Wolfram Günther: Baumschutz in Kommunen wieder stärken

Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther zur 1. Lesung des GRÜNEN-Gesetzentwurfs:
"Gesetz zum Schutz eines nachhaltigen Baumbestandes im Freistaat Sschsen (Sächsisches Baumschutzgesetz)" (Drs. 6/2804)
21. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 07. Oktober 2015, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir bringen folgenden Gesetzentwurf ein: das Baumschutzgesetz. Es geht konkret um die Möglichkeit für die Kommunen, kommunale Baumschutzsatzungen zu erlassen. Bis zum Jahr 2010 war dies möglich. Das entsprechende Gesetz – namentlich das Naturschutzgesetz –
ist insbesondere von der CDU beschlossen worden. Im Jahr 2010 fand während der Koalitionszeit von CDU und FDP eine Änderung des Gesetzes statt. In der Bevölkerung konnte man, wenn es um den Umgang mit dem Gesetz ging, das Stichwort Baum-Ab-Gesetz hören. Dieses Wort habe ich gerade ebenfalls wieder gehört.
Was ist damals beschlossen worden? Die Möglichkeit der Kommunen, selbst zu bestimmen, welche Landschaftsbestandteile, Bäume und Gehölzer sie schützen möchte, besteht nicht mehr. Jetzt hat der Gesetzgeber vorgegeben, welche Bäume – wie Nadelbäume, Obstbäume, Birken oder Baumweiden – nicht geschützt werden dürfen. Ebenso sind Bäume mit einem Stammumfang unter einem Meter nicht mehr geschützt. Es wurde des Weiteren Folgendes eingeführt: Wenn trotzdem noch Satzungen exisitieren und ein Antrag auf Fällung gestellt wird, die Behörden es aber nicht schaffen, diesen zu bearbeiten, besteht nach drei Wochen eine Fiktion zur Genehmigung der Fällung.
Das klingt sehr einfach. Die FDP hat damals Pressearbeit dazu durchgeführt. Sie habe einen optimalen Kompromiss zwischen den Belangen der Betroffenen, der Kommunen und dem Naturschutz gefunden. Man kann einmal hinterfragen, ob das wirklich der Fall war.
Ich komme zum Thema Naturschutz: Ich möchte auf das Problem des Artenschutzes hinweisen. Bäume sind oft auch Lebensstätte von geschützten und streng geschützten Arten. Diese Bäume kann man nicht einfach fällen. Das betrifft beispielsweise Vögel – etwa Spechte -, Fledermäuse, aber auch holzbewohnende Käferarten, die man nicht so leicht sehen kann.
Es gibt ebenfalls eine rote Liste mit vom Aussterben bedrohten Bäumen. Diese gibt es auch für Sachsen. Darauf sind ein paar Arten wie zum Beispiel die Weißtanne vermerkt. Diese kann ich nicht schützen. Ebenso steht die Schwarzpappel darauf. Wir wissen, dass es davon nur noch im unteren viertstelligen Bereich Bäume in Sachsen und entlang der Auen gibt. Wir sind einer der wenigen Standorte, wo es diese Bäume überhaupt noch gibt. Diese können wir aber nicht schützen. Gleiches gilt für die Elsbeere, die immerhin Baum des Jahres 2011 war und die nie einen Stammumfang von einem Meter erreicht. Ich kann sie schlichtweg nicht schützen. Das ist ein sehr seltener und wertvoller Baum.
Ein weiteres Problem besteht in Lückenschutz und Altersausgewogenheit. Wenn ich erst Bäume schützen kann, die einen Stammumfang von einem Meter erreicht haben, dann sind Bäume unter diesem Stammumfang nicht geschützt. Bäume mit weniger als einem Meter Stammumfang kann ich somit fällen. Wenn ich als gewiefter Baumbesitzer die Bäume fälle, bevor diese einen Stammumfang von einem Meter erreichen, dann fehlen nachwachsende Bäume.
Wir haben schon ein Problem in der Altersgeschlossenheit. Das haben wir aber auch nicht nur für die Pflanzen selbst, sondern wiederum auch für die Lebensstätten, weil
nämlich einfach bestimmte Alters- und Zerfallsgrade bei dem Baum wieder wichtig sind und welche Arten in ihnen leben können. Mancher Käfer, Specht, Fledermaus zieht eben erst ein, wenn der Baum ein gewisses Alter hat. Da haben wir ein Problem.
Vorher konnte man auch Sträucher und Hecken schützen. Das geht nun auch wieder nicht, weil ein Strauch nun einmal nie einen Meter Stammumfang erreichen wird.
Zu den Auswirkungen: Das bedeutet heute, dass ich einen Großteil fällen kann, ohne jemals dies bei der Behörde anzuzeigen oder genehmigen zu lassen. Früher, wenn
es genehmigt wurde, musste entsprechend Ausgleich gepflanzt werden.
Auch Zahlen sind dazu vorhanden. In der Stadt Leipzig geht man davon aus, dass, seit das Gesetz erlassen worden ist, mindestens 10 000 Bäume fehlen, die gefällt und nicht ausgeglichen wurden. Hochrechnungen liegen noch weitaus höher. Man nimmt dazu einfach die Zahlen, was man vorher beantragt und an Ausgleichspflanzungen
hatte. Man weiß, was jetzt noch beantragt wird, und man weiß aber auch, dass die Fällungen steigen, weil es einfacher ist. Die 10.000 sind die Untergrenze, nur damit Sie einmal eine Vorstellung von der Dimension haben.
Das ist aber nur eine Stadt in Sachsen. Dies zum Thema Naturschutz, weil es so ein optimaler Kompromiss war! Wir erinnern uns?
Es war auch ein optimaler Kompromiss für die Betroffenen, denn die haben es jetzt ganz einfach. Ich hatte ja schon das Problem Artenschutz angesprochen. Welcher normale Bürger erkennt denn jetzt die Art, ob er eine geschützte Pflanze hat, ob in ihr bedrohte Käfer hausen oder Fledermäuse. Früher hat sich das jemand von der Behörde angesehen. Das heißt, die Bäume werden jetzt abgesägt, was streng genommen eine Ordnungswidrigkeit ist, mitunter sogar eine Umweltstraftat. Da wird der Bürger sehenden Auges hineingeschickt. Er hat eigentlich keine Rechtssicherheit
mehr, und er weiß eigentlich gar nicht so richtig, was er da tut, vor allem auch für die Kommunen.
Wir singen ja das Hohe Lied der kommunalen Selbstverwaltung und Hoheit. Regeln sollen doch möglichst weit unten entstehen, die Subsidiarität näher am Bürger, wo der Bürger mit dem Gemeinderat reden kann und seine Regeln vor Ort macht, und jetzt auf einmal hat der Landtag sich in Details wie konkreten Pflanzen und Baumumfängen verloren. Kann denn das sinnvoll sein?
Jetzt haben wir folgendes Problem dadurch: Die Behörden müssen nämlich die Artenschutzbestimmungen wieder durchsetzen. Diese rennen jetzt hinterher, wenn
irgendetwas gefällt wurde. Sie haben jetzt das Problem, dass gesagt wird, wo überhaupt noch etwas genehmigt werden muss, Genehmigungsfiktionen nach drei Wochen! Das schaffen die gar nicht, wenn man weiß, wie unsere
Naturschutzbehörden ausgestattet sind und was diese auch sonst noch zu tun haben.
Anders ist es beim normalen Baurecht. Wenn jemand einen Bauantrag stellt, dann gilt die Fiktion ab drei Monaten. Das haben wir ja schon beschleunigt. Aber warum darf ich dann den Baum schon nach drei Wochen fällen? Das gibt eigentlich überhaupt keinen Sinn.
Jetzt komme ich aber zu einem ganz wesentlichen Punkt. Ich muss Ihnen wahrscheinlich nicht erklären, wofür Bäume da sind, was sie für die Lebensqualität
bedeuten, was sie aber auch für das Klima in einer Stadt bedeuten.
Jetzt haben wir das Problem in den größeren und mittleren Städten. Die sind alle dabei, Luftreinhaltepläne zu schreiben. Zum Beispiel müssen sie die Feinstaubrichtlinie umsetzen. Sie machen Klimaschutzkonzepte. Was kommt da klassischerweise immer wieder vor, was ist das Beste, was man machen kann? Mehr Bäume pflanzen. Jetzt hören wir aber, dass netto die Bäume zurückgehen.
Bisher stand ja in der Satzung, dass, wenn der Bürger einen Baum fällt, dieser Bürger einen Ausgleich bringen muss. Er hat nämlich auf seiner Fläche etwas verursacht. In der Bevölkerung gab es dazu eine hohe Akzeptanz. Jetzt muss er das nicht mehr. Das bedeutet für die Gemeinden, die planen, Bäume zu pflanzen, dass sie sich
umschauen müssen, um auf öffentlichem Grund Platz zu finden, denn im Privatraum geht es ja nicht, und sie müssen das auch selbst finanzieren. Das ist ein Problem für die Gemeinden. Sie kommen damit an ihre Grenzen.
Das heißt, die Lebensqualität sinkt in den Gemeinden, und sie können auch nicht mehr das machen, was sie machen wollen. Das bedeutet, dass der Kompromiss für
keinen der Beteiligten gut war. Im Sinne der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung bitte ich Sie – nur darum geht es ja hier -‚ dass wir nicht per Gesetz festlegen, wo etwas geschützt ist, sondern die Kommunen sollen, wenn sie vor Ort ein Problem haben, die Freiheit haben, eine entsprechende Satzung zu erlassen, um damit Rechtsklarheit für alle Beteiligten zu schaffen.
Es fällt mir eigentlich kein Argument ein, warum man unserem Gesetzentwurf nicht zustimmen kann. Ich erinnere mich auch an die Diskussion. Die CDU war bei dem Gesetz damals 2010 nicht so euphorisch, sondern sie meinte, in der Koalition muss man auch dem kleinen Partner einmal etwas geben. Bekanntlich regiert die FDP ja jetzt nicht mehr mit. Auch da gibt es keinen Grund mehr. Vor diesem Hintergrund würde ich mich auch über
Änderungsvorschläge und Anträge zu unserem Gesetzentwurf freuen und auch darüber, wenn wir diese dann hier im Plenum gemeinsam beschließen könnten.
Vielen Dank.