Datum: 27. Juli 2018

GRÜNE fordern zeitgemäße Kommunikationsmittel für alle Gefangenen – Schluss mit teuren Technikexperimenten

(2018-194) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag drängt auf zeitgemäße Kommunikationsmittel für alle Gefangenen statt auf teure Technikexperimente.
„Laut Medienberichten will Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) die Nutzung von Handys in den sächsischen Justizvollzugsanstalten (JVA) mit Hilfe von Ortungs- und Störgeräten unterbinden. Dafür sind 2,68 Millionen Euro für ganze zwei Störsender in den Justizvollzugsanstalten Dresden und Leipzig eingeplant. Wie entsprechende Erfahrungen mit Ortungs- und Störgeräten in Gefängnissen in anderen Bundesländern zeigen, sind diese Anlagen teuer und technisch schneller überholt, als sie überhaupt errichtet sind“, kritisiert Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag. „Zudem ist nicht auszuschließen, dass durch diese Anlagen der Mobilfunkverkehr von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Unternehmen im Umfeld der Anstalten beeinträchtigt wird. Der Nutzen von solchen Sendern steht in keinem angemessenen Verhältnis zu den dafür aufgewendeten Steuergeldern.“
Sachsens ehemaliger Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann hatte sich gegenüber der Freien Presse im Februar 2017 auch kritisch zu Störsendern geäußert.

Meier empfiehlt, das Kommunikationsbedürfnis der Gefangenen ernst zu nehmen: „Die weitaus meisten der illegal eingebrachten Handys dienen den Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Alltagskommunikation mit ihren Angehörigen und Kindern. Aus meiner Sicht hat der Justizvollzug die gesetzliche Aufgabe, diese Kontakte zu fördern statt erhebliche Geldmittel dafür aufzuwenden, diese zu unterdrücken. Darum sollte der Justizminister die geplanten Mittel in Höhe von 1,34 Millionen Euro besser für Angebote zur sicheren Kommunikation für alle Gefangenen einsetzen.“

„Gefangene, die sich an das Handyverbot halten, müssen ihre Telefonate heute zu hohen Kosten über externe Anbieter mehr oder weniger öffentlich zumeist über in ein zentrales Telefon im Stationsgang abwickeln“, weist die Abgeordnete auf die Praxis in den JVA hin. „Zeit und Raum für ein persönliches Gespräch mit der eigenen Frau oder den Kindern bleibt da kaum. Mit einem privaten Telefonat im Haftraum, das im Einzelfall überwachbar ist, wäre dies möglich.“

Wie so oft hilft ein Blick über den Tellerrand: In einem eineinhalbjährigen Modellprojekt im französischen Gefängnis Montmédy wurde in jedem Haftraum ein Festnetztelefone zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis konnte ein engerer Kontakt der Häftlinge mit ihren Familien und Freunden unterstützt und damit die Resozialisierung erleichtert werden. Auch die Zahl der konfiszierten Mobiltelefone ging erheblich zurück.

„Ich fordere Justizminister Gemkow auf, das gesetzliche Gebot der weitestgehenden Angleichung der Lebensverhältnisse im Gefängnis an die allgemeinen Lebensverhältnisse (Paragraf 3 Absatz 4 des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes) ernst zu nehmen und in zeitgemäße Kommunikationsmöglichkeiten im Gefängnis zu investieren“, so Meier. „Modellprojekte genügen nicht mehr. Die technischen Voraussetzungen für sichere Haftraumtelefonie, Videotelefonie und einen überwachten persönlichen Zugang zum Internet, inklusive E-Mail-Verkehr sind längst verfügbar und ein Gebot des Angleichungsgrundsatzes an die Außenwelt.“

Weitere Informationen:

>> Bericht der Neuen Züricher Zeitung (03.01.18) über das Modellprojekt im französischen Gefängnis Montmédy

>> Bericht des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags (04.07.17): ‚Illegale Handys: Keine Störsender für Haftanstalten in SH‘

>> Paragraf 3 Absatz 4 des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes (SächsStVollzG)