Datum: 11. August 2011

PM 2011-247: GRÜNE legen neuen Entwurf des Gesetzes zur Stiftung Sächsische Gedenkstätten vor

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hat einen Neuentwurf des Gesetzes zur Stiftung Sächsische Gedenkstätten vorgelegt.
Damit will sie zur Beendigung des Streites beitragen, der das geltende Gesetz seit seiner Entstehung im Jahr 2003 begleitet. Im Zentrum der Kritik steht der Vorwurf, dass die Formulierungen zum Stiftungszweck sowie die Struktur der Stiftungsorgane einer Relativierung von nationalsozialistischen Verbrechen Vorschub leisten und eine gleichberechtigte Interessenvertretung der Opfergruppen ausschließen. Die völlige Ignoranz der CDU-Regierung gegenüber dieser Kritik hatte 2004 zum Austritt des Zentralrats der Juden und weiterer Opferverbände aus den Gremien der Stiftung geführt.
"Ich halte es für einen unglaublichen Vorgang, dass mehr als sieben Jahre nach dem bundesweiten Eklat das Gesetz noch immer unverändert ist", erklärt Karl-Heinz Gerstenberg, Parlamentarischer Geschäftsführer und kulturpolitischer Sprecher der Fraktion. "Mit diesem Gesetzentwurf hoffen wir eine Diskussion anzustoßen, die zu einem gemeinsam von den demokratischen Landtagsfraktionen verabschiedeten Gesetz führt."
"Wir formulieren in unserem Gesetzentwurf den Stiftungszweck neu und unterscheiden deutlich zwischen den einzigartigen Verbrechen des Nationalsozialismus und den schweren Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen unter der sowjetischen Militäradministration und der SED-Diktatur. Zudem soll die Stiftung dazu beitragen, dass das Wissen um die Wirkung von Widerstand und Duldung bewahrt und weitergetragen wird."
Eine wesentliche Neuerung stellt die Benennung eines Bildungsauftrags dar. "Dies sind wir nicht nur dem formulierten Vermächtnis der Überlebenden der deutschen Konzentrationslager schuldig. Auch die seit Jahren wahrnehmbare Tatsache, dass eine teilweise auf moralische Appelle reduzierte Erinnerungskultur an der Lebenswelt junger Menschen vorbeigeht, macht historisch-politische und ethische Bildung zu einer der wichtigsten Aufgaben der Stiftung", so Gerstenberg.
Die Liste der institutionell geförderten Gedenkstätten wird im Gesetzentwurf entsprechend der Vorschläge von Opferverbänden und Wissenschaftlern erweitert. Neu zu fördern sind danach Gedenkstätten an den Orten der frühen Konzentrationslager Hohnstein (Sächsische Schweiz) und Sachsenburg (bei Chemnitz), die Gedenkstätte zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Leipzig, die Erinnerungs- und Begegnungsstätte im ehemaligen Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau sowie die Frauenhaftanstalt Hoheneck (Stollberg).
Dem Vorwurf, dass die Arbeit der Stiftung einseitig ausgerichtet sei, begegnet der Gesetzentwurf zudem durch Veränderungen in den Stiftungsgremien. So müssen künftig die Verbände und Initiativen der Opfer des Nationalsozialismus als auch die der Opfer der sowjetischen Militäradministration und der SED-Diktatur zu gleichen Teilen im Stiftungsrat und im Stiftungsbeirat vertreten sein. Neue Regelungen zur Arbeit der Stiftungsgremien sollen die Tätigkeit der Stiftung transparenter und auch öffentlich bewusster machen.
"Mit unseren Vorschlägen wollen wir die Diskussion um die Stiftung Sächsische Gedenkstätten in die Öffentlichkeit tragen. Unter dem langjährigen Verharren in einem untragbaren Zustand hat nicht nur das bundesweite Ansehen der Stiftung gelitten. Auch das große Potenzial, das den einzelnen Einrichtungen innewohnt, wurde nicht optimal genutzt", betont Gerstenberg.
» Eckpunkte zum GRÜNEN Gesetzentwurf ‚Sächsisches Gedenkstättengesetz‘
Hintergrund:

Sachsenburg und Hohnstein stehen stellvertretend für die bereits wenige Wochen nach Machtantritt der Nationalsozialisten landesweit eingerichteten sogenannten frühen Konzentrationslager, von denen es in Sachsen ein besonders dichtes Netz gab. Die Leipziger Gedenkstätte erinnert an die große Zahl in Leipzig tätiger Zwangsarbeiter, zugleich aber auch an die tausenden Häftlinge aus Konzentrationslagern, die in der „HASAG Leipzig“ ausgebeutet wurden. Bei der Erinnerungs- und Begegnungsstätte Torgau handelt sich um die bundesweit einzige Gedenkstätte, die sich am historischen Ort mit der staatlichen Repression von Kindern und Jugendlichen in der DDR auseinandersetzt. Die Frauenhaftanstalt Hoheneck war bis zum Ende der DDR die bedeutendste Frauenhaftanstalt für politisch Gefangene.