Datum: 16. Dezember 2020

Corona – Kuhfuß: Die AfD versucht darüber hinwegzutäuschen, dass sie selbst kein Konzept hat

Redebeitrag der Abgeordneten Kathleen Kuhfuß (BÜNDNISGRÜNE) zum dringlichen Antrag der Fraktion AfD "Strategiewechsel jetzt – ‚Lockdown‘ beenden sowie Risikogruppen endlich gezielt und effektiv schützen" (Drs 7/4856)

19. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 16.12.2020, TOP 2

Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

die Anklage der AfD gegenüber der Staatsregierung ist groß und bleibt allgemein. Die BÜNDNISGRÜNE-Fraktion wird diesen Dringlichkeitsantrag ablehnen. Sie bringen hier einen Antrag ein, der der Staatsregierung vom Duktus her Totalversagen vorwirft. Sie fordern den Schutz von Risikogruppen ein und ignorieren im selben Atemzug, dass unter uns Abgeordneten heute auch nicht wenige Menschen zur Risikogruppe gehören. Einzig die Verweigerung ihrer Fraktion lässt uns mit fast 120 Personen zwei Tage lang tagen. Sie haben sich, wo es nur geht, einer Verkürzung der Tagesordnung entgegen gestellt und tun es auch mit diesem Antrag, der uns in der aktuellen Situation nicht weiterhilft. Alle Interessierten können die einzelnen Punkte meiner Rede nachlesen. Ich werde meine Gedanken zu Protokoll geben und diesem absurden Schauspiel der AfD nicht unnötig Raum verschaffen.

Zu Protokoll:

Ich möchte auf die Punkte im Dringlichkeitsantrag kurz eingehen und meine Einschätzung darlegen:

Der Schutz von Risikogruppen soll in den letzten Monaten „versäumt“ worden sein. Diese pauschale Aussage ignoriert, dass viele Einrichtungen in den letzten Monaten Hygiene- und Schutzkonzepte erarbeitet haben und diese umsetzen. Die Testkapazitäten (zu großen Teil finanziert durch den Freistaat) wurden massiv ausgebaut und vor allem Menschen in den Sozial- und Gesundheitsberufen regelmäßig zur freiwilligen Testung zur Verfügung gestellt. Selbst wenn die vage These, die im Antrag formuliert ist, zutrifft und „die Alten- und Pflegeheime den größten Anteil am Infektionsgeschehen mit 32 Prozent der wahrscheinlichen Infektionsorte“ haben, zeigt dies, dass die Ausbreitungswege des Virus vielseitig sind. Nur eines hilft wirksam: Die Zahl der Kontakte aller muss radikal reduziert werden. Auf Arbeit, in den öffentlichen Einrichtungen (Kitas, Schulen…), Vereinen, auf Arbeit und in der Freizeit, also im privaten Bereich.

Die AfD will diesen Lockdown beenden; so der Titel. Ja mehr noch. Sie wirft der Regierung einen „Panikmodus“ vor. Das ist populistisch und gefährlich, denn die Lage in Sachsen ist so ernst wie noch nie seit dem Beginn der Corona-Pandemie. Die Corona-Fallzahlen bringen die Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenze, die Mediziner*innen und Pflegekräfte gehen weit über ihre Kräfte hinaus, um die dringend notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen. Doch schon jetzt müssen wir Menschen aus Sachsen in anderen Bundesländern unterbringen, weil die Intensivbetten nicht mehr ausreichen. Ein Lockdown bis zum 10. Januar ist aktuell die einzige Option, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Auch wenn sich viele Menschen einen anderen Weg wünschen, er wäre aktuell schlicht unverantwortlich, denn er gefährdet weitere Menschenleben.

Ich werde mich nicht an der Debatte um die Schuldfrage beteiligen. Ich halte nüchtern fest: Der „milde Lockdown“ hat nicht ausreichend Wirkung gezeigt, sondern die Infektionszahlen stark steigen lassen. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Die Konsequenz ist eindeutig: Wir haben bundesweit die höchsten Infektionszahlen und das ist der Grund dafür, dass wir noch vor dem Beschluss der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten die Notbremse eingelegt haben.

Das Auftreten der AfD in den letzten Wochen und ihre politischen Forderungen in den vorangegangenen Debatten veranschaulichen das Grundmuster von Populisten wie Ihnen. Nach der Forderung im Frühjahr, sofort den Notstand auszurufen, konnten Ihnen die Lockerungen im Sommer nicht weit genug gehen. Viele AfD-Politiker*innen standen in den letzten Monaten mit Verschwörungsdenker*innen auf der Straße und machten sich mit denen Gemein, die die Akzeptanz von Infektionsschutz-Maßnahmen insgesamt beschädigen und die Gefährlichkeit des Coronavirus gänzlich abstreiten. Nun, da die Maßnahmen verschärft werden müssen, weil die Zahlen der im Krankenhaus behandelten Patient*innen steigt, verweisen Sie plötzlich wieder auf wissenschaftliche Autor*innen-Papiere und meinen, man hätte das alles viel besser machen müssen. Sie wollen mit dieser Politik die Kritker*innen aus allen Ecken der Republik abholen und versuchen darüber hinweg zu täuschen, dass ihre Partei selbst kein Konzept bei der Bewältigung der Pandemie hat.

Ich stelle mich nicht hier hin und sage, dass alle politischen Entscheidungen die richtigen waren. Politik und Gesellschaft müssen lernen im Umgang mit dem Virus. Aber dabei helfen die im Antrag produziert Worthülsen wenig. So wird ein Strategiewechsel eingefordert, um den erneuten harten Lockdown „schnellstmöglich zu beenden“. Ja, genau das ist das Ziel und daran wir gearbeitet mit Blick auf den 10. Januar.

Ich möchte, genau wie im Frühjahr, allen Bürger*innen Zuversicht und Geduld in dieser schwierigen Zeit wünschen. Jetzt ist einmal mehr die Solidarität aller gefragt, denn das Handeln jedes Einzelnen und jeder Einzelnen entscheidet mit darüber, wie sich die Kurve entwickelt. Viele nehmen diese Pandemie sehr ernst und haben in den letzten Monaten auf vieles verzichtet. Es ist ein Kraftakt, ich weiß, aber ich bin überzeugt, wir können daran als Gesellschaft wachsen.

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