Datum: 12. November 2008

PM 2008-344: Neuverschuldungs-Gesetzentwurf

Der Gesetzentwurf der FDP ist ein 18 Monate alter, von allen aktuellen Debatten unberührter Aktionismus, der nicht zu Ende gedacht ist
In der Debatte um den Neuverschuldungs-Gesetzentwurf erklärte Antje Hermenau, Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
„Der Gesetzentwurf der FDP stammt vom Februar 2007 und blieb seitdem unverändert.
Inzwischen hat der Sachverständigenrat im Sommer 2007 Ratschläge zum Verschuldungsverbot veröffentlicht. Die Föderalismuskommission II hat eine moderne Debattenlage, die nicht weniger ambitioniert ist, aus dem Schuldenstaat heraus zu finden.
Der Gesetzentwurf der FDP bleibt ein 18 Monate alter, von all diesen Debatten unberührt gebliebener Aktionismus, der nicht zu Ende gedacht ist.
Ein derartiges Verschuldungsverbot erfordert, dass parallel die Länder die Finanzautonomie bekommen. Sie haben wenig bei den Steuereinnahmen mitzureden und sind als Ausführungsebene vieler Bundes- und EU-Regelungen schon in ihren Ausgaben sehr geknebelt. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzentwurf der FDP simpel und evtl. auch schlagzeilenfähig. Allerdings ist das kein anerkanntes Kriterium für eine solide Finanzpolitik.
 
Wenn Sie die Finanzautonomie außer Acht lassen, führt ihre Knebel-Regelung im Krisenfall dazu, dass Sie abrupt Lehrer kurzfristig entlassen müssen (Ist das ihr Beitrag zur Generationengerechtigkeit?), Einstellungsstopps für Polizisten verhängen, die Wirtschaftsförderung aussetzen oder die Kommunen schröpfen müssten.
 
Man merkt – sie halten nicht viel von einem starken Staat. Sie erliegen Ihrem wirtschaftszentrierten Tunnelblick.
 
Das Haushaltsbegleitgesetz der Koalition ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Koalitionsvorschlag ist deutlich differenzierter und wird in den nächsten Wochen debattiert werden.
 
Allerdings: es ist sehr altbacken, immer noch die Störung des gesamtgesellschaftlichen Gleichgewichts herbei zu ziehen. Die im Aufholprozess als Dauerzustand befindlichen ostdeutschen Länder leben sowieso in einer künstlich finanzierten Wirtschaftssphäre. Und der Artikel 115 Grundgesetz wurde immer wieder ungestraft mit genau dieser Begründung missbraucht.
 
Der Sachverständigenrat hat vorgeschlagen, über Jahre fest zu legen, keinerlei Ausgabenwachstum trotz Inflation und Lohnsteigerung zuzulassen. Dann wären die konjunkturbereinigten Einnahmen der Maßstab des Normalhaushalts. Aus Steuermehreinnahmen ließe sich ein Fonds anlegen, den man in Krisenzeiten anzapfen könnte, ohne Neuverschuldung in Anspruch nehmen zu müssen, um konjunkturelle Dellen auszubügeln. Das wäre eleganter und gleitender als diese ruckartige Erschütterung, die die FDP ohne Rücksicht auf Verluste fordert: warum muss immer gleich die ganze Gesellschaft erschüttert werden, wenn die Wirtschaft in regelmäßigen Abständen ihre Krisen durchleidet?
 
Der Landeshaushalt soll die Stabilität im Land gewährleisten. Dafür muss man auch aus dem Schuldenstaat aussteigen – gar keine Frage. Aber nicht ruckartig, um die Wahlchancen der FDP zu verbessern, sondern mit Augenmaß und Ausdauer, um alle auf diesem Weg mitzunehmen.
 
Noch ein Wort in anderer Sache:
Herr Kollege Hahn von der Linken – mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie in einem Schreiben an den Bund der Steuerzahler einer Attitüde aus der Ära der ‚Nationalen Front‘ unter der Führung der SED erlegen sind. Sie haben am Ende des Schreibens behauptet, Ihre Meinung teilten auch der DGB und die Grünen. Das weise ich ausdrücklich als Ruf schädigend zurück und erwarte, dass Sie in Zukunft auf derartige ungefragte Vereinnahmungen verzichten. Stehen Sie für Ihre politischen Ansichten gefälligst selbst gerade und flüchten Sie nicht in die frühere Kollektivverantwortung und damit hinter meinen – zugegeben breiten – Rücken!“