Datum: 05. Juni 2008

PM 2008-188: Misshandelter Leipziger Säugling – Justiz und Strafvollzug tragen Mitverantwortung

Warum wurden Mutter und Säugling nicht wenigstens in die Mutter-Kind-Abteilung der JVA Chemnitz verlegt?
Nach der Tragödie um einen misshandelten Säugling in Leipzig, dessen Mutter zwei Wochen nach Geburt ihre Reststrafe antreten musste, erklärt Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
„Dieser tragische Fall hat offengelegt, wie wenig Justiz und Strafvollzug die Lebenswirklichkeit von Schwangeren und jungen Familien berücksichtigen. Man muss sich das einmal vor Augen führen: Da muss eine junge Mutter, zwei Wochen nach der Geburt, also innerhalb des für alle Frauen vorgesehenen Mutterschutzes, in Haft. Hinzu kommt, dass sie wegen Schwarzfahrens verurteilt wurde und nur noch eine Reststrafe von zwei Monaten abzusitzen hatte. Ich sehe nicht, dass die sächsische Bevölkerung gefährdet gewesen wäre, wenn diese junge Frau ihre Strafe später abgesessen hätte.“
„Die Ereignisse hätten verhindert werden können, wenn die junge Mutter ihr Kind wenigstens hätte mitnehmen können. Die JVA Chemnitz hat eine Mutter-Kind-Abteilung. Allerdings sind nur wenige Plätze vorhanden und damit die Bedingungen, um aufgenommen zu werden, wie ich aus Besuchen weiß, unverständlich hoch. Wir brauchen dringend Plätze für Frauen mit Kindern im geschlossenen Vollzug“, fragt Herrmann.
„Die Haft hätte für die junge Frau, die laut Berichten drogensüchtig ist und sich einer Substitutionsbehandlung unterzieht, nur dann eine Chance bedeuten können, wenn sie gute Resozialisierungsbedingungen vorgefunden hätte“, erklärt die Sozialpolitikerin.
„Justiz und Strafvollzug tragen eine Mitverantwortung an der eingetretenen Situation. Ohne die grausame Tat entschuldigen zu wollen: Es gibt junge Familien, die überfordert sind. Ich erwarte von einem humanen Strafvollzug und einer funktionierenden Justiz, die mit dem Jugendamt in Kontakt steht, die Beachtung des Kindeswohls“, so Herrmann.
„Von der sächsischen Justiz fordere ich Regelungen, die ein ähnlich Tragödie in Zukunft ausschließen.“
„Die Entscheidung, die junge Frau mit dem Entzug des Sorgerechts zu bestrafen, halte ich für fragwürdig. Welche neuen Tatsachen rechtfertigen dies? Das Mindeste, was nun getan werden kann, ist eine Haftverschonung oder einen Haftaufschub, damit die Mutter zu ihrem Säugling darf“, ist die grüne Abgeordnete überzeugt.
Hintergrund:
Kleine Anfragen Strafvollzug für Frauen in Sachsen:„Strafvollzug für Frauen in Chemnitz“ (I) „Strafvollzug für Frauen in Chemnitz – Familie“ (V)