Konformität. Auch das sollte Standard sein.
Ein weiterer Punkt ist: Das Programm muss für andere Städte geöffnet werden, und nicht nur für Leipzig und für Dresden, sondern ich denke dabei auch an Chemnitz und an die Umlandgemeinden, also um die beiden großen Städte herum, denn diese können dazu beitragen, die Probleme in den Großstädten zu lösen. Wir müssen mehr in Metropolregionen denken.
Ich höre mit Freude, Herr Pallas, dass Ihrer Fraktion darüber nachgedacht wird. Das ist wirklich überfällig. Wir müssen es für andere Städte öffnen.
Ein weiterer Fehler besteht darin, dass die Beantragung der Mittel nur über die Kommunen läuft, die aber nicht selbst Empfänger des Geldes sein können, sondern es an Wohnungsbaugesellschaften durchreichen müssen. Das ist nicht begründbar, weil nicht jede Kommune eine Wohnungsgesellschaft hat. Es muss auch möglich sein, dass Kommunen selbst Empfänger des Geldes sein können, da sie auch den Aufwand haben.
Ich hatte von Herrn Fritzsche und auch von Herrn Staatsminister gehört, man solle mit Außenmaß vorgehen. Und es wurde von Haushaltsmitteln gesprochen. Ich möchte an Folgendes erinnern: Der Bund gibt dem Freistaat Sachsen pro Jahr 142 Millionen Euro für diesen sozialen Wohnungsbau. Er hat die Erwartung, dass dieser Betrag aus Landesmitteln verdoppelt wird – ich weiß, das ist rechtlich nicht zwingend, aber es ist trotzdem die Aussage – und der Freistaat jeweils also nur 20 Millionen Euro an Leipzig und an Dresden gibt.
Das ist natürlich nicht unbedingt der große Wurf, und das hat auch nichts mit Augenmaß zu tun, sondern wir haben ein wohnungsbaupolitisches Problem. Da muss nicht gekleckert, sondern geklotzt werden. Das ist das, was jetzt überfällig ist.
Das bedeutet – umgerechnet auf die beiden großen Städte – dass man damit jeweils etwa 500 Wohnungen bauen kann. Wir haben die Zahlen gehört: Zehntausende werden gebraucht. Die Förderrichtlinie – da muss ich Ihnen widersprechen, Herr Staatsminister – funktioniert im Moment noch nicht.
Noch ein Hinweis, weil gesagt wurde, dass die Baukosten zu 10 Euro Miete pro qm führen.
Ja, das stimmt in vielen Fällen. Aber genau deswegen fordern wir, dass nicht kommerzielle Hausbauer, Eigentümer und auch Menschen, die alte Häuser umbauen wollen – solche Genossenschaftsprojekte kommen nämlich mit viel geringeren Kosten aus – gezielt gefördert werden. Dann kommen wir auch zu niedrigeren Preisen.
Das alles zusammengenommen: Bitte helfen Sie den Menschen mit Wohnungsnot in Sachsen.
Vor allen Dingen helfen Sie Wohnungssuchen in den beiden Großstädten Dresden und Leipzig. Nehmen Sie es mir nicht übel: Diese Förderrichtlinie ist  im Moment noch ein Rohrkrepierer. Bitte machen Sie diese zum Erfolgsmodell, denn wir brauchen das.
Vielen Dank

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