Datum: 25. September 2012

PM 2012-306: Versorgung durch Hebammen muss in Sachsen gesichert werden

"Sozialministerin Christine Clauß (CDU) muss sich auf Bundesebene für die deutliche Erhöhung der Hebammenvergütung starkmachen", reagiert Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auf die vorgelegte Novelle des Hebammengesetzes durch die Staatsregierung. "Sonst steht die ambulante Geburtshilfe und Versorgung von Schwangeren in Frage. Eine Änderung des Sächsischen Hebammengesetzes allein reicht nicht aus."
 
"Seit 2009 stiegen die Haftpflichtprämien für Hebammen von 2.370 Euro auf aktuell 4.242 Euro (Juli 2012) pro Jahr, ohne dass die Vergütung für Hebammen angepasst wurde. Deshalb ziehen sich immer mehr Hebammen aus der Geburtshilfe zurück. Dabei ist ein Flächenland wie Sachsen auf ihre Arbeit angewiesen", so die Abgeordnete.
 
Da keine umfassende Statistik existiert, ist jedoch völlig unklar, wie die tatsächliche Versorgung mit Hebammenleistungen in Sachsen aussieht.
"Die im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums im Mai 2012 veröffentlichte Studie des IGES-Instituts zur Versorgungs- und Vergütungssituation der Hebammen, bei der rund 3.600 Hebammen befragt wurden, ermöglichte zum ersten Mal Aussagen über die Lage der Hebammen, ersetzt aber keine kontinuierliche Statistik", erläutert Herrmann.
 
"Wir brauchen in Sachsen endlich eine systematische Erhebung zur Situation der Hebammen", fordert sie. "Dazu gehören die Angebote der Hebammenhilfe (Klinik, ambulant, Geburten, Schwangerenvorsorge, Wochenbett) sowie die Erfassung der Nachfrage von Schwangeren nach Hebammenleistungen wie Schwangerenvorsorge, Hilfeleistung bei Schwangerschaftsbeschwerden, Geburtsvorbereitung, Geburtsbegleitung, Wochenbettbetreuung, Stillberatung und 1:1 Betreuung. Nur mit Hilfe einer landesweiten und darauf aufbauend bundesweiten Statistik können wir auf Fehlentwicklungen und mögliche Unterversorgung reagieren."
 
"In diesem Zusammenhang muss zudem geklärt werden, warum offenbar selbst der größte Teil der angestellten Hebammen die hohen Kosten für die Haftpflichtversicherung selbst tragen muss und nicht der Arbeitgeber", erklärt Herrmann.
 
"Frau Clauß, bekennen Sie sich endlich zum Berufsstand der Hebammen und geben sie ihm angesichts der schwierigen Lage die notwendige politische Rückendeckung. Das gilt sowohl für die notwendigen gesetzlichen Neureglungen als auch die Verhandlungen mit den Krankenkassen."
 
» grüner Antrag: "Ambulante Geburtshilfe und Versorgung durch Hebammen absichern – Ergebnisse der IGES-Studie umsetzen" (Drs. 5/9785)

 
Hintergrund:
Das sächsische Hebammengesetz regelt im Wesentlichen, dass Hebammen ihre Dokumentation künftig nur noch 10 statt 30 Jahre aufbewahren müssen. Es konkretisiert die Fortbildungspflicht und die Schweigepflicht der Hebammen. Darüber hinaus verpflichtet es diese, auf Schutzimpfungen für Neugeborene hinzuweisen und streicht die Befugnis, ohne ärztlichen Auftrag, Blutproben für gendiagnostische Untersuchungen (Neugeborenen-Screening) zu entnehmen.

1992 waren freiberufliche Hebammen zu einer Jahresprämie von umgerechnet 179 Euro, inkl. Geburtshilfe, versichert. Durch Verzehnfachung der Prämie (2.370 Euro) bis 2009 sank der Anteil der Hebammen, die neben Schwangerenvorsorge und der Betreuung im Wochenbett auch Geburtshilfe anbieten, auf 23 Prozent. Mit der Steigerung der Haftpflichtprämie für das Berufsrisiko Geburtshilfe auf 3.689 Euro ab 1.7.2010 und auf 4.242 ab 1.7.2012 ist absehbar, dass sich immer mehr Hebammen aus dem Kernbereich ihres Berufes zurückziehen. (www.hebammenverband.de)

Seit 2006 führen Hebammen eigenverantwortliche Vergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen. Ihre Verhandlungsposition ist u.a. deshalb schlechter als die anderer medizinischer Berufe, weil es keinen Sicherstellungsauftrag zur Durchsetzung des Rechts auf Hebammenhilfe nach § 196 RVO gibt.

Durchschnittlich erzielt eine freiberufliche Hebamme 23.300 Euro Umsatz im Jahr. Das real zu versteuernde Einkommen liegt im Schnitt bei 14.150 Euro im Jahr bzw. 7,50 Euro netto pro Stunde. Für die Durchführung einer Geburt erhält die Hebamme ein Bruttohonorar von:

  • 224,40 Euro für die Beleggeburt
  • 367,20 Euro für die Geburt im Geburtshaus
  • 448,80 Euro für die Hausgeburt

Als Ausgleich für gestiegene Haftpflichtprämien wurden von den Kassen 4,39 Euro für Beleggeburten und 14,19 Euro für außerklinische Geburten geboten. Die Gesamtsumme der Gebühren für Geburtshilfe wird ab dem 1.7.2010 ausschließlich die Haftpflichtprämien decken, ohne dass ein Verdienst für die Hebamme übrig bleibt. (www.hebammenverband.de)
Im März 2012 wurde der vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Bericht zur "Versorgungs- und Vergütungssituation in der außerklinischen Hebammenhilfe" vom Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) vorgelegt. Diese IGES-Studie bemängelt die Datenlage zur Hebammenversorgung sowie die Situation der hohen und steigenden Berufshaftpflichtprämien und mahnt die Verantwortung der Länder an.
Für die IGES-Studie wurden bundesweit 3.600 Hebammen und weitere ExpertInnen wie z.B. Hebammenverbände befragt sowie umfangreiche Daten von Krankenkassen bzw. Abrechnungsstellen, Geburten und Krankenhausstatistiken analysiert. Damit bietet sie eine in dieser Form einmalige Faktensammlung als Grundlage für die öffentliche Diskussion.