Datum: 16. Juli 2008

PM 2008-220: Stadtumbau – Angriff von SAB und Innenministerium auf sächsisches Kulturerbe – Denkmalpflege durch Verwaltungsreform geschwächt

In Zeiten, in denen der notwendige Stadtumbau in Sachsen immer noch zu 90 Prozent Abriss bedeutet, ist dies katastrophal
Mit Unverständnis reagiert Karl-Heinz Gerstenberg, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die aktuelle Diskussion zum Stadtumbau in Sachsen.
„Wenn der Sächsischen Aufbaubank SAB und der Staatsregierung nichts anderes einfällt, als einer angeblich zu hohen Denkmaldichte die Schuld für den anhaltend hohen Leerstand von zirka 450.000 Wohnungen zu geben, zeugt das von Unkenntnis“, kritisiert Karl-Heinz Gerstenberg. „Die von SAB-Chef Stefan Weber in diesem Zusammenhang genannte Zahl von 130.00 denkmalgeschützten Wohngebäuden grenzt an böswillige Täuschung.“
Auf eine Kleine Anfrage zum Zustand sächsischer Kulturdenkmale (Drs. 4/12394) antwortete das Innenministerium, dass es aktuell zirka 105.00 sächsische Denkmale gibt, darunter Tausende Kirchen, Werke der Garten- und Landschaftsgestaltung, wissenschaftliche Anlagen, Steinmale, archäologische Relikte sowie Werke der Bildenden Kunst. Die Zahl denkmalgeschützter Wohngebäude liegt demnach bei rund 60.000 bis 70.000.
„Gratulation Herr Weber, damit haben Sie sich nur um 50 Prozent verrechnet. Wenn alle Prognosen der SAB auf solch vertrauenswürdiger Grundlage beruhen, gehört vermutlich die Glaskugel zum täglichen Arbeitsgerät. Ein ungezügelter Denkmalabriss kann die Probleme des demographisch bedingten Leerstandes nicht lösen. Der Verlust an sächsischem Kulturerbe aber ist immens“, befürchtet der baupolitische Sprecher der Fraktion GRÜNE.
„Grundübel der gescheiterten Stadtumbaupolitik ist die Neubebauung vor allem der städtischen Randlagen auf der ‚Grünen Wiese‘. Während bisher zirka 82.500 Wohnungen hoch subventioniert abgerissen worden sind, hat man rund 40.000 Wohnungen neu gebaut.“
Gerstenberg fordert deshalb, die Fördermittel für die Kommunen an langfristig orientierte und unter breiter öffentlicher Beteiligung erarbeitete Stadtentwicklungskonzepte zu koppeln. „Wer großflächig Neubaugebiete am Stadtrand ausweist, sollte keine staatliche Förderung für Abrissmaßnahmen in Anspruch nehmen dürfen.“
Der aktuelle Angriff der SAB auf die Substanz des sächsischen Kulturerbes ist kein Zufall. Ab dem 1. August wird die von Experten einhellig abgelehnte Kommunalisierung wichtiger Aufgaben der Denkmalpflege Realität. Die Ziele der Verwaltungsreform – Verwaltung straffen, Dienstleistungsfähigkeit verbessern und Bürgernähe schaffen – werden bei der Denkmalpflege ad absurdum geführt:
„Die bisher in den Regierungspräsidien angestellten drei hoch spezialisierten Mitarbeiter, die sachsenweit denkmalschutzrechtliche Genehmigungen ausstellen, und die sechs Mitarbeiter, die Denkmalförderbescheide bearbeiten, sollen auf die 13 neuen Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden. Wie das ohne Qualitätsverlust funktionieren soll, bleibt ein Rätsel“, so Dr. Gerstenberg.
„In Zeiten, in denen der notwendige Stadtumbau in Sachsen immer noch zu 90 Prozent Abriss bedeutet, ist eine solche Schwächung des  Denkmalschutzes vor Ort katastrophal.“ Die Hauptlast der Sanierung und Erhaltung der Denkmale tragen private Besitzer und Investoren. „Ihnen fehlen nun fachlich kompetente und qualifizierte Partner.“ Kleine Anfrage „Zustand und Zukunft sächsischer Baudenkmale I“ (Drs. 4/12394)