Datum: 27. August 2014

Naturschutzstationen in Sachsen ringen um ihre Existenz – wichtige Naturschutzaufgaben bleiben dabei auf der Strecke

(2014-213) Anlässlich der Antworten von Umweltminister Frank Kupfer (CDU) auf eine aktuelle Kleine Anfrage zur Situation ehrenamtlicher Naturschützer in Sachsen warnt die umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN Landtagsfraktion Gisela Kallenbach vor einem schleichenden Sterben der Naturschutzstationen in Sachsen.
"Die derzeitige Ausstattung Sachsens mit Naturschutzstationen ist sehr unterschiedlich. Von den 16 sachsenweit noch existierenden Naturschutzstationen liegen die meisten im Landkreis Mittelsachsen (vier Stationen) und jeweils drei in den Landkreisen Leipzig und Bautzen. In den Landkreisen Vogtland, Meißen, Görlitz und Sächsische Schweiz/Osterzgebirge gibt es keine Naturschutzstationen mehr. Mit dem Erzgebirgskreis sieht sich nur noch ein einziger Landkreis in der Pflicht, ein Naturschutzzentrum zu unterhalten. Darüber hinaus existieren noch 15 vergleichbare Einrichtungen in Trägerschaft von Vereinen. Die Naturschutzstation Herrenhaide ist nach einer Brandstiftung derzeit zerstört. Allen gemeinsam ist der Kampf ums wirtschaftliche Überleben, bei dem wichtige Naturschutzaufgaben auf der Strecke bleiben", erklärt Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion.
"Ich bedauere, dass die sächsische Staatsregierung keine Förderung für die weitere Arbeitsfähigkeit der Naturschutzstationen plant. Der künftige Umweltminister muss die noch existierenden Naturschutzstationen in Sachsen erhalten und ausbauen. In den anstehenden Haushaltsverhandlungen sollte er oder sie sich für eine Personalmindestausstattung von drei Stellen pro Station einsetzen. Denn ohne eine Mindestinfrastruktur können die Natürschützer ihre Aufgaben nicht absichern."
"Mittelfristig wäre aus unserer Sicht ein System von landesweit 40 Naturschutzstationen mitsamt Personal und zuverlässiger Finanzierung notwendig. In jedem Landkreis sollte es als Richtwert mindestens drei gut ausgestattete Naturschutzstationen mitsamt fest angestelltem Personal und konkreten Aufgaben geben", fordert die Abgeordnete.
"Viele Naturschutzstationen wurden mittlerweile von ihren einstigen Trägern, den Landkreisen, aufgegeben.
Beispielhaft genannt seien das ‚Zentrum für Landeskultur und Naturschutz‘ in Dippoldiswalde (Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge) und die Teichmühle Großhartmannsdorf im Landkreis Mittelsachsen. Die landesweiten Umweltverbände stoßen bei ihren Versuchen, diese Trägerschaft zu übernehmen, seit Langem an ihre Kapazitätsgrenzen. Eine Möglichkeit ist die Trägerschaft durch den Freistaat. Vorbild könnte hier die Trägerschaft des Staatsbetriebs Sachsenforst für drei Waldschulheime sein. Sinnvoller wäre jedoch die Gründung einer finanziell abgesicherten unabhängigen Trägerstiftung. Die einmalige Bereitstellung von Stiftungskapital wäre eine langfristige Zukunftssicherung. Den Naturschutzstationen könnten bei ausreichender personeller Ausstattung neben der Biotoppflegeorganisation wichtige Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit und der Umweltbildung übertragen werden sowie Kontrollfunktionen, die die personell ausgezehrten Naturschutzbehörden seit langem nicht mehr wahrnehmen können", erklärt Kallenbach.
"Durch wiederholte Strukturreformen und daraus folgende Personalkürzungen einerseits sowie die Zunahme verwaltungsbürokratischer Aufgaben andererseits sind heute die meisten Naturschutzbehörden nicht mehr in der Lage, allen Aufgaben nachzukommen. Das betrifft insbesondere die Unteren Naturschutzbehörden der Landratsämter", ist ihre Erfahrung.
"Die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten und -helfer können diese Lücke nicht schließen. Im Gegenteil: Sie sind heute überwiegend im Rentenalter. Entgegen aller Lippenbekenntnisse und Symbolaktionen zeigt die sächsische Regierung keine Initiative, den ehrenamtlichen Naturschutz zu stärken. Die noch vorhandenen Naturschutzstationen und kleinen Trägervereine zehren seit längerem von der Substanz. Sie kämpfen ums wirtschaftliche Überleben, reduzieren ihre Aktivitäten, notgedrungen bei der Biotoppflege. Selbst sehr wertvolle Flächen werden ‚abgegeben‘, fallen brach oder werden nur noch suboptimal mit nicht angepasster Technik landwirtschaftlich genutzt", sagt Kallenbach.
"Wenn die Statasregierung jetzt nicht eingreift, ist eine Wende des ‚Naturschützersterbens‘ nicht abzusehen. Nachdem praktischer Naturschutz und Landschaftspflege mindestens seit zehn Jahren auf Verschleiß gefahren wurden, ist inzwischen unübersehbar, wie das Fundament wegbricht: ein hoffnungslos überalterter ehrenamtlicher Naturschutzdienst, zusammengestutzte und überforderte Naturschutzbehörden, um die Existenz ringende Naturschutzstationen und -vereine, frustrierte Einzelkämpfer", fürchtet Kallenbach.
» Kleine Anfrage "Situation der Naturschutzstationen in Sachsen" (Drs 5/14665)

Hintergrund:
Die Bedeutung der Naturschutzstationen in Sachsen und ihr schleichender Niedergang ist ausführlich dokumentiert in "Sachsens Natur bewahren! Eine Biodiversitätskonzeption – 2012-2014" erarbeitet von 65 Naturschutzpraktikern" (März 2014) der GRÜNEN-Landtagsfraktion.
Zu den Aufgaben der Naturschutzstationen soll gehören:

  • Biotoppflege-Management/Pflegeorganisation und eigene praktische Maßnahmen für die wertvollsten Biotopflächen
  • Naturschutzberatung, Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung
  • Kontrollaufgaben in Schutzgebieten, bei geschützten Biotopen sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen