Datum: 09. April 2020

Sondersitzung Landtag zu Folgen der Corona-Krise – Schubert: Wir stehen für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Finanzpolitik


Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur 8. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 9. April 2020, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir leben gerade in einer Zeit entgegengesetzter Geschwindigkeiten: Während das öffentliche und gesellschaftliche Leben sich mit Vollbremsung verlangsamte; beschleunigt sich täglich das Ausmaß an Erwartungen und Handlungsnotwendigkeiten für Politik, Verwaltung und diejenigen, die an vorderster Front stehen und denen ich im Namen der bündnisgrünen Fraktion größte Wertschätzung und Dank aussprechen möchte. Es sind die Menschen im Medizin- und Gesundheitsbereich, die Pflegerinnen und Pfleger, und jene Menschen, die tagtäglich auf unterschiedliche Weise dazu beitragen, um Menschen in dieser Situation gut zu versorgen.
Gerade werden Menschen z.B. in der Pflege oder im Einzelhandel Tätige als systemrelevant wahrgenommen. Ich hoffe, dass es gelingt als Gesellschaft, dieses Bewusstsein auch aus der Krise mit hinauszutragen. Danke an Alle, die trotz der Einschränkungen und des physischen Abstandhaltens das soziale Miteinander und die Zuversicht behalten.

Diese Krise und das, was passiert, lässt uns spüren, dass wir in einer außergewöhnlichen Notsituation sind. Die Regierungsfraktionen stellen heute den Antrag auf Feststellung dieser Notsituation. Damit machen wir den Weg frei für alle folgenden Maßnahmen, die mit Geld zu tun haben und zur Bewältigung der Pandemie ergriffen werden müssen. Es ist das Parlament, was dafür die Grundlage schafft.

Die heutige Landtagssitzung ist historisch. Die ganze Kraft des Parlaments wird heute deutlich: das Budgetrecht liegt beim Parlament, hier werden die Grundlagen geschaffen für das weitere Handeln, gerade in der Krise darf die Gewaltenteilung nicht auf der Strecke bleiben. Es sind die gewählten Abgeordneten, die heute hier ermöglichen, was gebraucht wird, um für Land und Menschen alles zu tun, was nötig ist, um durch die Krise zu kommen und hinterher wieder Tritt fassen zu können.

Für mich als Finanzpolitikerin und Abgeordnete des Sächsischen Landtages ist der erste Nachtragshaushalt des Freistaats ein wichtiger Meilenstein im Sächsischen Parlamentarismus.
Es ist das richtige Instrument, um transparent die Veränderungen am Haushaltsplan darzustellen. Wir wollen finanzpolitisch alles Nötige für Sachsen auf den Weg bringen und gleichzeitig die Aufgaben der Zukunft im Blick behalten.
Der Nachtragshaushalt beinhaltet einen Kreditrahmen bis zu 6 Milliarden Euro. Er ist nur möglich, weil wir die Ausnahmemöglichkeiten des Neuverschuldungsverbots, der sog. Schuldenbremse, die uns die Verfassung ermöglicht, anwenden können. Alle Länder haben in dieser Krise auf die Ausnahmemöglichkeit der Schuldenbremse zurückgegriffen.

Als BÜNDNISGRÜNE stehen wir zum Neuverschuldungsverbot, denn es entspringt der Logik der Generationengerechtigkeit. Wir sehen Anpassungsbedarf in den jetzigen Regelungen, wollen uns in den nächsten anderthalb Jahren fachlich damit auseinandersetzen und eine Verfassungsänderung in der gebotenen Sorgfalt und Ruhe angehen.

Krisen sind der Stresstest für Regelungen. Wenn es hakt, gilt es, anzupassen. Wir sind jetzt in Sachsen mit einer Pandemie konfrontiert und im Umgang damit wird es auch darauf ankommen, sich von Maßstäben leiten zu lassen. Es gibt große Herausforderungen, die durch die Krise entweder verstärkt werden – ich denke da an soziale Fragen – oder in der öffentlichen Diskussion in den Hintergrund treten, jedoch nichts von ihrer Bedeutung dadurch verlieren. Hier denke ich an die Klimakrise mit ihren globalen Wirkungen und auch an die weltweiten Fluchtbewegungen mit verheerenden humanitären Folgen. Wir müssen gut aufpassen, dass wir in diesen Zeiten nicht den Blick verlieren auf die sozialen und ökologischen Fragen. Ziel ist es, nicht nur gut durch diese Pandemie zu kommen. Ziel ist es auch, danach den Blick nach vorn zu richten.

In diesen Tagen sind die meisten Menschen interessiert an Information. Sie haben Verständnis für die zeitlich befristeten Beschränkungen, die mit Einschnitten in unser aller Leben einhergehen. Uns BÜNDNISGRÜNEN ist klar, dass diese Beschränkungen einen spürbaren Eingriff in die Freiheitsrechte darstellen, der nicht leichtfertig erfolgen darf und nur dann, wenn mildere Mittel nicht greifen, um die aktuelle Krise zu bewältigen. Wir spüren auch die wachsende Unruhe und den Wunsch nach zurückkehrender Normalität. Es bleibt die Bitte um Verständnis dafür, dass wir in Sachsen noch keine Entwarnung geben können.

Es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir nach dieser Krise mit Schrammen und Blessuren da stehen werden – und so, wie es bisher war, wird es nicht mehr sein können. Es wird eine Zeit danach geben. Diese wird unsere Aufmerksamkeit und unsere Ideen fordern. Und für meine Fraktion kann ich sagen: wir stehen bereit, wenn sich Neues bildet und Bewährtes sich neu entdeckt

Wir wissen um die Notwendigkeit, mit knapper werdenden Ressourcen sorgsam umzugehen. Das ist GRÜNE DNA: Einsparungen erreicht man nicht nur mit Kürzungen. Man erreicht sie auch mit kluger, nachhaltiger Investitionspolitik, zukunftsgewandtem Umbau der Wirtschaft und Arbeitswelt sowie dem Verständnis, dass ökologisches Handeln dem Prinzip der Ökonomie folgt. Ich gehe davon aus, dass wir alle wollen, dass Sachsen durch die Krise kommt und sich danach neu entfalten kann, auch wenn wir dazu vermutlich unterschiedliche Visionen haben, was auch nicht schlimm ist.

Es wird im Moment in bisher ungekanntem Ausmaße viel auf den Weg gebracht – in Bund und Ländern. Mit diesen Geldern:

  • wird das Gesundheitswesen gestärkt. Das ist auch dringend notwendig, denn diese Krise zeigt, was hier nicht so weitergehen kann wie bisher;
  • wird die sächsische Wirtschaft in ihrer Vielfalt unterstützt;
  • werden die Kommunen nicht vergessen;
  • werden auch die Sozial-, Sport- und Kultureinrichtungen und gesellschaftliche Akteure in ihrer Vielfalt unterstützt,
  • werden Bildung und Wissenschaft einbezogen.

Wir wissen, dass wir noch am Anfang stehen und dass es ein langer Weg ist. Die Staatsregierung ist dabei, geeignete Programme aufzulegen und hat gezeigt, dass sie unter so großem Druck ihre Verfahren hinterfragt und anpasst. Das ist großartig. Viele Mitarbeitende in den Ministerien und Behörden arbeiten seit Wochen unter Hochdruck – auch dafür der Dank unserer Fraktion.

Hier im Landtag werden wir die Arbeit der Staatsregierung, d.h. die Programme, Maßnahmen und Entscheidungen sorgfältig begleiten. Sechs Milliarden Euro sind ein Rahmen, der uns verpflichtet. Für uns Bündnisgrüne ist die Kontrollfunktion des Parlaments gerade in diesen Zeit wichtig.

Die Staatsregierung beantragt die Einrichtung eines Sondervermögens zur Bewältigung der Folgen der Pandemie. Wir unterstützen das. Wir erachten diesen Corona-Bewältigungs-Fonds für diesen zeitlich begrenzten Zweck für das richtige Instrument.

Für das Sondervermögen wird eine Kreditermächtigung mit einem Höchstbetrag von sechs Milliarden Euro in das Nachtragshaushaltsgesetz aufgenommen. Damit werden die zur Bewältigung der Krise erforderlichen Mehrausgaben finanziert und die zu erwartenden Steuermindereinnahmen kompensiert.

Wir Bündnisgrüne stehen für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Finanzpolitik.
Wir werden die Schulden zurückzahlen. Die Fehler, die nach der Pleite der Landesbank gemacht wurden, in dem massive Kürzungen in Bereichen erfolgten und sich bis heute auswirken, werden wir nicht wiederholen. Das ist mit uns BÜNDNISGRÜNEN nicht zu machen. Das in den nächsten Jahren maßvolle Ausgabenplanung und kluges Investieren angesagt sind, ist uns klar und dazu bekennen wir uns.

Sechs Milliarden Euro ist für Sachsen richtig viel Geld. Es wird dennoch nicht alles bezahlt werden können, was jetzt wegbricht. Wir müssen entscheiden, wo die Gelder so wirken können, dass der Freistaat sich erholt und auch neue Wege aus der Krise herausgehen kann. Dem großen Sondervermögen wollen wir mit unserem Entschließungsantrag einen Beirat zur Seite stellen und auch allen anderen Sondervermögen des Freistaats. Das ist ein bündnisgrünes Anliegen und wir sind froh, das gemeinsam mit unseren Koalitionspartnerinnen auf den Weg zu bringen.
Ostern steht vor der Tür und es wirkt nahezu symbolisch in dieser Zeit.

Ich möchte schließen mit einem Zitat, dass in der Tradition der österlichen Zuversicht steht und das ich auf einer alten Ofenkachel in der Görlitzer Nikolaivorstadt gefunden habe: „Das Gestern war trübe, das Heute klärt sich, das Morgen soll leuchtend sein.“
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