Datum: 13. April 2011

PM 2011-100: GRÜNE: Anbau und Freisetzung von Gentech-Pflanzen untersagen

Mit zahlreichen parlamentarischen Initiativen hatte sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag immer wieder für ein gentechnikfreies Sachsen eingesetzt. Ein neuerlicher Antrag – gemeinsam mit Linken- und SPD-Fraktion (Drs. 5/5321) – steht auf der Tagesordnung der Landtagssitzung am 19. bzw. 20. April.
Die Antragsteller fordern die Sächsische Staatsregierung auf, den Anbau und die Freisetzung von Gentech-Pflanzen im Freistaat zu untersagen. Vor allem auf landeseigenen Flächen kann und muss ein Anbau- und Freisetzungsverbot unverzüglich durchgesetzt werden, indem Landpachtverträge des Freistaates mit Dritten entsprechend neu gefasst bzw. ergänzt werden. Außerdem wird von der Staatsregierung erwartet, dass sie dem Beispiel Thüringens folgt, indem Sachsen dem europäischen "Netzwerk gentechnikfreier Regionen" beitritt.
"Unser Anliegen ist es, Landwirte und Lebensmittelproduzenten zu unterstützen, die sich bewusst gegen den Einsatz von Gentech-Pflanzen und –Futtermitteln entscheiden", erklärt Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion.
Darum initiierte die GRÜNEN-Fraktion bereits 2009 die Gründung der gentechnikfreien Region Mittelsachsen, in der 19 landwirtschaftliche Betriebe mit zusammen über 5.000 Hektar (ha) bewirtschafteter Fläche eine Erklärung zur gentechnikfreien Produktion unterzeichneten.
"Ich freue mich darüber, dass unsere Arbeit der vergangenen Jahre Früchte trägt. Wie der aktuelle Antrag zeigt, sind wir Grünen nicht mehr die einsamen Rufer in der Wüste, wenn es um die Gefahren der Agro-Gentechnik geht."
"Nun müssen wir gemeinsam die Scheinheiligkeit der schwarz-gelben Landesregierung entlarven, die wie gehabt das Märchen von der ‚friedlichen Koexistenz der Anbauformen’ verbreitet. Dahinter verbirgt sich jedoch eine strikte Politik zugunsten der Gentechniklobby und zu Lasten von Umwelt- und Verbraucherinteressen sowie der gentechnikfrei wirtschaftenden Betriebe", so Kallenbach weiter.
Anhand eines Beispiels verdeutlicht die Umweltpolitikerin das Problem: "Die Staatsregierung fördert die Biotechnologiebranche aktuell mit 490.000 Euro, die auch Projekten auf dem Gebiet der Agro-Gentechnik zugutekommen. Gleichzeitig verweigert sie die Unterstützung der Ökolandbauberatung, die nur einen winzigen Bruchteil dessen kosten würde."
Für die Antragsteller ist unstrittig: Agro-Gentechnik schafft Monokulturen auf dem Acker, Abhängigkeiten von großen Chemiekonzernen und Risiken für Mensch und Umwelt. Sie widerspricht dem grünen Ziel einer zukunftsfähigen, umweltgerechten Landwirtschaft, die sich an biologischer Vielfalt und an den Verbraucherwünschen orientiert. » Antrag "8-Punkte-Programm für eine gentechnikfreie Landbewirtschaftung" (Drs. 5/5321)

Hintergrund:
Gentechnikfreie Initiativen und Regionen in Sachsen (ca. 25.000 ha, über 100 beteiligte Landwirte):

  • Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft (GfR)
  • Gentechnikfreie Region Nordsachsen (GfI)
  • Gentechnikfreie Region östliches Muldental (GfI)
  • Gentechnikfreie Zone Limbach/ Oberfrohna und Umgebung (GfI)
  • Initiative "Oberlausitz Gentechnikfrei" (GfI)
  • Gentechnikfreie Region Mittelsachsen (2009 durch eine Initiative der    GRÜNEN-Fraktion gegründet)

    * (GfI = Gentechnikfreie Initiative | GfR = Gentechnikfreie Region)

Aktuelle Anmeldungen im Standortregister des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL):
Im Standortregister des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sind alle Flächen verzeichnet, auf denen Gentechnik-Pflanzen angebaut werden (sollen). Das gilt für den kommerziellen Anbau und für die Forschung. Grundlage für die Angabe der Standorte ist das Gentechnikgesetz.
Im Standortregister kann jeder einsehen, wo welche Pflanze freigesetzt bzw. angebaut wird oder werden soll sowie deren gentechnisch veränderte Eigenschaften. Das Standortregister ist über den Internetauftritt des BVL öffentlich zugänglich. Während der kommerzielle Anbau 3 Monate vorher angezeigt werden muss, sind Forschungsfreisetzungen erst 3 Tage vor der Aussaat im Standortregister verzeichnet.
Trotz des derzeit bundesweit geltenden Anbauverbotes für den BT-Mais MON810 aufgrund der Ruhensanordnung der Anbaugenehmigung nach § 20, Abs. 2 GenTG haben in Sachsen auch in diesem Jahr wieder mehrere Landwirte vorsorglich Flächen für den Anbau des Genmaises angemeldet
(Stand: 11.04.2011):
02994    Wiednitz    Mais (MON-00…    Anbau
04838    Laußig    Mais (MON-00…    Anbau
04838    Laußig    Mais (MON-00…    Anbau
04849    Bad Düben    Mais (MON-00…    Anbau
04860    Dreiheide    Mais (MON-00…    Anbau
Die positive Nachricht: Wurden im Jahr 2010 noch 550 ha für den Genmaisanbau angemeldet, sind es in diesem Jahr nur noch ganze 70 ha.
Zugelassene, gentechnisch veränderte (GV) Organismen (GVO):
Auf EU-Ebene sind zahlreiche GVOs, zumeist gentechnisch veränderte Pflanzen, bereits zugelassen (Stand am 10.3.2010: 31). Ebenfalls erlaubt ist in vielen Fällen die Verwendung von Lebens- und Futtermitteln, die aus derartigen GVOs hergestellt sind. Eine ganze Reihe von Anträgen für weitere gentechnisch veränderte Produkte liegt den Behörden vor.
Die meisten dieser GVO-Produkte werden allerdings in die EU importiert, weil nur ganz wenige GVO für Anbauzwecke zugelassen sind (am 10.3.2010: 2 GV-Maissorten und 1 GV-Kartoffel).
Nur für einen einzigen GV-Mais (MON810) liegt auch die zum kommerziellen Anbau zusätzlich nötige EU-Saatgutverkehrsgenehmigung vor. Der Anbau dieser Maislinie wurde in Deutschland vorübergehend verboten. Nationale Anbauverbote für den Gentechnik-Mais MON810 sind laut Europäischem Gerichtshof rechtlich fragwürdig. Sie berufen sich auf eine "Schutzklausel" in den europäischen Rechtsvorschriften. Danach kann ein Mitgliedsstaat Sofortmaßnahmen ergreifen, wenn er aufgrund neuer Informationen "berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass ein GVO eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt." Dass solche Gründe bestehen, wird seitens der EU verneint.
Das Zulassungsverfahren der EU für GV-Pflanzen ist mangelhaft bei der Prüfung von Umwelt- und Gesundheitsrisiken; es berücksichtigt soziale und wirtschaftliche Schadwirkungen nicht. Wir befürchten, die EU wird in Kürze Gentechnik-Pflanzen neu zulassen, ohne dass die Mängel des Zulassungsverfahrens behoben sind.